Bands wie „Mal Zwischendurch“ bringen Stimmung in Tante Gerdas Kulturpalast. Foto: Archiv SJR - Archiv SJR

Von Maria Röhl

Fünf von fünf Sternen – das durchweg positive Feedback auf Facebook zeigt: Tante Gerdas Kulturpalast in Esslingen hat alles richtig gemacht. Kulturpalast klingt ziemlich groß und pompös. Da fragt sich mancher in Esslingen, was wohl dahinter steckt. Kurz zusammengefasst: Container, einige junge Erwachsene und jede Menge Spaß und Engagement. Gegründet wurde das Projekt von Mitgliedern der Jugendinitiative Tante Gerda, die vom Stadtjugendring Esslingen (SJR) initiiert und mit Geld vom Bund unterstützt wurde. Mittlerweile wird das Projekt vom SRJ weitergeführt und unter anderem mit Geld vom Bund oder Spenden unterstützt. Auch das Podium Festival hilft bei der finanziellen Unterstützung und nutzt den Kulturpalast bisweilen für eigene Veranstaltungen. Um Organisation und Verwaltung kümmert sich in erster Linie Lorenz Brünner. Er hat frisch mit dem Masterstudium begonnen und investiert viel Freizeit und Ideen in den Kulturpalast.

Vielfalt ist Trumpf

Eröffnet wurde Tante Gerdas Kulturpalast im vergangenen September. Seither bringt er Leben in das Baufeld A der Neuen Weststadt direkt neben dem Esslinger Hauptbahnhof. Der erste Blick auf das Areal zeigt ein nüchternes Gelände, mit einer Baustelle auf der einen Seite und einer großen Straße sowie Gleisen auf der anderen. Um einen einfachen Schotterplatz hat Tante Gerda im Halbkreis Container aufgebaut: Neben dem eigentlichen Aufenthaltsraum findet sich ein komfortabler Toilettencontainer. Gegenüber stehen die Techniklabors des Rüdern Technik Clubs und ein Container zum Lagern der Getränke. Dazwischen wurden aus Euro-Paletten und ausgedienten Sitzen aus Bushäuschen individuelle und sehr bequeme Sitzgelegenheiten aufgebaut. Viel mehr ist auf dem Außengelände noch nicht zu finden. Es gibt zwar ein kleines Beet, und auf der Terrasse steht ein Tischkicker, doch die eigentliche Außen-Dekoration soll erst in den kommenden Monaten in Angriff genommen werden.

Um abends eine gemütliche Stimmung zu schaffen, ist das ganze Areal von weißen Lichterketten überspannt. Die fehlende Farbe unterstreicht die Schlichtheit auf dem Platz, sorgt aber auch für eine warme Atmosphäre, sobald es dunkel wird. Erstaunlicherweise stört der Straßenlärm kein bisschen. Vielmehr ist er Teil einer urbanen Hintergrundmusik, die einfach dazuzugehören scheint. Auch der Innenraum ist momentan noch eher zurückhaltend eingerichtet, doch die bunt angemalte Bar und die verspielten Möbel im Eingang lockern das Bild auf. Zusammen mit den farbigen Kissen, den Kupferlampen und den Kaffeekannen, die bestimmt schon als Antiquität gelten, ergibt sich ein stimmiger Gesamteindruck.

Hinter dem Kulturpalast steht die Idee, jungen Leuten einen Platz zu schaffen, wo sie sich ohne Konsumzwang treffen können, betont Markus Benz, der Geschäftsführer des Esslinger Stadtjugendrings. Wer etwas trinken möchte, kann sich an der Bar zu günstigen Preisen versorgen, doch im Vordergrund sollen Spaß und Kultur stehen. Weil jeder die Vorzüge von Tante Gerdas Kulturpalast nutzen kann und soll, sind alle Veranstaltungen kostenlos. „Kultur ist hier Grundnahrungsmittel“, sagt Lorenz Brünner. Deshalb gibt es auch beim Programm praktisch keine Einschränkungen: Ob DJs, Bands, Poetry Slams, Filmabende, Fifa-Abende, Workshops, Lesungen oder Diskussionsrunden – die Liste ist lang. In besonders guter Erinnerung ist Lorenz Brünner der „Koinachtsmarkt“ geblieben. Als Pendant zum traditionellen Mittelaltermarkt bot der Kulturpalast im Dezember 2016 ein alternatives Programm mit beleuchteten Wänden und Liegestühlen auf der Terrasse. Aber auch diejenigen, die sich einfach mal mit Freuden außerhalb der eigenen vier Wände treffen wollen, können dort einfach ein paar Stunden zusammen sitzen. Alle sind willkommen – egal, wie alt sie sind oder woher sie kommen.

Was fürs Publikum gilt, gilt natürlich auch für die Künstler: Vielfalt ist Trumpf. Entweder werden die Künstler von den Organisatoren angefragt, oder sie bewerben sich selbst. Optimal ist der Kulturpalast auch für diejenigen, die sich selbst einmal ausprobieren oder Bühnenerfahrung sammeln wollen: Wer zu Lampenfieber neigt, kann sich hier zunächst vor kleinerem Publikum erproben. Da der Kulturpalast größtenteils durch Mundpropaganda beworben wird, ist die Besucherzahl unter anderem davon abhängig, wie mitteilungsfreudig die Gäste sind. Deshalb darf sich das Projekt in Ruhe entwickeln. Doch Lorenz Brünner verweist auf den Esslinger Stadtstrand, der sich inzwischen bestens etabliert hat.
Um den Kulturpalast publik zu machen, werden natürlich auch soziale Medien wie Facebook und Instagram genutzt, um über die aktuellen Veranstaltungen zu berichten oder um schöne und witzige Momente festzuhalten. Plakate gibt es keine, dafür aber kreative Flyer die als Adresse charmant „Bei den Lichterketten 1“ angeben.

Der aktuelle Standort soll dem Kulturpalast bis 2019 erhalten bleiben, da das Gelände dann voraussichtlich bebaut wird. Konkrete Pläne, wie es danach weiter gehen soll, gibt es im Moment noch nicht – Ideen dafür umso mehr. Das Projekt soll unbedingt weitergehen, wenn es nach Lorenz Brünner geht. Letztendlich zählt in Tante Gerdas Kulturpalast aber zuallererst das Hier und Jetzt, und das wird in vollen Zügen genossen.