22.7.2016 Element of Crime treten auf der Esslinger Burg auf.

 Foto: Engelhard

Von Gaby Weiß

Weil dunkle Wolkenpakete über der Esslinger Burg hingen und die Wetterdienste ernstzunehmende Gewitterwarnungen ausgesprochen hatten, entschieden sich die Veranstalter am Freitagabend für einen rasanten Kaltstart: Überpünktlich startete Element of Crime und spielte sich ohne Pause mehr als zwei Stunden lang quer durchs deutschsprachige Repertoire aus einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte. Sehr zur Freude der etwa 1600 Fans, die trotz des einsetzenden Regens einen brillanten Konzertabend genossen. Pech hatten dagegen Tristan Reverb, die als Vorgruppe nur auf die Schnelle ein paar Songs spielen durften. Als kleinen Trost gab’s von Element of Crime-Frontmann Sven Regener ein dickes Lob für den jazzig-fragilen Folk der jungen Schorndorfer Band: „Ich lege dem Publikum diese Band besonders ans Herz.“

Die Fans singen textsicher mit

Die Element-of-Crime-Fans kennen die Songs aus dem Effeff - jede Zeile wird bemerkenswert textsicher mitgesungen. Die Texte der 1985 gegründeten Band haben es in sich: Das sind Sätze für Notizbuch und Pinnwand, zum Auswendiglernen und Im-Herzen-Tragen. „Das sind die Bilder, auf die einer kommt, der nichts mehr versteht“, singt Songwriter Sven Regener in „Rette mich (vor mir selber)“. Er singt von den Cognacflaschen-umfüllenden Oberkellnern, von „Kaffee und Karin“, von beim Schaukeln wegfliegenden Schuhen, von großen Gedanken in kleinen Gehirnen und von „Morgensonne so rot/wie ein Erdbeermarmeladenbrot“. Und er plädiert für Entschleunigung ohne Handy: „Augen zu. Denk an Lieblingsfarben und Tiere, Dosenravioli und Buch. Und einen Bildschirm mit Goldfisch, das ist für heute genug.“

Sven Regener ist ein Poet, der wunderbar am Leben und an der Liebe leiden kann, und der diese Gefühle einzigartig in Worte und in kleine, jedem die Sentimentalität austreibende Geschichten fassen kann. Er schaut auf das Ach-so-Vertraute und beschreibt es mal sarkastisch, gerne auch absurd und schräg, bisweilen heiter, manches Mal zärtlich und oft sehr melancholisch. „Kann sein, dass das irgendwie blöd ist“, befürchtet er in „Du hast die Wahl“. Seine Fans widersprechen ihm da vehement: Das ist tiefsinnig und voller Tristesse, so wie in „Immer da, wo du bist, bin ich nie“. Gemeinsam mit dem Publikum wird aus voller Brust gesungen, „Bring den Vorschlaghammer mit, der ganze alte Schrott muss raus“, und natürlich das sagenhafte „Delmenhorst“.

Manchmal reimt sich das, öfters auch nicht, dann wieder quetscht Regener so viele Silben in eine Zeile hinein, dass sie zu bersten droht. Er liebt den etwas schleppenden Rhythmus. Das lässt dem Zuhörer Zeit, denn manchmal dauert es ein bisschen, bis der Groschen fällt. Diese immer klugen Sätze klingen, gesungen von Sven Regener, rau, kantig und knarzend. „Erst wenn alles scheißegal ist, macht das Leben wieder Spaß“, formuliert er zeitlos gültig. Und bei aller Schnodderigkeit ist das immer ein Soundtrack für die Liebe: „Ich bin der Wischmop für die Tränen und der alte Hund, der für dich beißt und bellt. Wo deine Füße stehen, ist der Mittelpunkt der Welt.“ Und für den, der gerade unglücklich verliebt ist, für den sind diese Lieder Balsam auf die geschundene Seele. Element of Crime haben eine raue Schale, aber im Grunde ihres Herzens sind sie ganz große Romantiker. So wie in „Ein Hotdog unten am Hafen“ - einem Song aus dem Film „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“, für den Element of Crime großartige Musik geliefert haben: „Ohne dich will ich nicht, mit dir kann ich nicht sein“. Und endlich ertönt der traditionelle Schlachtruf: „Romantik!“

Musikalisch vielseitig

Dabei ist Element of Crime musikalisch anspruchsvoll: Da gibt es rockig Angehauchtes, folkige Untertöne, etwas Country und Hillbilly, schöne Balladen, poppig-Eingängiges, spritzig-Jazziges, ein paar Takte Walzer, eher herb-melancholische Chansons und einen Gospel-Blues aus den 30er-Jahren als Hommage an Blind Willie Johnson. Und live sind Sven Regener (Gesang, Gitarre, Trompete), Jakob Ilja (Gitarre), David Young (Bass), Rainer Theobald (Saxofon, Klarinette) und Richard Pappik (Schlagzeug, Percussion, Mundharmonika) einfach gut bei ihrer angenehm entspannten Bühnenshow, im Trockeneisnebel abwechselnd in warmes und kaltes Scheinwerferlicht getaucht.