Dauernde Beobachtung: Der Angeklagte hat seinem Opfer permanent nachgestellt und es massiv bedrängt.Symbol Foto: Kai Remmers/dpa/tmn Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Mehr als zwei Jahre lang hat ein 48 Jahre alter Angeklagter aus Ostfildern einem Esslinger Mädchen nachgestellt, sie bedrängt und mit Besuchen, Anrufen und Kurznachrichten belästigt. Die junge Frau zog sich deshalb immer mehr zurück, versuchte zwei Mal, sich das Leben zu nehmen und musste psychologisch behandelt werden. Gestern ist der Angeklagte nun vom Amtsgericht Esslingen wegen Nachstellung, sexuellen Missbrauchs, Nötigung und Körperverletzung zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden.

Kennengelernt hatten sich der Angeklagte und die damals 14-Jährige bei einer Versammlung einer Religionsgemeinschaft im Herbst 2012. Anschließend suchte der Mann immer wieder die Nähe des Mädchens und schrieb ihr unzählige Kurznachrichten und E-Mails. Zudem wurde er in zwei Fällen auch sexuell übergriffig: Einmal, als sie bei seiner Familie zu Gast war und ein anderes Mal, als er sie auf der Straße getroffen hatte. Beide Male hielt er sie fest, küsste und streichelte sie gegen ihren Willen und bedrängte sie.

Obwohl die junge Frau im Laufe weniger Monate acht Mal ihre Handynummer wechselte und ihre Mutter dem Angeklagten mehrfach unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er keinen Kontakt zu ihrer Tochter unterhalten solle, ließ der 48-Jährige sich nicht abhalten. Er sendete mehrere Tausend SMS und Whatsapp-Nachrichten an das Mädchen - teils 50 am Tag -, in denen er unter anderem immer wieder seine Liebe zu ihr beteuerte. Zudem fuhr er etwa dreimal in der Woche an ihrer Wohnung vorbei, hielt sich ständig in ihrer Nähe auf, verfolgte und beobachtete sie und sprach sie immer wieder auch an. Einmal gab er sich laut Anklageschrift sogar als ihr Onkel aus, um in einer psychiatrischen Einrichtung Informationen über sie zu bekommen.

Die vergleichsweise milde Strafe - möglich sind bei solchen Vergehen bis zu fünf Jahre Gefängnis - resultiert unter anderem aus einem Deal, den Staatsanwaltschaft, Verteidigung, Nebenklage und Gericht gestern geschlossen haben. Denn es hatte sich bei einem ersten Prozessauftakt im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Angelegenheit kompliziert ist: Offenbar hatte der Angeklagte damals in einer ausschweifenden Aussage auf seiner Unschuld bestanden und steif und fest behauptet, er habe das Mädchen nicht bedrängt, sondern eine Beziehung mit ihm gehabt. Auf der anderen Seite hatte sich herauskristallisiert, dass das Stalkingopfer schon schwer psychisch vorbelastet war, unter anderem war bei der jungen Frau das Boarderline-Syndrom sowie der Verdacht auf eine Schizophrenie festgestellt worden. Das Verfahren war letztlich abgebrochen worden, um von Gutachtern untersuchen zu lassen, wie glaubwürdig die Aussage des psychisch angeschlagenen Opfers war.

Die zwei Sachverständigen, die sich mit diesem Thema beschäftigt hatten, kamen gestern vor Gericht zum gleichen Schluss: Trotz der teils massiven psychischen Beeinträchtigungen der jungen Frau gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich die Stalking-Vorfälle nur eingebildet oder sogar ausgedacht habe. Alles spreche dafür, dass sie die Nachstellungen und Übergriffe des Angeklagten tatsächlich erlebt habe, darin waren sich die beiden Gutachter einig.

Der Angeklagte hatte zu Prozessbeginn gestern Morgen zunächst angekündigt, sich ausführlich zu den Vorwürfen zu äußern - sein Verteidiger ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass sein Mandant sich nicht schuldig bekennen würde. Nach ausführlichen Verständigungsgesprächen hinter verschlossenen Türen ließ sich der 48-Jährige dann doch überzeugen, den Deal einzugehen: Dafür, dass er ein umfassendes Geständnis ablegte und sich bereit erklärte, seinem Opfer 3000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen sowie keinen Kontakt mehr zu ihr aufzunehmen und sich ihr auch bei zufälligen Treffen auf nicht mehr als 100 Meter zu nähern, sagte man ihm eine milde Strafe zu. Nicht zuletzt, weil damit allen Beteiligten - und damit auch Täter und Opfer - eine langwierige und letztlich auch teure Verhandlung erspart bleibe, so der Richter.