Sportmediziner Michael Ulmer ist der Mann des Vertrauens für Jan Andersen. Der Spezialist hat ihn im Esslinger Klinikum am rechten Knie operiert. Das Nachwuchstalent der Nordischen Kombinierer wird nach seinem Kreuzbandriss neun Monate lang den Schanzentisch meiden müssen. Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Wenn Jan Andersen hinunter ins Tal blickt, hat er normalerweise den Schanzenauslauf und viel Natur vor Augen. In den vergangenen Tagen hat sich ihm indessen das dicht bebaute Neckartal präsentiert. Der gebürtige Kirchheimer, 14-jähriges Talent in der Nordischen Kombination, wird am Freitag aus dem Esslinger Krankenhaus entlassen. Kniespezialist Michael Ulmer hat am Mittwoch Andersens Kreuzbandriss samt Innen- und Außenminiskus operiert.
Der Patient ist noch ein bisschen blass um die Nase. Einen Tag nach der OP tut das Knie auch noch ganz schön weh. Aber der Neuntklässler, der im Herbst ans Skiinternat Furtwangen gewechselt ist, trägt seine erste größere Sportverletzung mit Fassung. Wenngleich ihn die neunmonatige Zwangspause auf der Schanze schon richtig wurmt. Hilft aber nichts. Als er beim DSV-Schülercup vor vier Wochen in Klingenthal nach einem 60-Meter-Sprung aufsetzte, hat es geknackt, er ist gestürzt. „Ich bin für die kleine Schanze einfach zu weit geflogen.“ Das Knie war vom Wochenende zuvor schon leicht lädiert. Die Telemark-Landung, bei der man ein Bein vorschieben muss, gab dem Gelenk dann den Rest.

„Das will ich auch“

Mit sechs Jahren hat Jan Andersen mit dem Springen angefangen. Auf der 20-Meter-Schanze in Wiesensteig. „Ich habe das im Fernsehen gesehen und gedacht, das will ich auch.“ Nun ist Kirchheim trotz seiner Lage am Albtrauf ja nicht gerade schneesicher. Eltern und großer Bruder sind Handballer. Das hielt Jan aber nicht davon ab, seinen Weg zu gehen. Wenngleich der etwas weiter war als der auf den nächsten Fußballplatz. Anfangs war es nur das Skispringen, dann entschied er sich für die Nordische Kombination – die Verbindung von Schanze und Loipe. Zuerst muss man über den Schanzentisch und über die Weite einen möglichst großen Vorteil für den Langlauf erspringen. Die Meter werden in Minuten und Sekunden umgerechnet – und in der entsprechenden Reihenfolge geht es dann ins Rennen. „In der Nordischen Kombination ist die Leistungsdichte nicht so groß wie beim Skispringen“, begründet er den Wechsel. Andersen will an die Spitze. In seiner Altersklasse gilt er bereits als Deutschlands bester Nordischer Kombinierer. Sein Weg hat ihn dann über die etwas größere Schanze des SC Königsbronn auf der Ostalb und das Lauftraining mit den Biathleten bei Uhingen nach Furtwangen geführt. Das Skiinternat im Schwarzwald, auf dem bereits Skispringer Sven Hannawald oder Biathlet Simon Schempp die Basis für ihre Karriere gelegt hatten, bietet ihm ideale Bedingungen, schulische und sportliche Ambitionen zu verknüpfen. „Ich muss für meine Wettkämpfe meist schon am Mittwoch los.“ Darauf ist ein Sportinternat natürlich besser eingestellt als das allgemeinbildende Kirchheimer Schlossgymnasium, das er im Sommer mit einem Einser-Schnitt verließ. Den Wechsel hat er gut überstanden. „Ich bin eher noch besser geworden.“
Als es den Überflieger nun aber in Klingenthal so gebeutelt hat, wollte er die OP doch lieber in der Nähe seiner Familie über sich ergehen lassen. Zumal er sich bei Michael Ulmer in den besten Händen wusste. Der Knie- und Schulterspezialist hat mit einer Kollegin eine Sportpraxis in Esslingen und ist im Klinikum Leitender Arzt der Sportorthopädie in der Unfallchirurgie und Orthopädie von Professor Jürgen Degreif. Vor fünf Jahren hatte er Heike Friedrich unterm Messer, mit ihrer Mannschaft 2012 Olympiasiegerin im Rollstuhlbasketball. Zudem ist er Verbandsarzt der Deutschen Eishockey-Nationalmannschaft, beratender Arzt der deutschen Karatekämpfer und Partner der VfB-Reha-Welt.

Reha mit Severin Freund

Zwei Dinge könnten Jan Andersen die saure Zeit etwas versüßen, bis er wieder richtig ins Training einsteigen kann: Zum einen fliegt er im März mit seinem Vater nach Trondheim zum Finale des FIS-Youth-Cups, in dem sich die besten Nordischen Kombinierer seiner Altersklasse messen. Und wenn sein direkter Verfolger nicht zweimal gewinnt, kann er Jan Andersen den Saisonsieg nicht mehr nehmen. Selbst wenn der dann mit Krücken auf dem Treppchen steht. Und wenn Jan jetzt zur Reha an den Tegernsee fährt, stehen die Chancen gut, dort Severin Freund zu begegnen. Der Weltmeister von 2015 auf der Großschanze kuriert dort ebenfalls einen Kreuzbandriss aus. Springen verbindet – Stürzen auch