Edgar Wagner Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Wer hat in kniffligen Situationen Vorfahrt und was für Regeln gelten für die neuen Pedelecs? Ältere Verkehrsteilnehmer beschäftigen eher solche Fragen statt Themen wie Temposünden oder Drogen am Steuer - wie auch die Unfallstatistiken beweisen. Auf Einladung des Seniorenrates Aichwald hat Polizeihauptkommissar Edgar Wagner von der Verkehrsprävention in Esslingen deswegen einen Infonachmittag speziell für Ältere gegeben.

Von Greta Gramberg

So viele Besucher zählen die Nachmittage des Seniorenrates üblicherweise nicht: Mehr als 90 Frauen und Männer sind am Dienstag in das „Café Begegnungsstätte“ in Schanbach gekommen, um mehr als zwei Stunden dem Verkehrsexperten Edgar Wagner zuzuhören - wobei die Dauer der Veranstaltung vor allem den vielen Fragen aus dem Publikum geschuldet war. Die Angst, dass Senioren vermehrt die Fahrerlaubnis entzogen werden könnte, hatte nach der Vermutung von Michael Neumann, Sprecher Seniorenrat Aichwald, viele hergeführt.

„Grundsätzlich erst einmal nein“, antwortet der Hauptkommissar nach der Veranstaltung auf die Frage, ob diese berechtigt ist. Normalerweise wüssten die Behörden ja nicht, wie fahrtüchtig jemand sei. Wenn allerdings ein Senior in einen Unfall verwickelt werde und im Raum stehe, dass er nicht mehr fähig sei, Auto zu fahren, könnten die Polizisten eine Meldung an die Führerscheinstelle machen. Diese wiederum könne dann eine Gesundheitsprüfung veranlassen.

Den Senioren in Schanbach machte Wagner allerdings auch klar, dass eine Fahrerlaubnis nur dem erteilt werde, der geistig und körperlich dazu fähig ist. „Da muss sich jeder selbst an die Nase fassen“, sagte der Experte. Er nannte das Beispiel einer 79 Jahre alten Geisterfahreirin, die im vergangenen Dezember auf der A 7 bei Hamburg mit drei Autos und einem Lastwagen kollidierte. Bei älteren Autofahrern sei die Ursache für solches Verhalten oft, dass sie in ihren Wahrnehmungsfähigkeiten eingeschränkt seien, während bei jüngeren eher Gründe wie Drogenmissbrauch zur Geisterfahrt führten.

Als weiteres Beispiel für Fehler, die häufig von Älteren begangen werden, nannte der Hauptkommissar das Öffnen von Autotüren ohne auf den fließenden Verkehr zu achten, was etwa für Radfahrer gefährlich ist. Ursache sei die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit von Senioren. Hier gab Wagner seinen Zuhörern den Tipp, die Fahrertüre mit der rechten Hand zu öffnen - um so automatisch einen Blick in den toten Winkel zu haben.

Wie die Unfallstatistiken zeigen, haben Senioren im Verkehr eher Probleme mit Vorfahrtsregeln statt mit Temposünden, Abstandsfehlern oder Drogenkonsum, die bei Jüngeren eine größere Rolle spielen. Dementsprechend stellte Edgar Wagner vor allem Fragen zu Kreuzungssituationen in den Raum, die seine Zuhörer oft ins Schleudern brachten. Für Aufsehen sorgte etwa die Information, dass eine ausgefallene Fußgängerampel rechtlich so ist, als wäre sie gar nicht da. Auch auf nur mit Strichen begrenzten oder besonders gepflasterten Überwegen haben Fußgänger keinen Vorrang - nur der Zebrastreifen und die Fußgängerampel sowie der Bereich direkt nach dem Abbiegen in eine andere Straße zwingen den Autofahrer, für Fußgänger anzuhalten.

Radfahrer genießen einen besonderen Schutz auf Radwegen und -straßen sowie Schutzstreifen am Fahrbahnrand. Im Gegenzug sind sie gezwungen, die entsprechenden Radwege und nicht die Autostraße zu nutzen - „egal, was für ein supertolles Fahrrad sie haben“. Neu ist, dass neben Kindern bis zehn Jahren nun auch deren Begleitpersonen auf dem Gehweg fahren dürfen. Die gleichen Regeln wie für Fahrräder gelten dem Verkehrsexperten zufolge für Pedelecs mit einer Motorleistung von bis zu 250 Watt und Tempo 25. Davon, die Motoren zu frisieren, rät Wagner ab, weil die Pedelecs dann rechtlich zu Kraftfahrrädern werden, die ein Nummernschild brauchen. „Dann begeben Sie sich ruckzuck aufs Glatteis, insbesondere wenn Sie einen Unfall haben und keinen Versicherungsschutz.“

Für Erstaunen sorgte auch die Mahnung Edgar Wagners, Autofahrer sollten ihr Vorfahrtsrecht ausüben - und nicht mit guten Absichten anhalten, um Fußgänger jenseits der gesicherten Überwege passieren oder Autos einbiegen queren zu lassen. Sollte es dann zum Unfall mit einem anderen Auto kommen, sei nämlich auch derjenige verantwortlich, der es nur gut meinte. „Das Recht sieht manche Dinge anders“, kommentierte der Polizist.

Eine weitere Verkehrsinfoveranstaltung für Senioren mit Edgar Wagner findet am 22. Februar um 15 Uhr in der Bürger-Werkstatt Oberboihingen, Friedhofstraße 1, statt.

Ältere Verkehrsteilnehmer in der Statistik

Welchen Anteil an Unfällen haben Senioren in Deutschland? Das Statistische Bundesamt nennt folgende Unfallzahlen für 2015:

An 12,9 Prozent aller Unfälle waren Menschen im Alter von mindestens 65 Jahren beteiligt - das ist wenig in Relation zu ihrem Bevölkerungsanteil (21 Prozent). Die Statistiker merken aber an, dass ihre durchschnittliche Pkw-Fahrleistung niedriger als bei Jüngeren ist.

Die Hauptschuld trugen ältere Autofahrer, die in einen Unfall verwickelt waren, zu 67,1 Prozent. Häufigste Unfallursache, die Senioren angelastet wurden, waren Vorfahrtsfehler (17,7 Prozent) und Fehler beim Abbiegen, Wenden und ähnlichem (16,5 Prozent). Bei älteren Fußgängern war die häufigste Ursache falsches Verhalten beim Straßenüberqueren (80,8 Prozent).

Das Risiko für Ältere ist andererseits in einigen Verkehrsarten besonders hoch: Von den getöteten Radlern und Fußgängern war mehr als die Hälfte mindestens 65 Jahre alt, bei Pkw-Insassen jeder vierte.