Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den Beteiligungskongress im Neckar Forum eröffnet. Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Es herrscht konzentrierte Arbeitsatmosphäre im Neckar Forum. Im großen Saal haben sich zwölf verschiedene Gruppen zusammengefunden, in denen über Themen wie Netzwerke für Flüchtlingshilfe, Jugendbeteiligung im Internet oder Vereinsstrukturen im ländlichen Raum diskutiert wird. In den Konferenzräumen nebenan werden Vorträge über die Ergebnisse der Jugendstudie Baden-Württemberg oder über Vertrauen in die Politik gehalten und Staatsrätin Gisela Erler sowie Sozialminister Manfred Lucha geben Einblicke in ihre Arbeit. Beim Beteiligungskongress des Landes, der gestern im Esslinger Neckar Forum stattgefunden hat, dreht sich alles um das Thema Bürgerbeteiligung.

Das kommt nicht von ungefähr. Bei den Reden zum Auftakt der Veranstaltung wurde klar, dass man in der Einbindung der Bürger ein Bollwerk gegen antidemokratische Tendenzen sieht. „Beteiligung ermöglicht uns, Populismus und Unzufriedenheit in unserem Land energisch die Stirn zu bieten“, betonte Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Begrüßung. Ein Mehr an Partizipation bedeute auch, Verantwortung zu übernehmen, den gemeinsamen Dialog zu suchen und Kompromisse zu finden. „Das fördert also genau die Kompetenzen, die wir brauchen, um die Demokratie insgesamt zu stärken“, sagte Kretschmann. Und das sei dringend nötig - auch wenn er selbst bis vor Kurzem nicht geglaubt hätte, in seinem Alter noch einmal für die liberale Demokratie kämpfen zu müssen.

Gegen Radikale und Populisten

Auch von Seiten der anderen Veranstalter - neben dem Staatsministerium des Landes auch das Ministerium für Soziales und Integration, die Allianz für Beteiligung und die Baden-Württemberg Stiftung - wurde dieser Aspekt in den Vordergrund gestellt. „Wir sind heute hier, um zu dokumentieren, dass wir die Mehrheit sind, nicht die Radikalen und die Populisten“, erklärte Sozialminister Manfred Lucha. Die Staatsrätin Gisela Erler betonte darüber hinaus die Notwendigkeit, Jugendliche gesellschaftlich zu beteiligen, um die Demokratie langfristig zu stärken. Derweil mahnte Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung: „Wir können nicht davon ausgehen, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie einfach so da sind, ohne dass man etwas dafür tut.“ In den vergangenen Jahrzehnten habe man sich wohl etwas zu sehr auf dem ausgeruht, das man gewohnt war. Das Gute an den aktuellen Entwicklungen sei vielleicht, dass diese einen Trend hin zu mehr Interesse an der Politik bewirkten.

Von mangelnder Resonanz konnte man beim Beteiligungskongress nicht sprechen. Laut Miriam Freudenberger, Geschäftsführerin der Allianz für Beteiligung, waren die 500 Teilnehmerplätze schon kurz nach dem Anmeldestart vergeben, mehr als 100 Interessierte standen auf der Warteliste. Und auch vor Ort war großes Interesse zu beobachten: Bei den verschiedenen Angeboten zu den vier Themenbereichen Integration, Beteiligung im ländlichen Raum, Jugendbeteiligung und gesellschaftlicher Zusammenhalt wurde rege diskutiert, man tauschte sich über die Erfahrungen mit Projekten, über Herangehensweisen bei Problemen oder den Umgang mit gesellschaftlichen Entwicklungen aus. Als ein praktisches Beispiel war der FC Esslingen vertreten und stellte sein Projekt „Miteinander gewinnt - Sport ohne Grenzen“ vor, das von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird.

Konkrete Ergebnisse gab es nicht, aber das war auch nicht das Ziel der Veranstaltung. „Es geht vor allem um den Austausch und das Netzwerken“, erklärte Miriam Freudenberger. So sah es auch die Teilnehmerin Angelika Vogt von der Jugendstiftung Baden-Württemberg: „Man kann hier viel dazu lernen und sehen, was andere machen.“ Genau das wollte auch Burghard Rech, Mitarbeiter der Staatskanzlei in Dresden: „Mich interessiert, was Baden-Württemberg in Sachen Bürgerbeteiligung macht und welche Strategien man hier fährt“, sagte er. Schließlich sei es augenfällig, dass man inzwischen für die Demokratie kämpfen müsse.