Menschen und Tiere scheinen gleichermaßen neugierig aufeinander zu sein. Die Mufflons halten aber vorsichtig Distanz. Fotos: SDMG/Friebe Quelle: Unbekannt

Von Roland Kurz

Auf dem Tisch liegen Scheren und Buntpapier bereit, Holzschablonen, Schalen mit Farben und Pinseln. Ostern steht vor der Tür und im Pflegeheim „Palmscher Garten“ in Deizisau wird gebastelt. Betreut wird die Bastelrunde von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die seit der Eröffnung im Oktober den Bewohnern ihre Zeit und Interesse schenken. Cafébetrieb, Gymnastik, Singen, Begleitung zum Gottesdienst und der äußerst beliebte Dämmerschoppen sind weitere Angebote.

20 Frauen und drei Männer engagieren sich im Pflegeheim. Bei den Bewohnern ist das Verhältnis ähnlich, heute kommen sogar nur Frauen an den Basteltisch. Die vom Heim angestellten Alltagshelferinnen in ihrer grünen Dienstkleidung geleiten die Seniorinnen an den Tisch. „Sie wollen etwas mit Farbe machen?“, stellt eine Frau halb neugierig, halb misstrauisch fest. „Nein, Sie machen das“, entgegnet Heidi Hübsch, die gemeinsam mit Kerstin Schneider den Einsatz der Ehrenamtlichen koordiniert. Beide zählen auch zum Bastelteam.

Dämmerschoppen ist der Renner

„Das gibt Ostereier-Ketten, die wir ans Fenster hängen“, erklärt Kerstin Schneider. Nicht alle in der Runde sind begeistert. „Ich bastel nix, ich guck bloß zu“, sagt eine und wird ihre Haltung die nächsten eineinhalb Stunden nicht ändern. Das habe sie noch nie gemacht, wehrt eine andere Frau ab. Doch Hannelore Sigler, die dritte Helferin, wendet sanften Druck an: „So Gerda, da hast du ein bissle Farbe und jetzt pinselst du.“ Sie kenne viele der Heimbewohner, meint die 68-Jährige, weil sie früher Verkäuferin im Lebensmittelladen und in der Metzgerei gewesen sei. Weil sie einen persönlichen Bezug zu den Menschen hat, hilft sie häufiger, kommt zum Dämmerschoppen oder guckt einfach so ins Haus. Irgendeine Aufgabe brauche man ja: „Wer rastet, der rostet.“

Der Dämmerschoppen, der 14-tägig am Freitag stattfindet, ist der Renner. 35 Bewohner kamen zur letzten Runde, um ein Schorle oder ein Bier zu trinken. Vor allem aber wollen sie Robert Paflitschek aus Plochingen zuhören, der Akkordeon spielt und die Senioren beim Singen alter Schlager begleitet. Die Ehrenamtlichen ergänzen den Abend mit Sketchen oder erzählen auch mal einen Witz. „Sehr schön“, bestätigt eine Eiermalerin und wünscht sich den Dämmerschoppen wöchentlich. Einziges Problem: Um 20 Uhr muss Schluss sein, sonst kommt die Nachtwache in Zeitnot, wenn sie die Bewohner ins Bett bringt.

„Fürsingen“ am Abend

Gelegentlich werden die Heimbewohner musikalisch zur Nachtruhe begleitet: „Fürsingen“ nennt die Musikerin Heidrun Speck ihr Projekt. Sie geht nach dem Abendessen von Tisch zu Tisch oder singt am Bett des ein oder anderen Bewohners.

Jeden Montagnachmittag leiten vier Frauen mit Erfahrung in der Altenarbeit die Gymnastikrunde. Mit Musik und Kleingeräten animieren sie zur Bewegung. Die Geräte hat der Verein Altenhilfe gesponsert, der sich frühzeitig um die ehrenamtliche Begleitung des Heims gekümmert hat. Als neues Angebot soll demnächst ein Filmvortrag eingeführt werden. Harald Buck möchte Filme von seinen Reisen zeigen.

Einmal im Monat begleiten die Ehrenamtlichen die Bewohner zum Gottesdienst, den ein Pfarrer oder eine Pastoralreferentin der evangelischen, katholischen oder methodistischen Kirche im Andachtsraum abhält. Von den Veranstaltungen abgesehen, schaut von Montag bis Freitag täglich ein Ehrenamtlicher vorbei, um den Bewohnern vorzulesen, mit ihnen spazieren zu gehen oder einfach ein Schwätzle zu halten. Gelegentlich organisieren die Ehrenamtlichen Ausflüge für die Bewohner des Heims und des angegliederten Betreuten Wohnens. Dazu stellt die Gemeinde den Mobilo-Bus bereit.

„Enorm, was da in kurzer Zeit auf die Beine gestellt wurde!“ Hausdirektorin Carolin Hörbrink ist mit den Deizisauern hochzufrieden. Sie wisse von keiner anderen Einrichtung der Evangelischen Heimstiftung, die gleich mit 25 ehrenamtlichen Helfern gestartet sei. Das Ehrenamt verbinde die Bewohner mit dem Heim. „Die bringen Heimat hier rein.“

Für Werbefilm eingeplant

Toll sei, dass die beiden Koordinatoren selbstständig arbeiten. Zur Planung der Einsätze und Projekte treffen sich Hübsch und Schneider alle vier Wochen mit Heimleiterin Hörbrink. Ein Team mit zu leiten, sei ein Anreiz für ihr Engagement gewesen, sagt Kerstin Schneider, die auch bei der DLRG engagiert ist. Für Heidi Hübsch war es nie eine Frage, ob sie sich im neuen Pflegeheim einbringt. Sie begleite das Projekt, seit vor zehn Jahren erstmals die Idee aufgekommen sei, in Deizisau ein Heim zu bauen. Manchmal entdecke sie beim Umgang mit den alten Menschen Parallelen zu ihrer Arbeit im Kindergarten. Motivieren, dirigieren und heute die farbverschmierten Hände immer wieder abputzen. Eine Frage beschäftigt sie dabei immer wieder: Bevormunde ich jemand? Eine Gratwanderung, meint Heidi Hübsch, aber insgesamt sei es eine sehr schöne Aufgabe, den alten Menschen Zeit und ein offenes Ohr zu schenken. „Man nimmt etwas mit.“ Manchmal ist es eine Portion Traurigkeit - wenn man vor zwei Wochen noch mit jemand gebastelt hat, am Sonntag zusammen Café getrunken hat und auf einmal dieser Mensch verschwunden ist.

Weil das bürgerschaftliche Engagement im „Palmschen Garten“ so gut funktioniert, sollen die Deizisauer auch Teil des Werbefilms werden, den die Evangelische Heimstiftung im Mai drehen wird.