Von Carolin Sokele

Bezahlbaren Wohnraum auf teurem Pflaster schaffen: In Esslingen und Umgebung kein leichtes Unterfangen. Deshalb hat sich jetzt eine Podiumsdiskussion dem Thema gewidmet, die anlässlich des 1. Mietertags Neckar-Fils vom Deutschen Mieterbund Esslingen-Göppingen organisiert worden war. Zum Einstieg in die Veranstaltung mit rund 60 Teilnehmern präsentierte Tilman Harlander, Professor für Wohnsoziologie, einen analytischen Überblick über die aktuelle Wohnsituation in der Region.

So zeige im bundesweiten Vergleich der Immobilienpreisindex des Forschungsinstituts „empirica“, dass Stuttgart bei den Mietpreisen ganz vorn mit dabei sei, erklärte Harlander. Die baden-württembergische Landeshauptstadt konkurriere mit Frankfurt um Rang zwei der teuersten Städte, während München immer an erster Stelle stehe. Im Moment liege Stuttgart auf Rang drei. Im Zentrum von Stuttgart sei eine Miet- und Verkaufspreisexplosion zu beobachten. Dabei seien bei einzelnen „Ausreißern“ Verkaufspreise von bis zu 14 000 Euro pro Quadratmeter veranschlagt worden, im Durchschnitt lagen dort zuletzt die Preise für Neubauwohnungen bei 6 500 Euro pro Quadratmeter. Harlander: „Das hat längst auch in die Region ausgestrahlt. Wir können uns nicht zurücklehnen, denn die Sogwirkung dieser Preisentwicklung hat die ganze Region erfasst.“

Kritisch sieht Harlander auch die hohe Wohnkostenbelastung besonders für Geringverdiener. „Manchmal sind unsere Diskussionen auch zu sehr alleine auf das Wohnproblem konzentriert“, merkte Harlander an und kritisierte die damit einhergehende wachsende räumliche Trennung von sozialen Gruppen. „Bezahlbarer Wohnraum ist sozialpolitisch dringend geboten“, betonte er. Auch aus ökonomischer Sicht sei der Standortfaktor Wohnraum nicht zu unterschätzen, da auch große Industrieunternehmen für ihre Fachkräfte Wohnungen benötigten.

Hemmende Faktoren

In der Podiumsdiskussion setzten sich Wilfried Wallbrecht, Erster Bürgermeister der Stadt Esslingen, Volker Kurz, Geschäftsführer der Wohnbau GmbH Göppingen, Rainer Böttcher, Vorstand der Flüwo Bauen und Wohnen eG, und Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbunds, mit hemmenden Faktoren auseinander. Dabei diskutierten sie verschiedene Aspekte, die bezahlbare Wohnungen aus ihrer Sicht immer wieder erschwert hatten - wie fehlende Bauflächen, mangelnde Wohnungspolitik auf Landes- und Bundesebene oder vor Ort auftretende Zielkonflikte. Aus der Sicht Böttchers sind besonders der fehlende politische Wille sowie unzureichende Ressortzuständigkeiten für fehlenden Wohnungsbau verantwortlich.

Mit Blick auf Bauflächen in Esslingen sprach Wallbrecht außerdem die mangelnde Akzeptanz der Bevölkerung für neue Bauflächen an. Besonders beim Stichwort „Innenverdichtung“ gebe es verschiedene Zielkonflikte im Innen- wie auch im Außenbereich. So entwickle sich bei jeder noch so kleinen Fläche eine Bürgerinitiative. Dennoch sei er überzeugt, dass gebaut werden müsse, egal in welchem Segment. „Wir müssen Akzeptanz dafür schaffen, dass wir bauen müssen - und das hilft allen“, so Wallbrecht.

Bei der anschließenden Fragerunde mit den Teilnehmern wurden Vor- und Nachteile von Zweckentfremdung oder die weitere Möglichkeiten für zusätzliche Wohnbauflächen diskutiert. Bei anschließenden Gesprächen in kleiner Runde berichteten Teilnehmer von eigenen Erfahrungen mit akuter Wohnungsnot. „Ich suche seit bald einem halben Jahr, bisher immer nur Absagen“, berichtete ein Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. Mit der Zeit würden da die eigenen Ansprüche sinken und das Budget steigen. Irgendwann müsse man sich dann vielleicht gegen Esslingen entscheiden, so der Teilnehmer mit Bedauern.