Franz Diller kommt nicht zum Faulenzen in den Garten. Seine 72 Rosensträucher blühen wohl auch deshalb schön. Fotos: Kaier Quelle: Unbekannt

„Wenn der Garten gut aussieht, schafft man mindestens 20 bis 25 Stunden pro Woche darin.“„Man tauscht auch mal mit dem Nachbarn Samen und Setzlinge und hat dann die selben Pflanzen.“

Von Greta Gramberg

In der Nachmittagshitze geht es ruhig zu in den kleinen Parzellen der Gartenfreunde Plochingen. Nur wenige stehen zwischen ihren Blumen und Obsthecken, denn gearbeitet wird vor allem dann, wenn es kühler ist. Die Anlage mit 33 Gärten gibt es seit 40 Jahren, den Verein sogar seit 75 Jahren. Ende Juni hatten die Mitglieder ein großes Fest gefeiert. Trotz der vielen Jahre ist der Schrebergartenwahnsinn hier aber nicht eingezogen. Keine eskalierenden Nachbarschaftsstreits über Rasenmäherlärm und überwuchernde Hecken. In Plochingen scheinen die Gartenfreunde pragmatisch zu sein. Sie gärtnern, um des Gärtnerns Willen. Was das bedeutet, zeigt ein Einblick in drei Parzellen.

Wie aus einem kleinen Samen große Pflanzen entstehen, findet Christel Müller, die all ihr Gemüse und ihre Blumen selbst zieht, faszinierend. „Das ist immer eine Freude“, sagt die 85-Jährige, die mit ihrem Mann seit 40 Jahren ein Stückle auf der Kleingärtneranlage hat. Dabei hätte sie sich das in ihrer Jugend als Kind eines Landwirts nie erträumen lassen. „Mit zwölf habe ich gesagt: Wenn ich erwachsen bin, werde ich niemals einen Landwirt heiraten.“ Doch als sie und ihr Mann in Plochingen sesshaft wurden, änderte sich das. Müllers hatten eine kleine Wohnung ohne Garten, fanden es im Hinblick auf den Ruhestand aber geschickt, ein wenig Beschäftigung zu haben. Deswegen mieteten sie zunächst zwei andere, weniger komfortable Gärten, bis die Anlage auf den Lettenäckern 1976 angelegt wurde.

Seither sind die beiden Mitglieder bei den Gartenfreunden. Aus heutiger Sicht könne sie sich vorstellen, auf einem kleinen Bauernhof zu wohnen, sagt Christel Müller sogar. Sie und ihr 87 Jahre alter Ehemann Günter Müller sind die ältesten Hobbygärtner hier und sie bewirtschafteten noch alles selbst, erzählt die Rentnerin stolz. Für sie bedeute der Garten Erholung mit ein wenig Arbeit verbunden. Manchmal komme auch die Familie zu Besuch auf die Terrasse.

Erholung gibt es dagegen für Franz Diller nicht. „Ich komme nicht zum Rumsitzen in den Garten“, sagt der 76-Jährige. Er hat deshalb mittlerweile die Gartenmöbel aus seiner Hütte verbannt und lagert stattdessen Heu und Stroh für die Hasen seiner Tochter darin. Bei ihm gibt es aber dennoch nicht nur Nutzpflanzen zu sehen. Stolz ist der zweite Vorsitzende der Gartenfreunde etwa auf seine 72 Rosensträucher. „Wenn ein Garten gut aussieht, schafft man im Frühjahr und Sommer mindestens 20 bis 25 Stunden pro Woche darin“, sagt er. Diller selbst ist jeden Tag mal in seinem Garten, sonst wachse dieser ihm über den Kopf, sagt er.

Dabei darf der Gärtner nichts zu hoch wachsen lassen, weil er sonst gegen die Regeln der Anlage verstößt, die auf dem Bundeskleingartengesetz beruhen. Vorgeschrieben ist auch eine sogenannte Drittelregel, die besagt, dass eine Parzelle zu drei ungefähr gleich großen Anteilen mit Fläche für Obst, Gemüse und Blumen, mit freiem Rasen und mit Freizeitfläche - das heißt Hütte und Terrasse - belegt sein soll. Alle zwei Jahre gibt es Gartenbegehungen zur Überprüfung.

Beim Gang durch die Anlage wird aber auch schnell klar, dass nicht alle akribisch genau die Einteilung einhalten. Einige haben mehr Rasenfläche mit allerlei Dekorationsgegenständen, andere mehr Obst oder Gemüse. Die Müllers und Franz Diller gehören eher zur zweiten Fraktion. „Wir sind da nicht päpstlicher als der Papst“, sagt der Vereinsvorsitzende Gerd Blankenhorn. Im Gesamteindruck der Anlage müsse die Drittelregelung aber stimmen. Themengärten etwa mit mediterranem Motto oder ähnliches findet man auf dem Areal nahe des Wohngebiets Lettenäcker deswegen nicht. Das widerspreche in der Regel der Drittelregelung, so Blankenhorn. Und auch auf große Bäume müssen die Mitglieder verzichten - was manchen nicht so leicht fällt, viele hätten gerne Kirsch- oder Walnussbäume.

Ein wenig Raum zur Selbstverwirklichung hat dennoch jeder: Für Günter Costei liegt der unter anderem in seiner Gartenlaube. Die hat der 58-Jährige urig mit unzähligen Feldflaschen, bemalten Tellern, Tierpräparaten und allerlei anderem ausgestattet - und ist mit seinem kleinen Museum, wie Vereinschef Gerd Blankenhorn es nennt, ein wenig der Exot der Gartenfreunde. Auch außerhalb der Hütte ist viel Dekoration aufgestellt, wie eine kleine Wasserstelle mit Miniaturmühle. Seine Buchsbäume hat Costei in Form eines Tisches mit Stühlen geschnitten. Dekoration sei in seiner Kindheit in der Familie schon üblich gewesen, erzählt er.

Das Gärtnern kommt auch bei ihm nicht zu kurz. Große Brombeerhecken, Bohnen, Gurken und Tomaten gedeihen gut bei Günter Costei. „Alles macht mir Spaß“, sagt er über die verschiedenen Aspekte des Kleingärtnerns. Er ist aus Siebenbürgen nach Deutschland gekommen. „Dort hatte ich Hof, Garten und ein schönes Haus“, sagt der 58-Jährige. Hier habe er dagegen zu Beginn keine Beschäftigung neben der Arbeit gehabt. Weil er nicht alleine einen Garten haben wollte, hat Costei sich für eine Parzelle bei den Gartenfreunden entschieden, die er seit 1993 bewirtschaftet. Es sei wie in einer Familie oder einem kleinen Dorf hier, findet der Aussiedler. Man tausche auch Samen und Pflänzchen mit den Nachbarn und gebe sich Tipps. Etwas, das sie nicht zum Grünen bekommen, fällt den fünf Hobbygärtnern nicht ein. „Es wird so lange probiert, bis es geht“, sagt Günter Müller. Er lerne auch heute immer noch dazu, erklärt zudem Franz Diller.

„Wir sind ein ziemlich überalteter Verein“, merkt Gerd Blankenhorn an. Es seien wenig junge Leute dazugekommen. Dennoch sind alle Parzellen belegt, viele haben seit Jahrzehnten ein Stückle. „Einmal Kleingärtner, immer Kleingärtner. So schnell gibt keiner auf“, kommentiert Franz Diller das. Bereits seit 1976 ist er - genau wie Blankenhorn und das Ehepaar Müller - Mitglied bei den Gartenfreunden Plochingen. Nur der Vereinschef hat kein Gärtle mehr und ist darum auch nicht unglücklich. Er sei noch im Vorstand des Bezirksverbands der Gartenfreunde tätig und habe damit genug zu tun.

Einen richtigen Krach wie in anderen Kleingartenkolonien, die damit auch in die Zeitungen kamen, hat es in Plochingen offenbar noch nicht gegeben. Das liegt vielleicht mit daran, dass dauerhaftes Wohnen in den Lauben nicht erlaubt ist und die Gärten so gar kein zweites Zuhause werden können. Zu bestimmten Ruhezeiten darf auch kein Lärm oder Rauch verursacht werden. „Es gibt schon einige, die hauptsächlich ihre Freizeit im Garten verbringen“, sagt Gerd Blankenhorn. Aber die Anzahl der Parties sei überschaubar. Zwischen Müllers, Franz Diller und Günter Costei gibt es jedenfalls höchstens mal Kabbeleien über die Frage, wer die größten Tomaten hat.

75 Jahre Gartenfreunde

Lange bevor Gerd Blankenhorn, das Ehepaar Müller und Franz Diller ihre Leidenschaft fürs Gärtnern entdeckten, wurden die Gartenfreunde Plochingen gegründet: Am 1. März 1941. Damals befand sich die Kleingartenanlage auf dem Stumpenhof, bis sie 1952 einem Baugebiet weichen musste. Danach zogen die Hobbygärtner zur neuen Anlage unter dem Albverein-Aussichtsturm. Dort betrieben die Gartenfreunde das legendäre Vereinsheim „Rettichbar“.

1976 begann der Bau der jetzigen Anlage östlich des Wohngebiets Lettenäcker, da auf der früheren Fläche auf dem Stumpenhof das Krankenhaus gebaut wurde. Einweihung war 1980. 1990 übernahm Gerd Blankenhorn den Vereinsvorsitz.

Gut dort eingelebt haben sich die Kleingärtner seither und lassen auch mal Außenstehende einen Blick auf ihre Anlage werfen. Ein beliebtes Fest ist etwa die kälteste Hocketse Plochingens „Kalte Füaß ond kalte Nos“ am Samstag nach Fasching. Außerdem laden sie jährlich zum Weißwurstfrühstück und einer Feier zu Faschingsbeginn am 11. November ein.

Aktuell haben die Gartenfreunde 90 aktive und passive Mitglieder sowie 33 Gärten von in der Regel 3 Ar zur Verfügung. Sie sind alle belegt und laut Vereinschef Gerd Blankenhorn gibt es eine Warteliste für frei werdende Parzellen. Die Kosten sind relativ gering. Die Hütte wird in der Regel vom Vorgänger abgekauft, dann zahlt der Kleingärtner rund 10 Euro Pacht jährlich - plus Wasserkosten, Versicherung, Umlagen und die Vereinsmitgliedschaftsbeitrag.