Quelle: Unbekannt

Von Mareike Spahlinger

Als die kleine Sari vor zwei Jahren geboren worden ist, schien zunächst alles normal. Relativ schnell stellte ihre Mutter Stefanie Martel jedoch fest, dass etwas nicht stimmte. „Sie hat den Kopf nicht gehoben, nicht mit dem Blick fixiert und auch nicht gelächelt“, sagt die dreifache Mutter. Mit sechs Monaten bekam Sari das erste Mal einen Anfall. Zwei Monate stationärer Aufenthalt im Krankenhaus folgten. Zunächst musste eine Ursache gefunden werden. Die Diagnose: Epilepsie und einhergehend damit Entwicklungsstörungen, die durch die überschießende Ausbreitung elektrischer Aktivität im Hirn verursacht werden. Nachdem das damals acht Monate alte Baby medikamentös eingestellt worden war, sollte es entlassen werden. „Ich wollte gar nicht mit ihr nach Hause. Ich hatte Angst davor“, erzählt die Mutter. Angst, etwas falsch zu machen, nachdem sie gesehen hatte, wie Sari wochenlang von Ärzten und Krankenschwestern behandelt werden musste und Medikamente bekam. „Ich hatte so viele Fragen. Wie wichtig sind die Medikamente? Was, wenn sie sie nicht nehmen will oder nicht verträgt? Was muss bei der Ernährung beachtet werden?“, sagt Stefanie Martel.

Überleitung nach Hause

Einen Tag vor Saris Entlassung aus dem Krankenhaus kam Kinderkrankenschwester Anja Molfenter auf die Familie zu. Neben ihrem Job als Kinderintensivschwester im Klinikum Esslingen arbeitet Molfenter für die Sozialmedizinische Nachsorge der Lebenhilfe Göppingen. Die kümmert sich um Familien mit chronisch und schwer kranken Kindern in den Landkreisen Esslingen und Göppingen. „Wir kommen ins Spiel, wenn es um die Überleitung nach Hause geht“, erklärt Molfenter. Das heißt: Durch ihre gute Vernetzung werden Kontakte hergestellt, zum Beispiel zur passenden Physiotherapie oder Fördereinrichtung. Außerdem wird der Familie bei allen Fragen und Problemen, die sich im Alltag ergeben, geholfen. Auch im Wirrwarr des bürokratischen Dschungels helfen die Mitarbeiter bei sozialrechtlichen Fragestellungen.

In 20 Stunden über drei Monate hinweg wird die Familie betreut. Soweit übernimmt es die Krankenkasse. Sehen die Mitarbeiter der Sozialmedizinischen Nachsorge darüber hinaus noch Betreuungsbedarf, springt die Lebenshilfe als Träger und Kooperationspartner bei der Finanzierung ein. Weshalb sie dieses Jahr durch Spenden der EZ-Weihnachtsspendenaktion unterstützt wird.

Die kleine Sari ist solch ein Fall. Sie und ihre Familie wurden noch ein halbes Jahr länger betreut, allerdings in größeren Abständen. Ziel der Betreuung ist es, den Familien Selbstsicherheit im Umgang mit der Krankheit zu geben. Die Partizipation am Alltagsleben soll stabilisiert und verbessert werden. So auch bei Familie Martel: „Das war dann ein guter Zeitpunkt. Ich hatte selbst das Gefühl, dass ich jetzt allein weitermachen kann“, bestätigt die Mutter.

Inzwischen ist Sari zwei Jahre alt. In den kommenden Wochen wird sie operiert werden. Sie bekommt eine Magensonde, um ihre Ernährung zu optimieren „Sari hat keine Kraft, sich altersgerecht zu ernähren. Sie kann nicht gut saugen, verschluckt sich häufig beim Trinken“, erklärt Molfenter. Sie schafft nur das absolute Muss. „Aber ein Zunehmen, wie es bei Kindern in ihrem Alter normal ist, gelingt nicht“, sagt ihre Mutter. Von der Sonde erhoffen sich alle auch einen neuen Therapieerfolg. „Es gibt eine spezielle Diät für Epilepsiepatienten“, sagt Christa Dörr, Fachärztin für Kinderheilkunde und Teammitglied der Nachsorge. „Diese Nahrung schmeckt jedoch überhaupt nicht, und über die Sonde besteht die Möglichkeit der Nahrungsaufnahme.“ Nach der Operation wird das Team der sozialmedizinischen Nachsorge, das aus drei Kinderkrankenschwestern, einem Sozialarbeiter und einer Fachärztin besteht, wieder einspringen. „Dabei geht es nicht nur um die Wundheilung, sondern auch um die Ernährungsumstellung. „Sari kann uns leider nicht sagen, wie sie sich fühlt“, sagt Molfenter.

Täglich hat Sari Anfälle

Täglich hat das kleine Mädchen Anfälle, dann zuckt sie. „Manchmal nur einmal, manchmal sogar 30 Mal“, sagt ihre Mutter . Nicht nur das Füttern der Kleinen kostet Zeit, sondern auch die Arztbesuche und Apothekengänge. Nicht einfach, wenn zu Hause noch ein Vier- und ein Zwölfjähriger warten. „Es ist schon anstrengend“, sagt die Nürtingerin. „Die Belastung für Familien mit schwerkranken Kindern ist allgemein hoch, das ist immer eine angespannte Situation“, sagt Kinderkrankenschwester Molfenter, die auf eine jahrelange Erfahrung zurückblickt.

Umso wichtiger ist die Unterstützung durch das Team der Sozialmedizinischen Nachsorge, das sich mindestens alle vier Wochen zusammensetzt. Saris Fall ist auch für die Nachsorgekräfte eher selten. Etwa 60 Prozent ihrer Patienten sind Frühchen, die oft Monate im Krankenhaus verbracht und teils Beeinträchtigungen aufgrund ihrer frühen Geburt haben. Aber auch Kinder mit anderen Einschränkungen wie dem Down-Syndrom oder chronischen Krankheiten werden zusammen mit ihren Familien bei der Überleitung in ihren Alltag unterstützt. Um die 50 Fälle betreute das Team im Kreis Esslingen bisher in diesem Jahr.

Auch nachdem die Nachsorge abgeschlossen ist, bleiben Molfenter und ihre Kollegen an den Familien dran und sind weiterhin als Ansprechpartner da. „Man lernt sich ja über Monate hinweg kennen“, sagt die Kinderkrankenschwester.