Die beiden jungen Syrer Iyad und Adel schreiben für die Eßlinger Zeitung über ihre Flucht und ihren Alltag in Deutschland. Seit September 2015 leben sie in Esslingen - und kämpfen mit der deutschen Sprache.
Iyad (28) aus Damaskus, Syrien:
Ich habe schon 2010 in Syrien einen Deutschkurs an der Uni gemacht. Mein erster Ausdruck: „Guten Tag“. Damals hatte ich mir überlegt, nach meinem Abschluss nach Deutschland zu gehen. Ich war auch bei der Beratung vom Akademischen Austauschdienst DAAD. Da es nicht sicher war, ob mein Abschluss in Deutschland anerkannt wird, habe ich mich dann entschieden, weiter in Syrien zu studieren. Dass ich Jahre später unter ganz anderen Umständen nach Deutschland kommen würde, habe ich damals nicht geahnt.
Seit Februar 2016 belege ich in Esslingen einen Sprachkurs. Dort lerne ich neben der Sprache viel über Kultur und Gesetze in Deutschland. Das Ziel des Kurses ist das Niveau B1. Das heißt, ich sollte in einem Gespräch die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge wie Arbeit, Freizeit oder so geht. Im Moment sind Adel und ich noch auf dem niedrigeren Niveau A2. Unsere Kurse sind nicht in derselben Einrichtung, aber sie laufen sehr ähnlich ab. Unsere Lehrerin spricht nur Deutsch mit uns. Das ist anstrengend, aber gut für uns.
Der Unterricht ist wie in der Schule. Wir lesen und diskutieren viel. Oft machen wir auch Hörübungen. Zum Glück ist Schreiben im Deutschen nicht so schwer, weil man so schreibt, wie man spricht. Reden fällt mir aber schwer. Deshalb schwenke ich oft auf Englisch um, aber das ist natürlich kontraproduktiv. Nachmittags übe ich oft Vokabeln, das lenkt mich auch von belastenden Gedanken ab. Es gibt ein Wort, das ich immer vergesse, obwohl es so wichtig für mein Leben ist: Veränderung. Ich weiß auch nicht, warum ich es mir nicht merken kann.
Adel (32) aus Daraa, Syrien:
Ich hatte vor meiner Flucht keinen Kontakt mit der deutschen Sprache. Das erste, was ich in Deutschland gelernt habe, war die Frage: „Wie geht es Ihnen?“
Bevor Iyad und ich einen Platz im Integrationskurs bekommen haben, haben wir freiwillig einen Deutschkurs bei Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsunterkunft in Esslingen besucht. Wir hatten kein Lehrbuch, sondern haben die ganze Zeit Grammatik geübt. Ich habe auch noch einen Deutschkurs im Bildungszentrum BBQ gemacht.
Da wir als Flüchtlinge erst einen Integrationskurs besuchen können, wenn wir eine Aufenthaltserlaubnis haben, musste ich bis April warten. Dennoch hatten wir großes Glück im Vergleich zu Menschen aus anderen Herkunftsländern, da wir als Syrer relativ schnell eine Aufenthaltserlaubnis bekommen haben. Im Deutschkurs helfen uns unsere Englischkenntnisse sehr, wir kennen schon die lateinischen Buchstaben und verstehen viele Wörter. In anderen Kursen gibt es Analphabeten. Für die ist es natürlich tausend Mal schwieriger.
Um zu üben, treffen wir uns jetzt noch regelmäßig mit den Ehrenamtlichen. Ich versuche auch mit den Ehrenamtlichen und anderen Deutsch zu sprechen - und kein Englisch. Ich möchte mich auch bemühen, mehr Kontakt zu Einheimischen zu bekommen. Wir leben wie in einer Blase, in der wir fast nur Kontakt zu Flüchtlingen und Ehrenamtlichen haben. Das ist für unser Deutsch nicht gerade gut.
Es gibt Momente, da ist mir die deutsche Sprache echt ein Rätsel. Ich habe neulich ein Wort mit 28 Buchstaben gelesen: Fahrpreisnacherhebungsstelle. Genauso schwierig: Streichholzschächtelchen. Mein Ziel ist es, dieses Wort eines Tages aussprechen zu können.
Adel und Iyad verließen im Sommer 2015 ihre Heimat. In regelmäßigen Abständen schreiben die beiden Syrer für die Eßlinger Zeitung. Die Texte werden von der EZ-Redakteurin Laura Buschhaus vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
Integrationskurse für Ausländer
Teilnehmer: Grundsätzlich sind Ausländer zur Teilnahme an einem Integrationskurs berechtigt, wenn sie rechtmäßig und auf Dauer in Deutschland leben. Die Ausländerbehörde und Träger der Grundsicherung können sie dazu verpflichten, wenn sie sich nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können.
Darüber hinaus können Ausländer, soweit sie einen Teilnahmeanspruch nicht oder nicht mehr besitzen, im Rahmen verfügbarer Plätze zugelassen werden. Das gilt seit November 2015 auch für Asylbewerber und Geduldete mit jeweils guter Bleibeperspektive. Syrer, Eritreer, Iraner und Iraker können bereits mit einer Aufenthaltsgestattung am Integrationskurs teilnehmen.
Aufbau: Die Ziele des Integrationskurses sind die Vermittlung von Deutschkenntnissen auf dem Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) sowie die Vermittlung von Kenntnissen der Rechtsordnung, Geschichte und Kultur in Deutschland.
Der Integrationskurs besteht aus einem Sprach- und einem Orientierungskurs. Im allgemeinen Integrationskurs dauert der Sprachkurs 600 Stunden, der Orientierungskurs 60 Stunden. Neben dem allgemeinen Integrationskurs werden auch Integrationskurse für spezielle Zielgruppen, etwa für Analphabeten oder Jugendliche, angeboten. Diese speziellen Kurse können bis zu 960 Stunden umfassen. Darüber hinaus kann der Integrationskurs für Personen mit guten Bildungsvoraussetzungen auch als Intensivkurs mit einem Umfang von 430 Stunden angeboten werden. Vor Beginn des Kurses führt der Kursträger einen Einstufungstest durch. Dabei ermittelt er auch, ob ein spezieller Integrationskurs empfehlenswert ist. Die Teilnehmer müssen den Sprachkurs und den Orientierungskurs erfolgreich bestehen, um das „Zertifikat Integrationskurs“ zu erhalten.
Der Blog "Neu in Deutschland"
Die beiden Syrer Adel und Iyad leben seit September in Esslingen. Sie schreiben in regelmäßigen Abständen auf esslinger-zeitung.de von ihrer Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland. Die Texte werden von der EZ-Redakteurin Laura Buschhaus vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
Iyad hat in Syrien als Informationsingenieur gearbeitet. An Deutschland schätzt er besonders, dass die Menschen sich frei bewegen und ihre Meinung sagen können.
Adel hat in Daraa als Ingenieur in der Kommunikationsbranche gearbeitet. Er ist beeindruckt, wie gut das Leben in Deutschland organisiert ist – auch wenn ihn die Papierflut manchmal irritiert.