Die Gemeinderäume im Kindergarten Wichernhaus könnten in die Christuskirche ziehen - so wäre der Weg für Abriss und Neubau frei. Quelle: Unbekannt

Die evangelische Kirchengemeinde in Esslingen ist auf Sparkurs, denn die Finanzlage ist schwierig und die Mitgliederzahlen sinken beständig. Bis zum Sommer will die Kirchengemeinde deshalb entscheiden, von welchen Immobilien sie sich trennt - im Gespräch sind mehrere Gemeindehäuser und Kirchen. Doch die Esslinger Protestanten sind längst nicht die einzigen mit diesem Problem. Andernorts hat man bereits teils überraschende Lösungen gefunden.

Der Umgang mit schwindenden Mitgliederzahlen und hohen Kosten für den Unterhalt von Gebäuden sei „ein Thema, das in all unseren Kirchengemeinden regelmäßig mitschwingt“, sagt Oliver Hoesch, Sprecher der evangelischen Landeskirche Württemberg. Allerdings gebe es kein Patentrezept, sondern es müssten stets individuelle Lösungen gefunden werden, die zur jeweiligen Gemeinde passten.

Zu solch vehementen Protesten wie derzeit in der Esslinger Kirchengemeinde St. Bernhardt zum Hohenkreuz gegen den möglichen Verkauf des Gemeindezentrums Hainbachtal komme es dabei eher selten, sagt Hoesch. Die Leute seien normalerweise im Vorfeld stark einbezogen: „Man überlegt gemeinsam: Was brauchen wir und was wollen wir uns leisten?“ Der Oberkirchenrat unterstütze die Gemeinden dabei beratend.

Solche Prozesse hätten in den vergangenen fünf Jahren neben etwa 50 Fusionen von evangelischen Kirchengemeinden in Württemberg unter anderem auch zum Verkauf von einer Handvoll Kirchen und rund 20 Gemeindehäusern geführt. In einigen Fällen hätten die Gemeinden dann kleinere, funktionalere Gemeindehäuser gebaut. Meist seien die alten Gebäude von den neuen Eigentümern zu Wohnraum umgebaut worden.

Spektakuläre Umnutzungen von Kirchen, etwa als Disko oder Restaurant, gebe es in Württemberg derzeit nicht, sagt Hoesch. Ungewöhnliche hingegen schon: So wurde beispielsweise die Waldkirche in Heidenheim zu einer Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. Für eine solch andere Nutzung muss ein Kirchengebäude laut Hoesch offiziell entwidmet werden. Das geschehe im Rahmen eines speziellen Gottesdienstes.

Verkleinerung und Abriss

Auch bei der Rosenbergkirche in Stuttgart-West ging man einen besonderen Weg: Man verkleinerte das Gotteshaus von 800 auf etwa 200 Sitzplätze, indem ein Gemeindehaus samt Forum und kleinem Café in das Gebäude eingebaut wurde. Das alte Gemeindehaus wurde verkauft. Die Ulmer Paul-Gerhardt-Kirche hingegen wurde gleich ganz aufgegeben und abgerissen, auf dem Gelände sollen Eigentumswohnungen entstehen.

Die Nikodemus-Kirche in Stuttgart-Botnang soll ebenfalls verkauft werden, in Göppingen ist das bereits passiert: Die Martin-Luther-Kirche wurde an die syrisch-orthodoxe Gemeinde veräußert. Das gilt nicht als anstößig: „Bei einem Kirchenverkauf ist es unser erstes Ziel, diese an eine kompatible Glaubensgemeinschaft abzugeben“, sagt Oliver Hoesch. Die Betonung liegt auf kompatibel: „Wir würden jetzt nicht an eine muslimische Gemeinde verkaufen“, sagt Hoesch. Dazu sei die Religionsausübung zu unterschiedlich.

Auch im Kreis Esslingen gibt es mehrere Beispiele dafür, wie die evangelische Kirche die Kosten für den teuren Unterhalt ihrer zahlreichen Gebäude senkt. So wird die Kreuzkirche in Kirchheim aus finanziellen Gründen ebenfalls verkauft - an die griechisch-orthodoxe Gemeinde. Die Kreuzkirchengemeinde kann künftig die anderen Kirchen der neu fusionierten evangelischen Stadtkirchengemeinde in Kirchheim nutzen, zu der sie seit 1. Januar gehört.

In Wendlingen soll die Johanneskirche hingegen ganz fallen. Weil der Zeltdachbau aus dem Jahr 1964 viel zu groß und viel zu teuer im Unterhalt sei, soll er abgerissen werden. An seiner Stelle ist ein kleineres, multifunktionales Gemeindezentrum geplant. Allerdings gibt es derzeit massive Proteste gegen den Abriss. Im Nürtinger Stadtteil Oberensingen dagegen haben sich die evangelische und die katholische Kirche zusammengetan und nutzen nun gemeinsam das ökumenische Gemeindehaus K2O. Die katholische Kirchengemeinde St. Johannes hatte zuvor ihr Gemeindehaus aufgegeben und mietet nun Räume im K2O.

Wie die Situation in der evangelischen Kirche in Esslingen künftig sein wird, ist hingegen noch unklar. Laut Bernd Weißenborn, dem Dekan der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Esslingen, herrscht zumindest Konsens darüber, dass das Gemeindehaus der Südkirche an der Spitalsteige (Stadtkirchengemeinde) und das Lerchenäcker-Gemeindehaus in der Dresdener Straße (Kirchengemeinde Oberesslingen) entbehrlich seien.

Kirchenverkauf im Gespräch

Die gemeindeinterne Immobilien-AG, die seit 2013 überlegt, auf welche Gebäude verzichtet werden könnte, schlägt zudem die Aufgabe der Lukaskirche samt Gemeinderäumen in Weil (Kirchengemeinde Mettingen - Brühl - Weil) sowie der Kirche samt Gemeindehaus in Sirnau (Kirchengemeinde Oberesslingen) vor. Zudem könnten die Gemeinderäume auf dem Zollberg, die sich im Kindergarten Wichernhaus in der Neuffenstraße befinden, ins Untergeschoss der Christuskirche ziehen - und der Kindergarten abgerissen und neu gebaut werden. Bis zum Sommer sollen die Entscheidungen über die Gebäude gefallen sein. Hintergrund des Sparkurses ist ein strukturelles Defizit im Haushalt der Gemeinde von derzeit rund 250 000 Euro, das nicht zuletzt auch eine Folge der sinkenden Mitgliederzahlen ist. Nach Auskunft von Oliver Hoesch verliert die württembergische Landeskirche im Jahr etwa ein Prozent der Mitglieder, derzeit hat sie noch rund 2,1 Millionen Mitglieder.