Foto: Symbolbild dpa

Von Laura Buschhaus

Der Syrer Iyad verließ im Sommer 2015 seine Heimat und schlug sich mit seinem Bruder bis nach Deutschland durch. Seit letzten September lebt er in Esslingen. Er und Adel, ein anderer syrischer Flüchtling, schreiben regelmäßig in der Eßlinger Zeitung über ihre Flucht und den Alltag in Deutschland. Die Texte werden von der EZ-Redakteurin Laura Buschhaus vom Englischen ins Deutsche übersetzt.

Iyad (28) aus Damaskus, Syrien:

Die Sache mit der Unterkunft für Flüchtlinge ist etwas kompliziert. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das System verstanden habe.

Meine erste Bleibe nach der Landeserstaufnahmeeinrichtung war die Turnhalle in Esslingen. Dort wohnte ich von September bis Jahresende 2015. Im Januar durfte ich in eine Flüchtlingsunterkunft in Zell einziehen. Allerdings habe ich schon im Herbst, als ich meine Aufenthaltsgenehmigung bekommen habe, angefangen, nach einer Wohnung zu schauen. Als Flüchtling muss man die Unterkünfte des Landkreises nämlich zeitnah verlassen, nachdem man seine Aufenthaltsgenehmigung bekommen hat.

Mein Bruder und ich haben zusammen nach einer Wohnung gesucht, wir wollten gerne zusammenbleiben. Wir haben uns nach einer Wohnung im Raum Stuttgart umgesehen, da ich denke, dass hier meine Jobchancen ganz gut sind. Wir haben im Internet nach Angeboten gesucht, Freunde vom Asylkreis haben die Zeitung durchkämmt und viele Vermieter angerufen. Oft waren die Vermieter ganz angetan. Sobald unsere deutschen Bekannten dann aber erzählt haben, dass wir Flüchtlinge sind, waren die meisten nicht mehr interessiert.

Silvesternacht erschwert Suche

Ich habe schätzungsweise über 1000 Mails geschrieben, in denen ich erklärt habe, dass wir aus Syrien geflohen sind. In den meisten Fällen habe ich keine Antwort bekommen - oder eine Absage. Etwa 20 Wohnungen haben wir besichtigt. Im Dezember hatten wir dann schließlich eine Zusage. Dann kam die schreckliche Silvesternacht in Köln. Die Vermieterin hatte auf einmal Angst vor uns Flüchtlingen und zog ihr Wohnungsangebot zurück. Oft hörte ich von Vermietern, dass sie befürchteten, dass wir ständig superviele Männer bei uns zu Gast haben würden und dass es dadurch immer laut sein würde. Das ist echt bizarr. Ich würde auf keinen Fall etwas tun, wodurch ich sofort wieder meine Wohnung verlieren würde. Ich möchte alles richtig machen.

Im März haben mein Bruder und ich einen Brief vom Landratsamt bekommen. Das Amt teilte uns mit, dass wir nun die Unterkunft in Zell verlassen müssen. Als wir bis April noch immer keine Wohnung gefunden hatten, wurden wir in eine Unterkunft in Wendlingen verlegt.

Nach weiterer Suche habe ich eine Wohnung im Internet gefunden. Ich habe mich lange mit dem Vermieter auf Englisch unterhalten. Endlich haben wir eine Zusage bekommen. Ich bin sehr froh. Seit Mai wohne ich nun mit meinem Bruder in der Wohnung in Esslingen.

Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland und Baden-Württemberg

Ablauf:Wenn Flüchtlinge in Deutschland ankommen, werden sie in die nächstgelegene Aufnahmestelle gebracht. Danach werden sie mithilfe des Registrierungssystems Easy (Erstverteilung für Asylsuchende) einem Bundesland und der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung zugeteilt. Dort bleiben sie bis zu sechs Monate (Stufe 1). Wie es danach weitergeht, hängt vom jeweiligen Bundesland ab. In Baden-Württemberg gibt es, anders als in den meisten anderen Bundesländern, ein dreistufiges Aufnahmesystem. Nach den Monaten in der Erstaufnahme des Landes werden die Flüchtlinge zur vorläufigen Unterbringung den Land- und Stadtkreisen zugeteilt. Sie kümmern sich um Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen für die Flüchtlinge, in der Regel bis zum Abschluss des Asylverfahrens, jedoch maximal für die Dauer von 24 Monaten (Stufe 2). Danach sind die kreisangehörigen Gemeinden für die sogenannte Anschlussunterbringung verantwortlich. Zu diesem Zeitpunkt können sich die Asylsuchenden schließlich auch eine eigene Wohnung anmieten (Stufe 3). Asylberechtigte, die zu wenig verdienen, können - wie jeder Haushalt mit wenig Einkommen - eine Sozialwohnung beantragen.

Wer zahlt?Für die vorläufige Unterbringung, also Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen, bekommen Stadt- und Landkreise Geld vom Bundesland. Wohnen Flüchtlinge in privaten Wohnungen, übernimmt der Stadt- oder Landkreis die Miete und Betriebskosten bis zu einer bestimmten Höhe und kann diese gegenüber dem Land geltend machen. Was die Anschlussunterbringung angeht, so übernimmt der Bund die Kosten der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge ab 2016 für drei Jahre. Insgesamt entlastet der Bund die Länder und Kommunen in diesem Jahr mit rund 7 Milliarden Euro und in den nächsten beiden Jahren nach aktuellem Stand mit jeweils rund 6 Milliarden Euro bei flüchtlingsbezogenen Ausgaben.

Wohnsitzregelung im Integrationsgesetz des Bundes: Das Gesetz, das im Juli verabschiedet wurde, legt fest, dass Flüchtlinge nach ihrer Anerkennung drei Jahre lang in dem Bundesland leben müssen, dem sie nach der Ankunft zugewiesen wurden. Um „soziale Brennpunkte“ zu vermeiden, kann ihnen das Land auch vorschreiben, wo genau sie leben müssen. Sie können den Flüchtlingen außerdem verbieten, in Ballungsräume zu ziehen. Ausgenommen sind jene, die eine Arbeits- oder Lehrstelle gefunden haben. Das Gesetz gilt rückwirkend seit dem 1. Januar 2016. Nach Bayern führte Baden-Württemberg in der vergangenen Woche auch eine Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber ein. dpa/lb