in der Werkstatt des Projekts. Von Links: Betreuer Matthias Kälber, seine Kollegen Andrea Lenz und Guido Wolf schauen Alice (von links) über die Schulter. Der Justizminister informierte sich im Zentrum Zinsholz über das Projekt Reset. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Maria Krell

„Reset“ ist Englisch und bedeutet so viel wie „Zurücksetzen“, „Neustart“ oder „Wiederherstellung eines Ausgangszustandes“. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich die Kinder- und Jugendförderung Ostfildern genau diesen Namen für ihr Projekt ausgesucht hat: Bei „Reset“, das unter der Trägerschaft des Kreisjugendrings Esslingen ist, werden straffällig gewordene Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahren von Betreuern handwerklich und sozialpädagogisch begleitet. In der Werkstatt leisten die jungen Menschen ihre Sozialstunden nicht nur mit der Restauration von Holztruhen oder der Fertigung von filigranen Metallrosen ab. Nebenbei versucht Betreuerin Andrea Lenz den Jugendlichen in offenen Gesprächen „raus aus der Mühle“ zu helfen, mit ihnen über ihre Probleme zu sprechen und zuzuhören. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Matthias Kälber unterstützt sie in der Werkstatt im Zentrum Zinsholz seit fünf Jahren junge Menschen, einen neuen Weg in der Zukunft einzuschlagen, sozusagen noch einmal auf Anfang zu stellen. Doch nun muss „Reset“ selbst um seine eigene Zukunft bangen: Die Finanzierung des Programms, das jährlich 80 000 Euro kostet, ist nur noch bis Ende dieses Jahres gesichert. Dann läuft die Förderung über die Vector Stiftung, die immerhin 80 Prozent der Finanzierung ausmacht, aus. Derzeit suchen Träger und Einrichtung gemeinsam mit den beiden Bürgervereinen Ostfilderns nach alternativen Förderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten, damit das Projekt auch in Zukunft bestehen bleiben kann.

Brainstorming-Phase

„Ich weiß, dass solche Einrichtungen sehr viel Kraft darauf verwenden müssen, sich zu finanzieren. Ich werde mich hier nach Kräften einbringen“, sagte der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) bei einem gemeinsamen Werkstatt-Rundgang mit Vertretern von Kommune, Landkreis, Justiz, Kinder- und Jugendarbeit sowie Zivilgesellschaft. Er sei zwar von dem Projekt überzeugt, versprechen könne er aber nichts. Der Minister signalisierte, sich auch mit dem Sozialministerium in Verbindung setzen zu wollen, um über weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu sprechen. „Ich bin noch in der Phase des Brainstormings.“Die kommunalen Partner sieht Wolf ebenfalls in der Pflicht. Die hielten sich jedoch mit konkreten Finanzierungszusagen noch bedeckt.

Wie wichtig die Arbeit von „Reset“ ist, zeigt sich eindrücklich an Alice. Die junge Frau, die eigentlich anders heißt, hat in ihrer Vergangenheit Fehler gemacht, die ihrem Leben schnell eine andere Wendung hätten geben können. Dank der Arbeit von Lenz und Kälber hat sie eine zweite Chance bekommen, sozusagen ihren ganz eigenen Neustart erhalten.

„Am Anfang wollte ich mich überhaupt nicht öffnen. Aber dann, nach circa zehn Stunden bin ich sehr gerne hergekommen“, erzählt Alice. Die junge Frau hat vor zwei Jahren wiederholt gestohlen, ist irgendwo eingebrochen, hat andere Menschen körperlich verletzt. „Man entdeckt hier Seiten an sich, die man vorher gar nicht kannte“, sagt sie weiter.

Außerordentliche Ideen

Mittlerweile hat Alice eine eigene Wohnung, arbeitet als Altenpflegerin und überlegt, bald zu studieren. „Ich vertraue niemandem so sehr wie Andrea und Matze. Ich kann mit ihnen immer über meine Probleme reden.“ Obwohl Alice ihre Sozialstunden schon abgeleistet hat, kommt sie meist noch einmal wöchentlich ins Zinsholz. Wann immer etwas ansteht, sie Hilfe bei Bewerbungen braucht oder Probleme hat, würde ihr hier geholfen werden. „Mit der Zeit baut sich großes Vertrauen auf. Die Jugendlichen öffnen sich und können die Strafe als Chance nutzen“, erzählt Kälber. Seine Kollegin Lenz ergänzt: „Das Schlimmste ist, wenn die Jugendlichen sagen: Mir hört ja sowieso keiner zu. Mit der Zeit, in der das Vertrauen in uns wächst, baut sich auch eine engere Beziehung auf. Man merkt, dass die Jugendlichen auf dem richtigen Weg sind. Die Gespräche werden oft persönlicher. Da passiert so eine große Entwicklung.“

Auch aus Kostengründen sei das Projekt sinnvoll: „Wenn man nur zwei erwischt, die später nicht in Haft gehen, lohnt sich das Projekt schon“, erzählt Nico Niese, Jugendrichter beim Amtsgericht Esslingen. Ein Haftplatz verursache etwa 50 000 Euro Justizkosten pro Jahr - mehr als die Hälfte der Gesamtkosten für „Reset“. Niese hat in den letzten viereinhalb Jahren 130 der 176 Jugendlichen an „Reset“ vermittelt. „Die Ideen, die hier gegeben werden, sind außerordentlich. Der destruktiven Energie wird etwas Positives entgegengesetzt“, fasst er zusammen. Bleibt zu hoffen, dass das auch im nächsten Jahr geschieht.

Das Projekt Reset

Die Idee: Die gemeinnützigen Sozialstunden in Ostfildern sollten auch intensiv sozialpädagogisch betreut werden. Es geht dabei also auch um eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Jugendgerichtshilfe, der Polizei, der Justiz sowie den Einrichtungen der Kinder- und Jugendförderung durchgeführt.

Die Zielgruppe: Delinquent handelnde und gewaltbereite Jugendlichen sowie junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahren, die eine richterliche Auflage in Form von gemeinnützigen Sozialstunden haben.

Der Zugang: Die Betroffenen werden durch die Jugendgerichtshilfe, den Täter-Opfer-Ausgleich, die Bewährungshilfe oder das Jugendgericht zugewiesen.

Pädagogische Arbeit: Die sozialpädagogische Begleitung zielt auf die Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten, Bewusstmachung und Weiterentwicklung von eigenen Stärken, Entwicklung von Handlungsalternativen, Gestaltung persönlicher und beruflicher Perspektiven sowie Beratungsermittlung ab.

Gemeinnützige Arbeit: Bei den Arbeitseinsätzen sollen die jungen Menschen einen persönlichen Mehrwert für ihre Arbeit erkennen. Sie finden im Gemeinsamen statt und sollen entstigmatisierend wirken.

www.reset-ostfildern.de