Quelle: Unbekannt

Von Hermann Dorn

Mitte April wird der Esslinger Gemeinderat auf einer Klausurtagung nach Möglichkeiten suchen, wie der drohende Weg in eine neue Verschuldung der Stadt verhindert werden kann. Ein Streit über das Klinikum belastet im Vorhinein das Klima. CDU und Freie Wähler werfen der SPD vor, den Einstieg eines privaten Partners mit Blick auf die Landtagswahl aus wahltaktischen Gründen schon jetzt auszuschließen. Die SPD verteidigt ihr Vorgehen.

2016 will die Stadt Esslingen die Schulden im Kernhaushalt um 4,6 auf 77,2 Millionen Euro senken. Das ist zweifellos ein Lichtblick -ein Lichtblick, der aber nichts daran ändert, dass die Aussichten für die Esslinger Finanzpolitik alarmierend sind. Weil die Rücklagen zur Neige gehen, drohen die Schulden im Kernhaushalt ab 2018 wieder zu steigen. In der Folge besteht die Gefahr, dass sich das Problem noch verschlimmert. Für 2020 befürchtet der Kämmerer eine Lücke von 9,1 Millionen Euro. Verwaltung und Gemeinderat sind sich einig, dass es so weit nicht kommen darf. Die Frage ist nur, wie diese Entwicklung verhindert werden kann.

Finanzbürgermeister Ingo Rust hat die Rahmenbedingungen für die Diskussion in seiner jüngsten Haushaltsrede schon einmal skizziert. „Auf der Einnahmenseite haben wir nur noch wenig Spielraum nach oben“, erklärte er im Oktober 2015. Diese Einschätzung gelte auch für die Grund- und Gewerbesteuer. „Im regionalen Vergleich bewegen wir uns bei den Hebesätzen schon auf hohem Niveau“, sagte er damals. Er lenkte den Blick folglich auf die Ausgaben. Auf dieser Seite müsse man herausfinden, welche Leistungen zwar schön, aber nicht unabdingbar sind.

Zu den zentralen Themen der Klausur werden auch die Zukunft des Klinikums und der Brücken gehören. Schon heute steht fest, dass die Stadt mittel- und langfristig riesige Summen in die Adenauer-, Vogelsang- und Hanns-Martin-Schley-er-Brücke investieren muss. Die Rede ist von bis zu 100 Millionen Euro. Auch im Klinikum führt an kostspieligen Investitionen kein Weg vorbei. Nachdem die Fusion mit den Kreiskliniken am Kartellamt gescheitert ist, wird sich die Stadt verstärkt engagieren müssen - es sei denn, der Gemeinderat würde beschließen, einen Partner ins Boot zu holen.

CDU pocht auf Absprache

Dass die SPD in dieser Phase bereits die Möglichkeit ausschließen will, einen „profitorientierten Konzern“ in die Trägerschaft des Klinikums aufzunehmen, ruft bei CDU und Freien Wählern energischen Widerspruch hervor. Wie berichtet, beruft sich CDU-Fraktionsvorsitzender Jörn Lingnau auf eine Absprache, wonach sich die Fraktionen vor der Klausur in Sachfragen öffentlich nicht festlegen sollen.

Auch die Freien Wähler haben sich inzwischen mit einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet. Ihre Fraktionsvorsitzende Annette Silberhorn-Hemminger wirft - wie zuvor schon die CDU - der SPD, dem Betriebsrat des Klinikums und dem Ärztlichen Direktor mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vor. Noch seien die wesentlichen Fragen, die mit den verschiedenen Optionen für das Klinikum verbunden sind, nicht beraten worden, schreibt sie. Annette Silberhorn-Hemminger wundert sich deshalb über die Bereitschaft der Sozialdemokraten zum jetzigen Zeitpunkt, die finanziellen Mittel für das Klinikum im städtischen Haushalt bereitzustellen. Sie vermisst außerdem die Antwort, wo das Geld herkommen soll. Für manche Stadträte sei das wohl nur eine Detailfrage, stellt sie süffisant fest.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Koch zeigt sich von der Kritik unbeirrt. „Die Frage nach der Zukunft des Klinikums Esslingen ist von höchstem öffentlichen Interesse“, sagt er. Die Diskussion über kommunale Trägerschaft oder private Partner gehöre deshalb nicht ins stille Kämmerlein. „Sie muss von Anfang an transparent und nachvollziehbar geführt werden“, so Koch. Die SPD lasse sich aus diesem Grund auch auf kein Stillschweigeabkommen verpflichten. Die Öffentlichkeit habe ein Recht auf Information. „Transparenz gehört zum Wesen der Demokratie und hat mit Wahltaktik nichts zu tun“, so Koch, der auch die Bereitschaft bekräftigt, die erforderlichen Mittel aus der Stadtkasse bereitzustellen. Obwohl die Details noch offen seien, stellt er schon jetzt klar: „Gegebenenfalls ist die Gesundheitsversorgung auch ein Opfer an anderer Stelle wert.“

vier antworten zur trägerschaft

Die SPD-Fraktion schließt die Beteiligung eines profitorientierten privaten Klinikkonzerns am Klinikum aus. Die Gesundheitsversorgung dürfe sich - so die Begründung - nicht an Renditeerwartungen orientieren. Kooperationen mit anderen Krankenhäusern, Stiftungen oder kirchlichen Trägern hält die SPD dagegen für denkbar. Sie setzt darauf, diese Möglichkeiten auszuloten.

Die Grünen-Fraktion lehnt den Einstieg profitorientierter Partner ab. Das sei - so die Fraktionsvorsitzende Carmen Tittel - schon immer die Position der Grünen in Esslingen gewesen. Sie sieht gute Chancen, im Gemeinderat für ihre Position eine Mehrheit zu finden.

Die CDU-Fraktion will sich im Augenblick im Streit über eine private Trägerschaft nicht festlegen. Zunächst müssten die Fakten geprüft werden, sagt Fraktionschef Jörn Lingnau. Er ist aber grundsätzlich überzeugt, dass die verbreiteten Vorbehalte gegen private Partner ausgeräumt werden können.

Die Freien Wähler beschränken sich im Augenblick auf eine Aussage. „Wir wollen ein erfolgreiches Klinikum Esslingen, auch in Zukunft. Ein solide finanziertes Klinikum, das attraktiv ist für Patienten und für Mitarbeiter“, sagt Annette Silberhorn-Hemminger. Die Frage nach der Trägerschaft lässt die Fraktionsvorsitzende im Augenblick noch offen.