Fair, sachlich, aber durchaus auch mal streitlustig: Bernhard Richter und der Gemeinderat haben einiges auf den Weg gebracht. Wie etwa den naturnahen Umbau des Reichenbachs, über dem er auf dem Foto steht. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Die 8000-Einwohner-Gemeinde Reichenbach wählt am 16. Oktober ihren Bürgermeister. Die Auswahl ist begrenzt, als einziger Kandidat tritt Amtsinhaber Bernhard Richter (Freie Wähler) an, der im Januar 1993 erstmals sein Büro im Rathaus bezog. Im Gespräch mit der EZ erzählt der 52-Jährige von seither Erreichtem, Zukunftsplänen und davon, welchen Menschen die Bürger mit seiner Person wählen können.

Es ist Ihre vierte Bürgermeisterwahl in Reichenbach und Sie sind diesmal der einzige Bewerber. Woran liegt das? Ist das ein unattraktiver Posten oder rechnen sich andere keine Chancen aus?

Richter: Ich glaube, so kann man das nicht sagen. Es ist aber landauf, landab so, dass in Kommunen, in denen der Amtsinhaber wieder kandidiert und in denen es keine offensichtlichen Probleme gibt, ein qualifizierter Gegenkandidat in aller Regel nicht antritt.

Neulich haben Sie gesagt, dass Sie die Zustimmung für sich nicht an der Wahlbeteiligung festmachen wollen, sondern von der Atmosphäre in der Gemeinde. Und Ihr Eindruck ist, sie ist gut?

Richter: Ja, sonst hätte ich nicht mehr kandidiert. Wenn ich den Eindruck habe, dass ich hier im Ort die Bürger nicht mehr erreiche oder alle einen großen Bogen um mich herum machen, warum soll ich mir dann acht weitere Jahre antun?

Aber ein Bürgermeister kann sich ja nicht nur Freunde machen, oder? Knallt es auch mal hinter verschlossenen Türen?

Richter: Ganz im Gegenteil, ich bin sogar einer, der es ganz offen knallen lässt. Aber ich denke, dass wir im Gemeinderat Respekt voreinander haben und sehr fair und sachlich miteinander umgehen. Ich gebe Ihnen ein prägendes Erlebnis aus der jüngeren Vergangenheit, ein ganz schwieriges Thema: Schulentwicklung. Im Gemeinderat war die eine Hälfte für die Gemeinschaftsschule und die andere für die Realschule. In vielen Kommunen geht dann das Hauen und Stechen los.

Der Gemeinderat hat letztendlich für die erweiterte Realschule votiert. . .

Richter: Ja. Wir haben uns auf den Weg gemacht, mit einem guten, offenen Diskussionsprozess, mit den Schulen, mit den Eltern, und sind am Ende zu einem einstimmigen Beschluss gekommen. Das schätze ich an diesem Gemeinderat außerordentlich: dass man kompromissfähig ist. Das muss nicht heißen, dass sich immer alle mögen. Ich hab auch schon den einen oder anderen Disput mit einem Gemeinderat gehabt, aber ich bin nicht nachtragend und möchte einen guten Umgang miteinander pflegen.

Jetzt haben Sie auch mit einem Thema zu tun, das selbst populäre Bundespolitiker unbeliebt macht: die Flüchtlingsunterbringung. Was kommt auf Reichenbach noch zu?

Richter: Auf uns kommt genau das Gleiche zu wie auf alle anderen Kommunen. Wir haben das bislang insoweit ganz gut gemacht, als wir einen Standort für die Landkreis-Flüchtlinge gefunden haben, der zwar zentral ist, aber keine unmittelbare Wohnnachbarschaft tangiert. Das hat uns sehr geholfen, denn in aller Regel ist es immer an den Standorten problematisch, wo in unmittelbarer Umgebung Wohnhäuser stehen. Der nächste Schritt ist die Frage: Wie gehen wir mit denen um, die zumindest mittelfristig bei uns bleiben? Und auch da haben wir eine relativ klare Strategie: Das kann nicht eine Sammelunterkunft sein. Je kleiner die Einheiten sind, desto unproblematischer findet Integration statt.

Reichenbach hat sich unter Ihrer Amtsführung schon rein optisch sehr verändert. Was sind die wichtigsten Entwicklungen, die Sie mit auf den Weg gebracht haben?

Richter: Ich bringe alleine gar nichts voran. In Reichenbach ist es wirklich ein Wir. Wir sind gemeinsam unterwegs und haben von den wesentlichen Prioritäten her die Gleichen: Wir schonen unsere Außenbereiche, wir machen konsequent Innenentwicklung und das seit über 20 Jahren. Aus dieser Philosophie heraus hat sich sehr viel ergeben. Wir schließen Märkte auf der grünen Wiese aus. So hat sich das Zentrum als Einkaufszone etabliert. Außerdem hat sich die Kinderbetreuung dramatisch verbessert. Wir legen auch auf Umwelt sehr viel Wert. Da ist die Renaturierung des Reichenbachs vor dem Rathaus ein Beispiel. Und das Thema Seniorenangebote: Als ich hier angefangen habe, war eine betreute Anlage gerade im Bau. Heute haben wir drei und ein Pflegeheim.

Auch finanziell steht Reichenbach mittlerweile besser da. Es gab zuletzt den Vorwurf, die Verwaltung enge mit pessimistischen Zahlen die Ratsfraktionen ein. Sind Sie denn sparsam oder sogar geizig?

Richter: Um Gottes Willen, ich bin alles andere als geizig und ich bin kein Erbsenzähler. Sondern ich hab das große Ganze im Blick. Sie müssten meinen Kämmerer kennen lernen. Wenn wir Haushalt machen, hübsche ich seine pessimistischen Zahlen noch auf. Da ist dann schon ein Schuss Optimismus dabei, aber trotzdem gelten die Regeln eines vernünftigen Kaufmannes. Was bringt es, wenn ich mit optimistischen Zahlen ins Rennen gehe, die treten aber nicht ein, wir verteilen Gelder am Anfang vom Jahr und ich muss dann im Juli die Bremse reinhauen? Wo ich aber sehr sparsam bin, ist bei Stellen.

Sie sind ja als Vielsprecher bekannt. Gibt es eigentlich auch etwas, was Sie sprachlos macht?

Richter: Es gab schon Situationen, mir fällt aber spontan keine ein. Das passiert tatsächlich selten.

Mehr als 23 Jahre lang sind Sie im Amt und haben Reichenbach sicherlich geprägt. Haben Sie sich denn auch durch die Gemeinde verändert?

Richter: Ich bin älter, ruhiger und etwas weiser geworden. Auch da ein Lob an meinen Gemeinderat. Am Anfang haben sie mich auch einfach machen lassen und nicht sofort dazwischen gegrätscht. Das hat mir die Chance gegeben, mich zu entwickeln und ein Gefühl zu entwickeln, wo musst du mehr machen und wo kannst du dich auch zurücknehmen.

Wenn Sie mal nicht mehr Bürgermeister wären, würden Sie dann in Reichenbach alt werden wollen?

Richter: Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wenn ich mal das Amt niederlege, wird es natürlich auch eine Rolle spielen, ob ich freiwillig oder unfreiwillig aufhöre. Stand heute habe ich keinen Grund, aus Reichenbach wegzuziehen.

Welche Versprechungen wollen Sie Ihren Bürgern denn noch im Wahlkampf machen?

Richter: Versprechungen mach’ ich generell nicht, sondern wir reden über Themen, die wir haben. Eines ist der Hochwasserschutz, da sind wir relativ weit im Verfahren. Das nächste große Thema ist die Schulentwicklung. Wir haben uns festgelegt auf den Schultypus. Worüber wir jetzt noch entscheiden müssen, ist: Was für Profile soll die Realschule anbieten und wie wollen wird den gesamten Campus verändern? Dann haben wir die Sanierung Zentrum-Nord. Die Entwicklung des Bereiches ist eine große Aufgabe und große Chance. Wir werden noch das Thema Ganztagesbetreuung in Kindergärten angehen und wir machen gerade einen Sportentwicklungsplan, um zu sehen: Was passiert mit unserer abgängigen Schulturnhalle?

Haben Sie denn überhaupt noch Zeit für Hobbys, wenn es so heiß hergeht in der Kommunalpolitik?

Richter: Ich reise gerne, fotografiere, koche und lese ab und zu ein Buch. Das Joggen habe ich noch nicht ganz aufgegeben. Ich will auch bei der Bürgermeister-Fußball-Elf wieder mitmachen. Vor der Wahl aber nicht mehr. Vor acht Jahren war ich ein paar Tage vor der offiziellen Kandidaten-Vorstellung beim Training. Einen Ball wollte ich mit dem Kopf nehmen und ein Kollege mit dem Fuß. Ich hab ein blaues Auge bekommen, das sich von und zu nennen konnte - und drei oder vier Tage später war offizielle Kandidatenvorstellung. Da können Sie sich vorstellen, wie hoch erfreut ich war.

Die Fragen stellte Greta Gramberg.

Vor dem Wahlsonntag können die Bürger Bernhard Richter bei mehreren Gelegenheiten kennenlernen. Er verteilt in diesen Tagen persönlich seine Wahlbroschüre an die Haushalte. Es gibt eine Kandidatenvorstellung am 4. Oktober, 19 Uhr, in der Brühlhalle. Außerdem leitet er am 8. Oktober einen Spaziergang durch die Gemeinde. Treffpunkt ist um 11 Uhr vor dem Rathaus.