Nur zufriedene Gesichter: Stephanie Noland (links) ist über die Hilfe von Familienpflegerin Iris Driemel ebenso froh wie der gerade mal zwei Monate alte Michael und sein friedlich schlummerndes Zwillingsschwesterchen Heidi. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Eine gute Stunde haben Heidi und Michael friedlich in ihren kuschligen Nestchen geschlummert, die Mama Stephanie Noland ihren zwei Monate alten Lieblingen im Wohnzimmer eingerichtet hat. Kaum hat aber Michael lautstark bekundet, dass es mal wieder Zeit für eine kleine Mahlzeit wäre, öffnet auch Zwillingsschwester Heidi ihre Augen. Die Mama bleibt indes gelassen. Denn Iris Driemel, die bei der Familienpflege Esslingen arbeitet und der frisch gebackenen Mutter täglich vier Stunden zur Seite steht, hat bereits die Fläschchen vorbereitet. „Dass Iris hier ist, ist eine riesengroße Entlastung für mich“, sagt die 36-jährige Mutter.

Als Stephanie Noland und ihr Mann erfahren haben, dass die Familie auf vier Köpfe anwachsen wird, war die Freude natürlich riesengroß. „Damals wusste ich allerdings noch nicht, was mich erwartet. Ich bin da ziemlich blauäugig rangegangen.“ Ihre Krankenkasse hatte sie bereits im dritten Schwangerschaftsmonat darauf hingewiesen, dass sie, sofern eine ärztliche Verordnung vorliegt, in den ersten Wochen nach der Geburt Anspruch auf eine Familienpflegerin hat.

Frühe Hilfe zahlt sich aus

Eine Nachricht, die Claudia Pukrop, Geschäftsführerin der Familienpflege Esslingen, freut. „Früher war es bei Mehrlingsgeburten deutlich schwerer, Unterstützung zu bekommen als heute“, berichtet sie. „Die Mütter mussten, um es mal salopp zu sagen, mit dem Kopf unterm Arm daher kommen, bis das geklappt hat.“ Die Folgen dieser engen Auslegung der in der Reichsversicherungsordnung für die gesetzlichen Krankenkassen formulierten Verpflichtung: Das Team der Familienpflege betreut heute viele Familien mit bereits älteren Zwillingen, deren Mütter nach jahrelanger Doppelbelastung psychisch und körperlich so am Ende sind, dass ein akuter Erschöpfungszustand diagnostiziert wurde. „Nun ist den Kassen klar geworden, dass eine frühe Unterstützung der Mehrlingsmütter am Ende Geld spart“, sagt die Geschäftsführerin. „Aber es hat sich wohl noch nicht bei allen Ärzten rumgesprochen, dass die Kassen ihre Sichtweise geändert haben“, vermutet sie. Angesichts des Mangels an Hebammen werde diese Hilfe direkt nach der Geburt der Kinder in Zukunft noch wichtiger, prognostiziert Claudia Pukrop.

Um eine Geburtshelferin zu finden, musste auch Stephanie Noland lange suchen. „Ich war froh, dass ich am Ende überhaupt eine Hebamme gefunden habe.“ Die schaut auch jetzt, acht Wochen nach der geplanten Kaiserschnitt-Geburt, noch regelmäßig nach der Mutter und den beiden Säuglingen. „Sie hat aber so viele Frauen zu betreuen, dass ich vollstes Verständnis dafür habe, dass sie nicht allzu lange bei uns bleiben kann.“ Natürlich hat sich die 36-Jährige schon während der Schwangerschaft auf die beiden neuen Erdenbürger vorbereitet und die obligatorischen Kurse für werdende Mütter besucht. „Aber wenn man dann in der Situation ist, dass beide Kinder gleichzeitig schreien, hilft einem das alles nicht so richtig weiter.“

Als der Papa, der sich für die Geburt zehn Tage Urlaub genommen hatte, wieder arbeiten musste und Iris Diemel noch nicht sofort zur Stelle sein konnte, „ging es hier ziemlich chaotisch zu“, erzählt Stephanie Noland. „Weil ich nicht wusste, wie oft ich die beiden Kleinen füttern muss, habe ich sie dauernd gefüttert und irgendwann so gut wie gar nicht mehr geschlafen.“ Noch nebenher irgend etwas im Haushalt zu erledigen sei illusorisch gewesen. Der größte Wunsch an die Familienpflegerin war, „dass sich das mit dem Füttern irgendwie entspannt“.

Dank des Einsatzes von Iris Driemel ist jetzt sowohl die Küche aufgeräumt als auch die frisch gewaschene Wäsche wieder sauber gestapelt in den Schränken verstaut. „Es ist so schön, dass sich das Chaos gelichtet hat“, sagt Stephanie Noland. Iris Driemel ist gelernte Kinderkrankenschwester. „Dieser Beruf ist für die Familienpflege eher ungewöhnlich“, erklärt sie. „Weil ich aber wieder mehr Zeit mit den Kindern und ihren Familien verbringen wollte, habe ich mich schließlich aus dem Klinikbetrieb verabschiedet.“ Durch ihren Beruf und die eigenen Erfahrungen als Mutter weiß die Familienpflegerin, wie schwer es oft schon mit einem Baby ist, den Alltag zu organisieren und vor allem zu einem geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus zu finden. „Und hier müssen wir das ja gleich mit zwei Kindern schaffen.“ Um Struktur in die Tage und Nächte zu bringen, hält Stephanie Noland akribisch in einem Tagebuch fest, wann und wie viel Heidi und Michael trinken, wann Mama ihnen die Windel wechselt und wie lange sie am Stück schlafen.

Viele hilfreiche Tipps

Seitdem die Mutter des Zwillingspärchens dem Rat der Familienpflegerin folgt, wenn ein Baby nachts schreit auch gleich das andere zu wecken und zu füttern, entspanne sich die Lage deutlich. „Vergangene Nacht hat es sogar geklappt, dass ich nur alle vier Stunden füttern musste.“ Auch viele andere Fragen sind inzwischen geklärt. „Durch die Zeit, in der Iris hier war, fühle ich mich einfach deutlich sicherer im Umgang mit den Babys und habe auch einen Plan, wie ich den Alltag auf die Reihe bringen kann“, sagt Stephanie Noland. Die Fläschchen sind geleert, Heidi und Michael senken zufrieden ihre Augenlider. Zeit für Iris Driemel, den Kinderwagen startklar zu machen - und der Mama zu einem Stündchen Schlaf zu verhelfen.

Der Beruf Der Familienpflegerin

Die Aufgaben: Wenn Mutter und Vater aufgrund einer Erkrankung die Kinder nicht mehr versorgen können, springt die Familienpflege Esslingen, eine gemeinnützige GmbH, ein. Die Fachkräfte unterstützen die Familie und halten den gewohnten Tagesablauf aufrecht. So führt eine Familienpflegerin oder ein Familienpfleger den Haushalt weiter, betreut die Kinder, versorgt Säugling und Mutter nach der Entbindung und hat Zeit für die Kinder sowie andere Aufgaben. Zum Aufgabenfeld der Familienpflege Esslingen gehört auch das „Training Alltag für Familien“ (TAFF): Im Auftrag des Jugendamts erhalten Familien, die aus verschiedenen Gründen einen erhöhten Unterstützungsbedarf haben, Anleitung in den Bereichen Haushaltsführung und im Umgang mit den Kindern. „Der Beruf der Familienpflegerin besteht zu je einem Drittel aus pflegerischen, pädagogischen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten “, erklärt Claudia Pukrop, Geschäftsführerin der Familienpflege Esslingen. „Wir sind allerdings keine Putzfrauen auf Krankenschein“, verdeutlicht sie. Die Familienpflege Esslingen ist nicht konfessionell gebunden und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Die Ausbildung: Wer sich zur Familienpflegerin oder zum Familienpfleger ausbilden lassen möchte, muss mindestens 17 Jahre alt sein, einen Hauptschulabschluss sowie Erfahrung im Umgang mit Kindern haben. Einfühlungsvermögen, Kreativität, Belastbarkeit sowie Freude an hauswirtschaftlichen Tätigkeiten sind ebenfalls Voraussetzung. Die Ausbildung ist unterteilt in eine zweijährige Schulzeit an der Berufsfachschule für Familienpflege in Korntal, eine Einrichtung der evangelischen Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal. Die 90 Euro Schulgeld im Monat übernimmt die Familienpflege Esslingen. Der Fachschule folgt ein einjähriges Anerkennungspraktikum bei der Familienpflege Esslingen „mit tariflicher Vergütung“, betont Claudia Pukrop. „Danach ist dann eine Übernahme in Festanstellung möglich.“ Denn Nachwuchs ist dringend gesucht.

Kontakt: mail@familienpflege-es.de, www.familienpflege-es.de oder Tel. 07 11/36 55 622.