Von Hermann Dorn

Im Ringen um die Zukunft des Esslinger Klinikums verhärten sich die Fronten. Auslöser ist eine Pressemitteilung, in der sich die SPD gegen einen Einstieg „profitorientierter Klinikkonzerne“ ausspricht. Der ärztliche Direktor und der Betriebsrat setzen jetzt auch die anderen Fraktionen unter Druck, rasch dem Beispiel der SPD zu folgen. CDU und Freie Wähler werden ihnen diesen Wunsch aber nicht erfüllen.

Am Esslinger Klinikum läuft die Diskussion über die Zukunft des Hauses auf vollen Touren. Drei Szenarien zeigen mögliche Wege auf, wie die Position des Hauses und der hohe Standard der medizinischen Versorgung bis 2020 gehalten und gestärkt werden können. Klar ist in jedem Fall: Es wird teuer. Wurde die Diskussion im Rathaus und am Klinikum bisher weitgehend hinter verschlossenen Türen geführt, so erreicht sie jetzt die Öffentlichkeit. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich vor allem auf zwei Fragen: Kann und will die Stadt die hundertprozentige Trägerschaft auch dann aufrechterhalten, wenn sie Defizite ausgleichen muss? Oder nimmt sie einen privaten Partner ins Boot?

Der Betriebsrat des Klinikums trommelt seit Wochen gegen alle Überlegungen, die kommunale Trägerschaft aufzuweichen. Vor Weihnachten hat er Oberbürgermeister Zieger schon einmal 1700 Unterschriften überreicht, die sich gegen jede Form der Privatisierung wenden. Zieger hat damals wenig Hoffnung auf einen Schulterschluss geweckt. Vielmehr bestätigte er, dass er einem „strategischen Partner sucht, der uns stärken kann“. Ziel, so merkte er an, bleibe es aber, die kommunale Hoheit zu wahren.

Lob für Festlegung

Nach diesem Dämpfer kommt die SPD-Erklärung wie gerufen. Michael Geißler, der ärztliche Direktor des Klinikums, begrüßt gemeinsam mit der Betriebsratsvorsitzenden Beate Müller in einer Pressemitteilung, dass die Sozialdemokraten über die Zukunft des Klinikums anders denken als deren Parteifreund Jürgen Zieger. „Die Mitarbeiter des Klinikums lehnen es entschieden ab, Gewinne aus der Versorgung von Kranken an Aktionäre von Krankenhauskonzernen auszuschütten“, schreiben sie.

Geißler hat gestern die Entschlossenheit bekräftigt, alle anderen Fraktionen im Esslinger Gemeinderat ebenfalls noch vor der Landtagswahl zu drängen, ebenfalls Farbe zu bekennen. Bei den Grünen rennt er mit diesem Ansinnen offene Türen ein. „Wir waren schon immer der Auffassung, dass es sich bei den Krankenhäusern um eine kommunale Aufgabe handelt“, sagt Fraktionsvorsitzende Carmen Tittel auf Anfrage. Eine private Trägerschaft - egal in welchem Umfang - sei mit ihrer Fraktion nicht zu machen. Sollte es im Gemeinderat in diesem Punkt zu einer Kampfabstimmung kommen, sieht sie gute Chancen, gemeinsam mit der SPD eine unerwünschte Weichenstellung zu verhindern.

Mit Gegenwind müssen Geißler und Müller dagegen bei CDU und Freien Wählern rechen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt und das Klinikum die Herausforderungen allein meistern können“, sagt Jörn Lingnau, der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Zugleich behauptet er, Vorbehalte und Einwände gegen einen privaten Partner entbehrten einer realistischen Grundlage. „Es gibt viele Beispiele, die sehr wohl zeigen, dass solche Modelle funktionieren“, sagt er und erklärt die Widerstände teilweise mit den Ängsten der Chefärzte, einen Teil ihrer Macht zu verlieren. Die Sorgen der Belegschaft will er gleichwohl ernst nehmen. Mit entsprechenden Verträgen glaubt er, die befürchteten Verschlechterungen ausschließen zu können.

Entscheidung im Mai

Die Freien Wähler wollen sich dagegen noch nicht festlegen. Fraktionsvorsitzende Annette Silberhorn-Hemminger beschränkt sich zunächst darauf, die Forderungen nach einer sofortigen Festlegung zurückzuweisen. „Das ist ein komplexes Thema, das wir in Ruhe abwägen müssen.“ Denkverbote im jetzigen Stadium lehnt sie ab. „Das gilt umso mehr, als noch gar nicht alle Fakten vorliegen.“

Die Verwaltungsspitze im Rathaus wollte sich zu der aktuellen Diskussion gestern nicht äußern. Rathaussprecher Roland Karpentier verwies lediglich auf den weiteren Fahrplan, der eine Entscheidung im Mai vorsieht.

Zahlen und herausforderungen

Die Bilanz des Klinikums für 2014 - die Zahlen für 2015 liegen noch nicht vor - weist 634 Betten aus. Die Auslastung ist im Vergleich zum Vorjahr von 77,9 auf 79,3 Prozent gestiegen. Der Verlust belief sich auf 400 000 Euro. Oberbürgermeister Jürgen Zieger hat das Ergebnis trotzdem als Erfolg gewertet. Das gilt aus seiner Sicht umso mehr, als das Krankenhaus keinerlei Zuschüsse der Stadt erhalten hat.

Sorge bereitet der Umstand, dass die Zuschüsse des Landes die Investitionen aus Sicht der Stadt nicht ausreichend berücksichtigen. Im Rathaus rechnet man folglich mit der Notwendigkeit, dem Klinikum unter die Arme greifen zu müssen. Offen ist, ob die Stadt die Herausforderung allein angeht oder mit einem privaten Partner. Gegen letztere Variante wehrt sich die SPD. Die „Gesundheitsversorgung unserer Stadt darf sich nicht an den Renditeerwartungen von privaten Mitgesellschaftern orientieren“, warnt sie.

Gescheiterte Fusion: 2014 hat das Bundeskartellamt die Pläne der Stadt und des Landkreises für eine Fusion des Klinikums und der Kreiskliniken durchkreuzt. Die Verantwortlichen im Rathaus können das Verbot bis heute nicht nachvollziehen. Sie suchen jetzt eine neue Antwort.