Urmila Chaudhary nimmt auch persönliche Gefahren auf sich. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Der Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit wird in diesem Sommer an Urmila Chaudhary aus Nepal verliehen. Die Menschenrechtsaktivistin engagiert sich für die Befreiung, Rechte und Bildung versklavter Mädchen in ihrem Land.

„Mit ihrer Arbeit ist Urmila Chaudhary Hoffnungsträgerin der Kamalari geworden“, begründet Oberbürgermeister Jürgen Zieger die Vergabe des mit 10000 Euro dotierten internationalen Menschenrechtspreises der Stadt Esslingen an die mutige Frau. Mit Kamalari (hart arbeitende Frau) wird die Form der Sklaverei in Nepal bezeichnet. Mit dem Preis wird auch Chaudharys Arbeit für die Organisation Freed Kamlari Development Forum gewürdigt. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen befreit sie unter persönlichem Risiko Kindersklavinnen und gibt ihnen die Chance für einen Schulbesuch oder eine Ausbildung. Durch ihre Förderung und Unterstützung erhalten die Mädchen die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Das Kamalari-System ist eine Tradition im Westen Nepals. Arme Familien verkaufen ihre Töchter als Dienstmädchen an reiche Familien. „Die Rechte der Kinder werden dabei erheblich verletzt. Schon im Kindesalter müssen sie schwere körperliche Arbeit verrichten und haben deshalb keine Chance, eine Schule zu besuchen“, heißt es im Kulturamt der Stadt Esslingen. Der Verkauf der Mädchen gehe zudem mit einer großen Gefährdung für sexuellen Missbrauch einher.

Urmila Chaudhary wurde 1989 geboren und lebte selbst zwölf Jahre lang als Kindersklavin. Ihre Eltern gehören der Tharu-Volksgruppe an und verkauften sie im Alter von sechs Jahren an eine Familie in Kathmandu. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Vater erkrankt und die Familie verschuldet. Nach ihrer Befreiung schloss sich Chaudhary sofort den seinerzeit noch wenigen Gegnerinnen des Kamalari-Systems an und war maßgeblich an der Gründung der Kamalari-Befreiungsorganisation beteiligt, deren Präsidentin sie zeitweise war. Neben ihrem Engagement für die Mädchen besucht sie die Schule.

Die Ehrengabe zum Theodor-Haecker-Preis erhält in diesem Jahr das Projekt Heroes in Berlin-Neukölln. Es wurde im Jahr 2007 unter anderem von dem Psychologen Ahmad Mansour gegründet. Das Projekt richtet sich an junge Männer ab etwa 16 Jahren aus sogenannten Ehrenkulturen und setzt sich mit den überkommenen Vorstellungen von Ehre und Männlichkeit auseinander.

Ein Intellektueller im inneren Widerstand

Theodor Haecker wurde 1879 in Eberbach geboren und starb 1945 in Ustersbach. Er hat einen großen Teil seines Lebens in Esslingen verbracht. Während des Nationalsozialismus war Haecker mit Redeverbot belegt. In dieser Zeit entstand sein wichtigstes Werk, die Tagebuchaufzeichnungen Tag- und Nachtbücher. Diese Tagebuchnotizen zählen zu den beeindruckendsten Reflexionen über den Faschismus. Sie sind das Dokument eines Intellektuellen im inneren Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Dem Widerstand gegen das Hitler-Regime galten Haeckers Ausführungen als eines der wichtigsten schriftlichen Dokumente. Theodor Haecker hatte Bindungen an den Kreis der Geschwister Scholl, in dessen Runde er mehrfach Auszüge seiner Tag- und Nachtbücher vortrug.