Die Schützenstraße wird unter die Bahngleise gelegt. Dazu macht sie einen großen Bogen und läuft künftig diagonal unter der Bahnstrecke nach Tübingen durch. Foto: Rudel Quelle: Unbekannt

Aus Sicht vieler kämpft er auf verlorenem Posten. Aber unverkennbar - er kämpft: Bernd Lucke, der sowohl die Alternative für Deutschland (AfD) als auch die jetzt von ihm geführte Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) gegründet hatte, warb im Nürtinger Schlachthof für seine Partei und seine Ziele.

Von Jürgen Gerrmann

Seine Gedanken zur Flüchtlingspolitik, Bankenkrise, Euro, Rentenbedrohung, aber auch Bargeldverbot entwickelte er vor rund 30 Zuhörern - darunter viele junge Leute. Wer einen Scharfmacher erwartet hatte, der sah sich getäuscht. Manch einer dürfte sich gewundert haben, dass sich Lucke nicht nur klar zu Deutschlands Einbindung in die NATO, sondern auch zur Mitgliedschaft in der EU bekannte. Er vertrat gar die Auffassung, dass durch den starren Euro „unser Wohlstand aus Staaten anderer europäischer Länder generiert wird“.

Klare Worte fand er, als ihn ein junger Mann auf seine „Ex“ ansprach: Warum solle er denn die chancenlose Alfa wählen, derweil die AfD in den Umfragen zweistellige Ergebnisse zustande bringe? Programmatisch seien die Unterschiede doch gar nicht so groß. Der Alfa-Bundesvorsitzende konterte: Erstens habe die AfD gar kein Parteiprogramm (Alfa werde nächste Woche eins verabschieden), und zweitens wolle er nichts zu tun haben mit einer Partei, die bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg Leute aufstelle, die behaupteten, die Grünen planten einen Genozid des deutschen Volkes oder die den Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge befürworteten. Mit derlei Zeitgenossen will der Professor nichts zu tun haben.

In seinem 80-minütigen Referat skizzierte Lucke eine Art modernen Konservatismus: „Wir brauchen mehr als eine Erschütterung - wir brauchen eine klare Vision für unsere Zukunft.“ Die Bundesregierung habe die Kontrolle an den Grenzen völlig verloren, warf er CDU und SPD vor. Gerade in der Krise verlange die Bevölkerung Führung: „Aber genau die sehen wir gerade nicht.“ In solchen Situationen schlage die Stunde radikaler Parteien mit einfachen Lösungen: „Man muss den enttäuschten Bürgern, die keine Radikalisierung wollen, eine Alternative bieten. Und das ist Alfa.“

In der Flüchtlingsfrage plädierte Lucke für eine „atmende Obergrenze“. Städte und Gemeinden sollten melden, wie viele Menschen sie aufnehmen könnten. Dasselbe Prinzip müsse auf europäischer Ebene angewandt werden. In der Debatte spielte das Flüchtlings-Thema indes kaum eine Rolle. Da dominierten eindeutig die Finanzen, etwa das im Raum stehende Bargeldverbot. In Wahrheit diene das nicht dem Kampf gegen Terrorismus oder Geldwäsche, sondern den Banken. Die könnten sich jetzt durch Negativzinsen bereichern. Lucke forderte daher: „Bargeld muss uneingeschränkt erhalten bleiben.“