Als Musik-Kabarett-Truppe Volksdampf hauen Reiner Muffler, Lisa Greiner und Suso Engelhart (von links) bei den Galgenstricken auf den Putz. Foto: Weiß Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Sie nennen sich „Volksdampf“, wollen dem Volk Dampf machen, mal so richtig für Druck im Kessel sorgen, zwischendurch auch das Überdruckventil öffnen und Dampf ablassen: Drei Kabarettisten aus dem oberschwäbischen Weingarten mit ihrem Programm „Schöne Grüße aus dem Hinterhalt“. Am Wochenende waren sie an zwei Abenden gut gelaunt und spielfreudig zu Gast im Keller der Galgenstricke in der Webergasse.

„Volksdampf“ - das sind Lisa Greiner, Suso Engelhart und Reiner Muffler. Die drei reden wortreich schwäbisch, singen stimmgewaltig, spielen Geige, Gitarre, Banjo, Akkordeon, Mandoline und Glockenspiel, verwenden schon mal eine PC-Tastatur als Percussionsinstrument und setzen ihr Markenzeichen in Szene: Ein Multifunktionsschlagzeug, das sie aus einer Restmülltonne selbst konstruiert und gebaut haben. Mit allerhand Klack und Krawumm rätscht, trötet, klingelt, hupt, klappert und geräuscht es und ein paar Basssaiten sind auch noch dran. Das alles ist pfiffig komponiert, fein abgestimmt, musikalisch aufs Feinste verdichtet, vom Techniker grandios abgemischt und unters Volk gebracht.

Benimmregeln für Kabarettisten

„Mit Musik kriegst du sie alle“, darüber sind sich die drei einig. Und lassen dem musikalischen Prolog gleich ein paar Benimmregeln für erfolgreiche Kabarettisten folgen - ob sie sich im Lauf des Abends daran halten, steht auf einem anderen Blatt. „Mach‘ den Zuschauern grundsätzlich keine Schwierigkeiten“, versprechen sie, ihr Publikum in Watte zu packen. Und sichern jedem einzelnen vorbeugend schon mal Minderheitenschutz zu. Im Gegenzug soll das Publikum sich gefälligst wohl verhalten und seine Erwartungen nicht gleich von Anfang an allzu hoch schrauben, um für überraschende Niveau- und Qualitätssteigerungen noch Spielraum zu haben.

Lisa Greiner, Suso Engelhart und Reiner Muffler macht Spaß, was sie da seit mehr als 30 Jahren tun. Wenn sie sich charmant mit den Zuschauern verbrüdern. Wenn sie mit Karacho eine sorgsam vorbereitete Pointe versemmeln. Wenn sie bei einer Ode an „bildschirmdebile Medienjunkies“ und „Web-Deppen“ kein Blatt vor den Mund nehmen. Wenn sie lustvoll über die chirurgische Korrektur menschlicher Unzulänglichkeiten singen: Altersflecken, Falten, Glatze, Hängebrüste kann man aufhübschen lassen - „bloß bei der Blödheit ist alles zu spät“.

Sie fallen sich rotzfrech ins Wort und reden sich um Kopf und Kragen. Das ist bitterböse und rabenschwarz, dann wieder saukomisch und albern. Das ist mal gerade heraus und mal ziemlich schräg. Sie nehmen sich gegenseitig auf die Schippe und nicht immer ganz ernst. Sie laufen zu Hochform auf, wenn sie die Grenzen von Satire, Kritik und Schmähung ausloten, wenn Reiner Muffler die eurasische Kontinentalplatte gibt und über Plattentektonik referiert, wenn Suso Engelhart als italienischer Möchtegern-Heldentenor Tragisches schmettert und wenn bei der sich dumm stellenden Lisa Greiner der Groschen nicht fallen will.

Die Träger des baden-württembergischen Kleinkunstpreises 2012 arbeiten sich an Gott und der Welt ab. Sie philosophieren über Haben, Sein und den Sinn von Moralvorstellungen. Vielleicht lebt es sich ohne Verantwortungsbewusstsein viel entspannter vor sich hin? Verdoppelt sich bei Menschen mit Doppelmoral auch die Anzahl der Gewissensbisse? Von der Weltanschauung geht es direkt zum alltäglichen Kleinkram, der sich so viel leichter ertragen lässt, wenn man sich zwischendurch etwas zutraut: „Eine Arschbombe im Thermalbad mitten in die Seniorengymnastikgruppe hinein.“

QR-Code als Grabinschrift

Dann wieder geht es um Existenzielles und Lebensendliches bei der Frage, ob E-Mail-Adresse und QR-Code dereinst zur Grabinschrift gehören sollen. Einem „Ich blas‘ gern Trübsal“-Schlechte-Laune-Song stellen die drei Oberschwaben eine Hymne an das Leben gegenüber. Da ist es doch egal, wer oder was da im Hinterhalt so alles auf einen wartet. Und die Sache mit den hoch gehängten Erwartungen haben sie prima hinbekommen. Das Esslinger Publikum klatschte, pfiff, johlte und trampelte zum Schluss vor Begeisterung: Volksdampf voraus.