Geballte Männerpower - aber nur, wenn sich Jens Kemmler, Tobias Beran, Florian Howorka und Fabian Fegert (von links) mal auf einen Kaffee treffen. In ihren Teams sind die Erzieher meistens allein unter Frauen. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Sie haben weder das Lego-Diplom, noch spielen sie ständig Fußball, sondern setzen sich ebenso mit an den Basteltisch wie ihre Kolleginnen. In den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen gehören Tobias Beran, Fabian Fegert, Florian Howorka und Jens Kemmler dennoch zu den Exoten. Denn bei der Stadt arbeiten zurzeit lediglich zwölf männliche Erzieher und Kinderpfleger. Die restlichen Stellen sind in Frauenhand. Wie ihren Kolleginnen geht es den Männern darum, die ihnen anvertrauten Kinder unabhängig vom Geschlecht zu fördern und zu unterstützen. Sie wollen aber auch tradierte Rollenmuster aufbrechen und deutlich machen, dass Erziehung nicht nur Frauensache ist.

„In meiner Kindheit war das alles noch ziemlich traditionell“, sagt Fabian Fegert, der in der städtischen Kindertagesstätte Neckarstraße arbeitet. Sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule lag die Erziehung in Frauenhand. „Erst in der fünften Klasse haben wir dann auch mal Lehrer gehabt.“ Dass Männer von ihm und seinen Klassenkameraden an der Realschule Oberesslingen eher als Autorität akzeptiert wurden, daran erinnert sich Tobias Beran. „Die Lehrerinnen galten als die Sanftmütigeren. Da waren die alten Rollenmodelle auch bei uns Schülern noch voll da“, erzählt der Leiter des Kindergartens Färbertörlesweg. Und denen ist er zunächst auch selbst gefolgt.

Während seines Berufspraktikums, das der Realschüler in der Kita Entengrabenstraße absolviert hatte, hat Tobias Beran zwar gemerkt, dass ihm die Arbeit mit Kindern liegt. „Das wurde mir auch von den Erzieherinnen dort bestätigt.“ Weil es zuhause aber hieß, „dass ich doch lieber eine handwerkliche Ausbildung machen soll“, ging’s erst mal in eine Schreinerei. „Da hab’ ich dann aber gemerkt, dass mir das Technische einfach nicht liegt.“

Tradierte Rollenmuster

Dass die tradierten Rollenmuster noch nicht völlig aus den Köpfen verschwunden sind, merkt Florian Howorka, wenn es um technisch orientierte Angebote für die Kinder geht. „Da hören wir dann schon öfter, dass wir uns mit Holzarbeiten doch sicher besser auskennen.“ Natürlich sei es im Kreis der Kolleginnen und Kollegen Konsens, „dass wir die Kinder geschlechtsneutral erziehen“, sagt der Erzieher, der kein Problem damit hat, beim Rollenspiel auch mal selbst in ein Kleid zu schlüpfen. „Aber es gibt eben doch vieles, was uns unbewusst beeinflusst.“ Deshalb ist es Jens Kemmler wichtig, den Kindern deutlich zu machen, „dass jeder seine eigenen Fähigkeiten hat, dass auch die Erwachsenen nicht alles können, und dass das vor allem ganz unabhängig vom Geschlecht ist“.

Er arbeitet im Kindergarten Fröbelweg in Zell, studiert „nebenher“ in Koblenz noch Pädagogik der frühen Kindheit. „Denn als Sozialpädagoge bekommt man einfach mehr Anerkennung.“ Unter mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung, die sich nicht zuletzt in der Bezahlung niederschlage, leiden zwar auch die Kolleginnen. „Aber bei uns wird zusätzlich oft noch die Geschlechterkeule ausgepackt, halt eben anders herum“, sagt Fabian Fegert. So sei er vor einigen Jahren wegen seines Berufs manchmal „regelrecht verarscht worden“. Inzwischen entspanne sich die Lage zum Glück. „Die Diskriminierung bricht allmählich auf.“

„Nur positives Feedback“

Was Frauen erleben, die in Männerdomänen arbeiten, kann sich Tobias Beran vorstellen, seitdem er die Leitung des Kindergartens Färbertörlesweg übernommen hat. „Es gab da schon ein Gerangel“, berichtet der Erzieher, der noch eine Zusatzausbildung zum Fachwirt für Organisation und Führung gemacht hat. „Ich habe manchmal auch Ellbogen gebraucht und musste meine Entscheidungen gegenüber den Kolleginnen mehr begründen als das von einer Frau verlangt worden wäre.“ Verglichen mit seinen Anfangsjahren, steige aber die Anerkennung im Freundeskreis. „Früher bin ich gefragt worden, ob ich ein Diplom im Legobauen habe, heute fragt man, wie ich denn dieses oder jenes Problem mit meinem Team löse.“

Zum Alltag der Erzieher gehört aber nicht nur die Betreuung der Kinder, sondern auch der Austausch mit den Eltern. Und da machen die Männer positive Erfahrungen. „Ich gehe offen auf die Eltern zu und gebe ihnen das Gefühl, dass sie mit Fragen jederzeit auf mich zugehen können“, sagt Florian Howorka. Bisher habe er „nur positives Feedback“ bekommen. Auch Fabian Fegert hat in Esslingen „noch nie eine abwertende Haltung der Eltern mir als Mann gegenüber erlebt“. Geht es um Männer in der Kinderbetreuung „schwingt das Thema, dass wir alle Sexualstraftäter sind, aber immer latent mit“, bedauert er.

Die Mitarbeiter schützen

Ein Problem, das Birgit Schroth und ihre Kolleginnen in der Fachberatung Kindertageseinrichtungen kennen. „In mehr als 30 Jahren in der Fachberatung gab es bezüglich sexueller Übergriffe noch nie Mutmaßungen gegenüber Mitarbeiterinnen“, berichtet sie. „Sobald in einer Einrichtung aber ein gemischt-geschlechtliches Team arbeitet, ist das Thema auf dem Tisch, obwohl es objektiv absolut nicht begründbar ist.“ Da man als Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Fürsorgepflicht hat, „sind wir da sehr wachsam und sensibel, etwa wenn’s ums Thema Wickeln geht“, erläutert die Fachberaterin. „Denn wir müssen unsere Mitarbeiter schützen.“ Dafür ist Jens Kemmler dankbar. „Wenn auch nur ein Mal ein falscher Verdacht auf einen von uns Männern fällt, dann ist das das Aus. Da haben es die Frauen deutlich leichter als wir.“

Nur drei Prozent Männer

Ob Männer in Kitas tatsächlich einen Unterschied machen, ist zwar wissenschaftlich nicht belegt. „Da die männlichen Erzieher als Jungen sozialisiert sind, verhalten sie sich jedoch anders und bereichern das Leben in unseren Einrichtungen“, sagt Bernd Berroth, Leiter des Amts für Bildung, Erziehung und Betreuung. So hat er den Eindruck, dass Männer auf kleinere Raufereien oder einen aggressiven Tonfall mitunter gelassener reagieren. „Weil sie es selbst erlebt haben, gehen sie anders damit um.“ Zudem seien die städtischen Kindertagesstätten und Kindergärten keine Inseln „Dort soll die gesellschaftliche Realität abgebildet und deutlich gemacht werden, dass Erziehung auch Männersache ist.“ Gerade im Hinblick auf die zunehmende Zahl Alleinerziehender sei es wichtig, „dass die Kinder schon früh auch Männer in der Erziehung erleben. Denn in den Grundschulen muss man die Lehrer ja auch mit der Lupe suchen.“ Obwohl der Männeranteil in den städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen nach Auskunft des Amtsleiters zurzeit nur bei rund drei Prozent liegt, „gehen wir nicht in die Offensive und starten irgendwelche Kampagnen“. Erzieher seien in den Kinderbetreuungseinrichtungen sehr willkommen. „Nach dem Gleichstellungsgesetz dürfen wir Männer aber nicht bevorzugen.“