Kältequartier für das Kaffeemobil: Evita Hamon (Mitte) ist mit ihrem Café Hibou vorübergehend in ihren Lagerraum umgezogen. Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun

Es ist klirrend kalt an diesem Morgen. Schon nach wenigen Minuten draußen macht sich der Frost mit Macht bemerkbar: Die Wangen werden eisig, die Finger steif, durch die Schuhsohlen kriecht die Kälte in Füße und Beine. Auch der Wochenmarkt auf dem Esslinger Marktplatz scheint in Winterstarre zu verharren: Die Hälfte der Standplätze bleibt leer, nur wenige Kunden finden gestern am frühen Morgen den Weg zu den Händlern, die hier den Temperaturen unter dem Gefrierpunkt trotzen.

Viele der Marktbeschicker versuchen, sich mit Zelten und Heizöfen zu behelfen - nicht nur, um sich selbst warm zu halten, sondern vor allem, damit ihre Produkte nicht kaputt gehen. Evita Hamon, Vorsitzende des Marktvereins und Betreiberin des Kaffeemobils Café Hibou, ist sogar in ein Winterquartier ausgewichen. Bei den extremen Temperaturen halte sie es mit ihrem offenen Wagen auf dem Marktplatz nicht aus - und Kunden kämen bei der Witterung ohnehin nicht zum gemütlichen Kaffeeklatsch, erklärt sie.

Kältequartier in der Garage

Als sie dem Markt frostbedingt zum vierten Mal fernbleiben musste und wärmeres Wetter nicht absehbar war, räumte sie kurzerhand ihr Lager in der Wehrneckarstraße aus und machte daraus ein Pop-up-Café. Zu den üblichen Marktzeiten steht dort nun ihr blaues Gefährt, an Stehtischen mit bunten Tischdecken und Glitzerfiguren können die Kunden ihren Kaffee trinken und sich etwas aufwärmen. „Das kommt richtig gut an“, sagt Hamon. Damit habe sie gar nicht gerechnet. Aber sie sei ziemlich froh darüber: „Ich bin ja auch auf Umsatz angewiesen“, sagt sie.

Allerdings stimme es nicht ganz, dass der Markt wegen der Frostperiode so ausgedünnt sei. Der Hauptgrund sei, dass viele Beschicker in Esslingen auch selbst Erzeuger seien. Da es im Winter ohnehin viel weniger lokale Produkte gebe, nutzten einige diese Periode, um eine Auszeit zu nehmen und das neue Jahr vorzubereiten. „Dass es hier viele Erzeuger und damit regionale und saisonale Produkte gibt, macht unseren Markt ja auch aus“, sagt Hamon. Allerdings gebe es vor allem samstags auch viele Kunden, die sich selbst von widrigsten Bedingungen nicht abhalten ließen, auf den Markt zu gehen: „Selbst an dem Samstag vor zwei Wochen mit minus 13 Grad war einiges los“, erzählt sie.

Der Blumenhändler Jürgen Merz hat ähnliche Erfahrungen gemacht: „Vergangenen Samstag war bei uns alles ausverkauft.“ Leute kämen immer, wenn auch weniger bei Minusgraden. „Aber wie der Kunde kommt, so müssen wir auch kommen“, findet er. Allerdings habe er auch ein Zelt mit Heizung - Kollegen, die so etwas nicht zur Verfügung hätten, blieben dem Markt bei der Kälte eher fern. Dabei seien die Produkte meist weniger das Problem: „Wir haben gerade viele Osterglocken, Primeln, Tulpen oder Ranunkeln, die vertragen das.“ Wenige Grad unter Null seien für die Pflanzen kein Problem.

Die Gemüsehändler dagegen passen schon auf, dass ihre Ware keinen Frost abbekommt. „Die Kartoffeln brauchen mehr als null Grad, sonst werden sie süß“, sagt der Erzeuger Klaus Eißele, der auch Vorstand im Marktverein ist. Auch bei seinen Äpfeln müsse er aufpassen, dass sie nicht gefrieren. Deshalb komme er bis maximal minus zehn Grad auf den Markt - denn mit seinen Heizgeräten könne er das Zelt um zehn Grad mehr als die Außentemperatur erwärmen. Mit der aktuellen Temperatur könne man also umgehen. Viele Händler fehlten eher saisonbedingt als wegen der Kälte, sagt auch Eißele.

Für Renate Diener vom Geflügelstand Bleyer ist minus zehn Grad ebenfalls die magische Grenze: „Dann wird es happig“, sagt sie. Bis jetzt könne sie der Kälte mit mehreren Schichten warmer Kleidung gut trotzen - und Kunden kämen auch. Ähnlich äußert sich Jahiu Sami vom Käsestand Wittmann. „Mittwochs ist es immer ruhiger“, sagt er. Bei der Kälte sei es noch etwas weniger, „aber solange Leute kommen, sind wir da.“

Auch Andrea Klingler vom gleichnamigen Demeter-Betrieb hat sich mit dem Zwiebelprinzip gegen die Minusgrade gewappnet: Zwei lange Unterhosen, eine Thermohose, mehrere Oberteile, Mütze und Handschuhe hat sie angezogen. Beim Verkauf reiche das. „Aber der Aufbau am Morgen ist heftig“, sagt sie. Bei minus sechs Grad hätten sie den Stand samt Zelt aufgebaut: „Das ist ein Mordsact.“

Während viele Marktbeschicker sich in der Frostphase vor allem aus ihrem Lager bedienen oder vom Großmarkt zukaufen, geht der Gemüsebauer Eberhard Sohn auch jetzt noch aufs Feld, um die Ware für seinen Stand zu ernten. Wirsing, Rosenkohl und Grünkohl habe er am Dienstagnachmittag vom Feld geholt, erzählt er. „Man muss halt warme Kleider und Handschuhe anziehen und schnell arbeiten, damit es einem warm wird“, sagt er und grinst. Wirsing- und Grünkohl-Ernte seien relativ einfach, aber die Rosenkohl-Ernte sei mühselig, weil man jede Knospe einzeln abzwacken müsse.

Lauch-Ernte ist ein Problem

Ein großes Problem dürfte zudem die Lauch-Ernte in den kommenden Tagen sein. „Ich weiß nicht, wie wir das machen sollen“, sagt Sohns Frau Lore. Normalerweise steche man den Lauch mit einem Spaten aus der Erde, aber inzwischen sei der Boden bis in 20 Zentimeter Tiefe gefroren. Zum Glück habe er in weiser Voraussicht schon etwas mehr Lauch geerntet, sagt Eberhard Sohn: „Im Lager hält der sich zwei bis drei Wochen.“ Dort ist er in guter Gesellschaft Karotten, Chinakohl, Krautköpfen, Pastinakenwurzeln oder Roten Beten: Die Ernte vieler Wintergemüse wird bereits im November abgeschlossen, sie können dann einige Monate gelagert werden.

Davon profitiert auch Hedwig Mann, die bei jedem Wetter ihren Wocheneinkauf auf dem Markt absolviert. „Bei der Kälte ist es fast noch gemütlicher als sonst“, findet sie. Aber aufwärmen konnte sie sich anschließend auch: Im Garagencafé von Evita Hamon.