Im Servicezentrum des Esslinger Finanzamtes treffen Kunden und Mitarbeiter der Behörde zusammen, wie Ausbildungsleiter Ralph Sautter erläutert. Wer reinkommt, muss eine Nummer ziehen. Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Niemand zahlt gerne Steuern. Schon deshalb nicht, weil man in der Regel gar nicht so recht weiß, was der Staat mit diesem Geld anstellt. Finanzamtsleiter Hansjörg Pflüger, Ausbildungsleiter Ralph Sautter sowie Rose Schmid und Nina Marxer vom Ausbildungsteam der Behörde wissen es natürlich. Ohne Steuereinnahmen gäbe es keine Schulen und Kindergärten, keine Krankenhäuser, keine Polizei oder Museen, es gäbe weder Wissenschaft noch Forschung und keinen öffentlichen Nahverkehr.

Fünf Schülerinnen und zwei Schüler sind nach einem Schnuppertag zur beruflichen Orientierung im Esslinger Finanzamt in der Entengrabenstraße nun um etliche Erfahrungen reicher. Etwa um die, dass der „typische“ verknöcherte und humorlose Steuerbeamte zumindest in heutigen Zeiten ein Fantasiegebilde ist. Die sieben Schülerinnen und Schüler im Alter bis zu 17 Jahren haben sich jedenfalls ganz bewusst dafür entschieden, einmal hinter die Kulissen des Finanzamtes zu blicken. In der Schule sind sie meist durch Flyer auf diese Möglichkeit aufmerksam geworden, „und das klang spannend“, sagt ein Teilnehmer. Also: „Mal gucken, wie es hier so ist.“

Frauen klar in der Mehrheit

Einige Informationen kommen vom Chef Hansjörg Pflüger, der seit sechs Jahren das Amt leitet. Demnach wird der Außendienst, also etwa die Steuerprüfung in den Betrieben, immer wichtiger. Mehr als die Hälfte aller Steuererklärungen werden mittlerweile auf elektronischem Weg eingereicht und natürlich bietet das Finanzamt auch Ausbildungsplätze an: Zehn im gehobenen und sieben im mittleren Dienst - bis September/Oktober sollte man sich beworben haben. 256 Stellen gibt es in der Behörde an der Entengrabenstraße, viele davon sind mit Teilzeitkräften besetzt. „Flexible Arbeitszeiten sind also möglich“, sagt Pflüger vor allem mit Blick auf weibliche Arbeitskräfte. Das scheint zu funktionieren: Im Finanzamt sind überwiegend Frauen tätig.

Rund eine Milliarde Euro fließen alljährlich in die Kasse des Esslinger Finanzamtes und dafür gibt es immerhin 37 Steuerarten, wie Nina Marxer den staunenden Schülern erzählt. Früher habe es sogar mal um die 60 gegeben. Die Umsatz- und Mehrwertsteuer bilden die größte Einnahmequelle, während die Einkommensteuer jene Abgabe ist, mit der sich jeder Bürger früher oder später aktiv beschäftigen muss, wenn er Geld verdient.

Entsprechend ausführlich geriet der Ausflug in die für viele eher unverständliche Welt der Einkommensteuererklärung. Und weil Theorie zwar den nötigen Unterbau liefert, aber niemals die Praxis ersetzen kann, ließen Nina Marxer und Rose Schmid die Schülerinnen und Schüler am „lebenden“ Objekt üben: Eine Steuererklärung musste ausgefüllt und auf den Weg gebracht werden, den die jungen Leute sodann Station für Station auf den weitläufigen Gängen des Finanzamtes nachvollzogen. Die Formulare müssen registriert, gescannt, korrigiert, versendet und in Akten archiviert werden. Und obwohl sich das Papier nicht zuletzt auch wegen der elektronischen Steuererklärung Elster auf dem Rückzug befindet, boten sich den Schülern jede Menge mit Akten gefüllte Hängeregale.

Das Ergebnis erfreut

Am Ende des Verfahrens steht sodann der Einkommensteuerbescheid, der zentral von der Oberfinanzdirektion Karlsruhe an die Steuerzahler im Land verschickt wird. Dafür sind die 81 Finanzämter in Baden-Württemberg dann nicht mehr zuständig. Übrigens: Die sieben Schülerinnen und Schüler haben sich am Computer ihren fiktiven Steuerbescheid quasi selbst ausgestellt. Und das Ergebnis war in allen Fällen erfreulich: Das Finanzamt muss den jungen Leuten Steuern zurückzahlen.

die aktion betriebsferien

Seit 2005 gibt es im Landkreis Esslingen die Aktion Betriebsferien für Schülerinnen und Schüler von 13 Jahren an. Organisiert und betreut wird das Projekt von Miriam Zahn von der Wirtschaftsförderung im Esslinger Landratsamt. Für dieses Jahr ist die Anmeldefrist bereits abgelaufen.

Es haben sich im laufenden Jahr 48 Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Branchen an der Aktion beteiligt und insgesamt 54 Termine zur Auswahl angeboten. Jeder Jugendliche konnte bis zu drei Termine besuchen.

Durch das Projekt Betriebsferien können sich junge Leute direkt in den Unternehmen über viele Ausbildungsberufe informieren. Sie lernen Firmen von innen kennen und erfahren etwas über die Voraussetzungen für die Ausbildung. Laut Miriam Zahn nutzen aber mittlerweile auch einige Betriebe das Projekt, um künftige Auszubildende für ihre Branche zu interessieren.

Auch 2017 wird es das Projekt Betriebsferien geben. Ein Terminheft liegt dann rechtzeitig im Landratsamt Esslingen, in Städten, Gemeinden, Jugendhäusern und in vielen Schulen aus.