Eine Größe am Tenorsaxofon: Das Konzert von Don Menza war wie so oft ausverkauft. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Udo Klinner

Ein 80-jähriger US-Amerikaner aus Buffalo, New York hat Zeit seines turbulenten Musikerlebens eine besondere Beziehung zu Deutschland. Schon in jungen Jahren als Soldat und Mitglied der 7. Army Jazzband in Stuttgart wurden erste Wurzeln geschlagen, die sich sehr viel später unter anderem wiederum als Solist in den Big Bands von Max Greger, Peter Herbolzheimer oder der großartigen europäischen Kenny Clarke-Francis Boland Formation weiter entwickelten. Zuvor reifte er in den USA allerdings längst zu einem Weltklasse-Tenorsaxofonisten in den Orchestern von Stan Kenton und Maynard Ferguson. Er bildete seinerzeit oft genug das „schwärzeste“ Element unter meist nur weißen Protagonisten.

Soweit seine kurz gefasste Vita und nun gastierte (erstmals 1964) Don Menza ein weiteres Mal in Esslingen. Ein Wiedersehen- und -hören mit einem der besten und sympathischsten Gäste, die der Jazzkeller in seiner fast 70-jährigen Geschichte erlebte. Eine wieder unvergessliche Erfahrung.

Englisch-deutsches Sprachgemisch

Mit ihm spielt eine Rhythmusgruppe, die sich schon lange - noch aus Wiener und Münchner Zeiten - kennt. Oliver Kent am Piano, Hans Strasser am Kontrabass und der eloquente Schlagzeuger Bernd Reiter, organisatorischer Kopf dieses Engagements - sie wissen genau um ihre Aufgabe. Hardbop in seiner originären Form, mächtig groovend und federnden Swing („I remember You“) fast bis zum Zerreißen zu dehnen. Mit diesem Klassiker schaffte es das Quartett ohne übliches Abtasten sofort ein begeistert mitgehendes Publikum zu gewinnen.

Don Menza, noch heute ein äußerst vitaler Melodiker, solistisch ohnehin, aber auch in seinen kontrapunktischen Begleitlinien wird er stets nicht nachzuvollziehende Abstraktionen vermeiden. Alles soll hoch qualifiziert und mit seinem klangvollen, gutturalen Sound ausgestattet, einer anspruchsvollen und verständlichen Unterhaltung dienen. Dass Don Menza dabei die Titel in seinem knitzen englisch-deutschen Sprachgemisch würzt, trägt zusätzlich zu einer geradezu typischen amerikanischen Floor-show bei. „Henry verzeih mir“ kündigt er zum Beispiel augenverdrehend nach oben gerichtet seine großartige Interpretation zu Henry Mancinis weltberühmten Titelsong zum Kultfilm „Charade“ an. In höllischem up-tempo, plötzlich in weichen, wunderbar kontemplativen Linien eines Oliver Kent am Piano (auch er ein gern gesehener Gast im Keller) wechselnd, mit der grundsoliden, wieder sehr melodiösen Arbeit von Hans Strasser am Kontrabass, wird dieser Beitrag zu einem vorläufigen Höhepunkt.

Aus einem reichen Leben erzählt

Don Menza beherrscht natürlich auch die entsprechende Dramaturgie. Der musikalischen Hitze folgen zauberhafte Balladen („Old folks“ oder „You my love“) und hierbei spürt man die ganz besondere Inbrunst dieses ausgewöhnlichen Vertreters der Kunstrichtung Jazz. Wenn er sich dabei sogar in ganz kurz gefassten Chorussen der äußerst schwierigen Technik der Zirkularatmung bedient, bleibt einem angesichts seines hohen Alters fast selbst die Luft weg. Wie zur Erholung, eine kurze humorvolle Sequenz aus der Oper „Martha“ aus Respekt zu seinem sizilianischen Großvater.

Der charmante Grandseigneur erzählt unterdessen weiter aus seinem reichen Leben, unzähligen Begegnungen - nicht nur des Jazz - mit den Größen dieser Welt und ist doch wieder dort gelandet. Mit Sonny Rollins, einem der Größten auf ihrem Instrument, dem Tenorsaxofon, verbindet ihn eine lebenslange Freundschaft. Und für ihn und dessen unverwechselbarem Stil ist „Sonny Daze“ gewidmet. Das Gewölbe taucht in eine rhythmisch fiebernde, in relativ einfacher und ohrwurmverdächtiger Karibik-Atmosphäre ein; lateinamerikanischer Jazz von seiner besten Seite.

Selten hat man glücklichere und einheitlich zufriedener Gesichter beim Verlassen eines ausverkauften Jazzkellers gesehen.