Foto: oh; Bearbeitung: EZ

Die beiden jungen Syrer Iyad und Adel schreiben im Blog über ihre Flucht, das Leben im Flüchtlingsheim und ihren Alltag in Deutschland. Im Moment machen sich die beiden viele Gedanken um ihre finanzielle und berufliche Zukunft.

Adel (32) aus Daraa, Syrien:

Seit April habe ich eine Aufenthaltsgenehmigung. Das heißt, ich darf arbeiten. Ich habe mich total gefreut. Ich will nicht den ganzen Tag nur herumsitzen. Außerdem will ich mein Deutsch auch einsetzen. In Syrien habe ich Kommunikationstechnik und Elektronik studiert und als Kommunikationsingenieur gearbeitet. Die Mitarbeiter der Kultusministerkonferenz haben Iyad und mir bestätigt, dass unsere Abschlüsse gleichwertig mit den deutschen sind.

Vor einigen Wochen war ich auf zwei Jobmessen in Stuttgart. Sie waren speziell an Flüchtlinge gerichtet. Ich hatte meinen Lebenslauf auf Deutsch übersetzt und mitgebracht. Ich habe mit allen Unternehmen und Zeitarbeitsfirmen dort geredet und auch viele Emailadressen gesammelt. Viele Unternehmen haben nach Ingenieuren gesucht, das passt ja zu meiner Qualifikation.

Wenn ich nach den Voraussetzungen gefragt habe, sagten sie, dass ich erst perfekt deutsch sprechen muss. Aber welcher Flüchtlinge kann PERFEKTES Deutsch? Das wundert mich. Ich kann mich auf Englisch sehr gut verständigen und mein Deutsch wird auch immer besser. Deutschland braucht doch Ingenieure. Ich suche ja nicht unbedingt eine feste Stelle, auch ein Praktikum ist in Ordnung… Ich weiß von niemandem, der durch diese Messen eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bekommen hat. Es kommt mir so vor, als wären die Firmen nur dort gewesen, um einen guten Eindruck zu machen. Mein Plan ist jetzt, den Deutschkurs fertig zu machen. Ohne Job habe ich ja viel Zeit dafür.

Es wäre toll, wenn die Unternehmen mir die Chance geben würden, zu zeigen, was ich kann. Sie können mich ja für ein Praktikum einstellen. Das kostet die Firma wenig Geld und sie können mich wieder wegschicken. Ich habe das Gefühl, dass ich ohne Praktikum gar keine Chance habe. Natürlich wird hier vieles neu sein, aber ich will ja auch was lernen.

Ein Freund von mir sagt mir ständig, dass ich Arbeit brauche und nicht nur von den Steuern der anderen leben kann. Das will ich ja auch gar nicht. Diese Vorwürfe machen mich wütend.

Iyad (28) aus Damaskus, Syrien:

Mir geht es ähnlich wie Adel. Ich war bis jetzt auch nicht erfolgreich – weder auf der Jobmesse noch bei Bewerbungen. Seit Oktober habe ich meine Aufenthaltsgenehmigung, seit Januar suche ich nach einer Stelle. Ich verlange ja gar nicht, dass ich jetzt als Systemadministrator oder ähnliches eingesetzt werde. Ich kann auch als Assistent arbeiten oder ein Praktikum oder eine Ausbildung machen. Das ist alles ok. Ich habe Angst, dass ich sonst viel vergesse. Es macht mich traurig, wenn die Leute sagen, dass wir Flüchtlinge faul sind. Ich mache doch keinen Urlaub. Ich will nicht abhängig vom Jobcenter sein. Ich arbeite gerne und will dann auch Steuern zahlen. Meine Freunde haben mir von der AFD erzählt, die Menschen wie mich als Schmarotzer bezeichnet. Ich war geschockt.

Ich habe in Syrien und Greenwich Informatik mit dem Schwerpunkt Netzwerke studiert und eine Ausbildung als Informatiker gemacht. Ich verstehe nicht, warum die Unternehmen hier nur Flüchtlinge mit perfektem Deutsch anstellen wollen. In der IT-Branche sprechen alle Englisch und die Programmiersprachen beherrsche ich.

Ich mache jetzt auch erst einmal den Deutschkurs zu Ende. Ich versuche einfach noch motivierter zu sein.

Der Blog "Neu in Deutschland"

Die beiden Syrer Adel und Iyad leben seit September in Esslingen. Sie schreiben in regelmäßigen Abständen auf esslinger-zeitung.de von ihrer Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland. Die Texte werden von der EZ-Redakteurin Laura Buschhaus vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Um ihre Familien in Syrien nicht in Gefahr zu bringen, möchten Iyad und Adel keine Fotos von sich veröffentlichen.

Iyad hat in Syrien als Informationsingenieur gearbeitet. An Deutschland schätzt er besonders, dass die Menschen sich frei bewegen und ihre Meinung sagen können.

Adel hat in Daraa als Ingenieur in der Kommunikationsbranche gearbeitet. Er ist beeindruckt, wie gut das Leben in Deutschland organisiert ist – auch wenn ihn die Papierflut manchmal irritiert.