Inmitten der Trümmer haben die Vierbeiner einen Menschen gewittert, zu dem danach Sprechkontakt aufgenommen werden konnte. Foto: oh - oh

Sieben Menschen und vier Hunde der Rettungshundestaffel SAR Germany sind ehrenamtlich im italienischen Erdbebengebiet im Einsatz gewesen. Inmitten der Trümmer haben die Vierbeiner einen Menschen gewittert, zu dem danach Sprechkontakt aufgenommen werden konnte. Für die Ehrenamtlichen ist das ein wunderbarer Lohn. Am Freitagnachmittag ist das Team der SAR, die ihren Sitz in Esslingen hat, wieder in Stuttgart gelandet.

Von Karin Ait Atmane

Die Esslinger waren im komplett zerstörten Dorf Amatrice eigentlich erst auf dem Weg zur Einsatzzentrale, als ein lokaler Helfertrupp am Wegesrand sie bat, ihre Hunde loszuschicken. Nur ein paar Minuten dauerte es, bis Canito bellend anschlug. Danach gelang es den Italienern, von dieser Stelle aus Rufkontakt zu einem verschütteten Menschen aufzunehmen. Die Mitglieder der SAR sahen noch, wie eine Menschenkette gebildet und Trümmer weggeräumt wurden. „Wir wissen nicht, was rausgekommen ist“, sagt Einsatzleiter Carsten Holzer. Aber gerade in solchen Fällen, wenn von Hand freigeräumt werde, sei Hoffnung berechtigt.

Situationen wie diese, in denen die Hundeführer tatsächlich ein Lebenszeichen von Verschütteten miterleben, sind eher selten, weil  sie möglichst zügig weiter suchen. Denn nach solchen Katastrophen drängt die Zeit, um Überlebende finden zu können. Aber alleine dieses Erlebnis motiviert und belohnt für viele Einsätze. Die Rettungshunde sind die ersten, die bei einer solchen Katastrophe vor Ort gebraucht werden. Entsprechend schnell müssen die Rettu ngsorganisationen reagieren.

Würth hilft mit Firmenflieger

Nachdem Carsten Holzer am Mittwochmorgen die Nachricht vom Erdbeben gehört hatte, hängte er sich ans Telefon, denn die Hunde der SAR sind für die Trümmersuche geschult. Noch im Lauf des Vormittags war klar, dass ein Team zusammen kam.  Ein Linienflug fand sich nicht, dafür half die Firma Würth in Künzelsau wie schon einmal mit einem ihrer Firmenflieger aus und organisierte auch gleich die Start- und Landeerlaubnis. In einem bis zum Anschlag vollen Flugzeug – das Gepäck musste aus den Alukisten in Seesäcke umgepackt werden, damit es reinpasste – startete die Esslinger Gruppe dann am Nachmittag. Für die Teammitglieder Felix Wilde und Steffen Fischer war es der erste Einsatz nach einem Erdbeben, für Hündin Svetla von Martina Schaupp ebenfalls. Silke Voigt de Silva mit Canito und Anja Fiedler mit Filou brachten wie Alexander Hahn mit Amy und Carsten Holzer bereits Erfahrung mit.

Am Flughafen in Pescara wurde die Gruppe vom italienischen Katastrophenschutz abgeholt und sofort nach Accumoli gebracht. Von dort ging es, dann schon am Donnerstag, weiter nach Amatrice. Zwei Stunden dauerte die Fahrt auf streckenweise zerstörten Straßen; beim Rückweg am Abend sogar doppelt so lange, weil inzwischen wegen Nachbeben die Brücken eingestürzt waren, die sie noch am Morgen passiert hatten.

Amatrice bot den Rettern ein Bild der Zerstörung. Die Gassen und Straßen waren unter einer zwei Meter hohen Schicht von Trümmern und Schutt begraben. Die Esslinger bekamen nach dem schon erwähnten Spontaneinsatz einen Bereich zugewiesen, den sie absuchten. Das Vorgehen werde  gemeinsam besprochen, vor Ort sei es extrem wichtig, „dass das Team zusammenhält, dass man nacheinander schaut“, sagt Alexander Hahn. Auch hier machte ein Hund Meldung, dieses Mal Filou – so eindeutig, dass man davon ausgehen kann, dass er einen lebenden Menschen gewittert hat.

Emotionen bleiben bei den Helfern weitgehend ausgeschaltet. Man mache seine Aufgabe – verarbeitet würden die Bilder erst später, wenn man der Familie von dem Erlebten erzähle, sagen sie. Die Menschen im Katastrophengebiet wirkten auf sie meist apathisch, die Helfer konzentriert und ruhig. Die Organisation und Versorgung durch die italienische Katastrophenhilfe haben die Deutschen als erstklassig erlebt, an Notstationen seien alle versorgt worden, ob Freiwillige oder Zivilbevölkerung. Das empfanden sie als sehr positiv.

Beben geht durch Mark und Bein

Nur einmal war stärkere Unruhe zu spüren, als ein heftiges Nachbeben den Ort erschütterte und weitere Gebäude einstürzten. „Das kommt aus dem Nichts“, sagt Carsten Holzer, „das ist auch mit nichts zu vergleichen, das geht durch Mark und Bein und einfach alles wackelt“.  Die Esslinger standen da zum Glück gerade am Sammelpunkt im Park.

Am späten Donnerstagnachmittag erklärten die örtlichen Behörden die Suche mit Hunden für beendet. Denn irgendwann müssen Maschinen ran, um die Toten zu bergen und so Seuchen vorzubeugen. Am Freitagmittag flog die SAR-Rettungshundestaffel zurück, mit deutlich leichterem Gepäck: Was die Menschen vor Ort gebrauchen können, ließen die Retter dort. Wieder in Deutschland, noch vor dem Duschen und Schlafengehen, gaben Carsten Holzer und Alexander Hahn todmüde ein Interview beim SWR-Fernsehen. Und am Wochenende wurde im Vereinsheim in Wäldenbronn ausgepackt, aufgeräumt und Bestandsaufnahme gemacht, um nächste Woche aufzufüllen. Dafür werden Spendengelder gebraucht.

Alle sind gesund wieder zurück, nur die Hündin Amy muss zur Physiotherapie, um Blockaden an der Wirbelsäule zu lösen. Die ganz schlimmen Bilder von toten und verstümmelten Menschen sind den Helfern dieses Mal zum Glück erspart geblieben.

Suchen und Retten

SAR ist der internationale Begriff für suchen und retten. Die Hilfsorganisation SAR Germany, die ihren Sitz in Esslingen hat, macht es sich seit ihrer Gründung 2002 mit ihren Rettungshunde-Teams zur Aufgabe, weltweit nach Katastrophen Menschenleben zu retten. Sie führt auch Medikamente und Verbandsmaterial mit sich. Die Teams sind innerhalb von drei bis fünf Stunden einsatzbereit. Im Einsatz waren sie schon auf verschiedenen Kontinenten.

Die Einsatzfähigkeit wird in regelmäßigen Abständen überprüft. Dafür sucht die Organisation zum Beispiel Abbruchgelände, auf denen die Teams auf Trümmerfeldern und damit realistischen Einsatzbedingungen üben können. Menschen werden dann im Gelände versteckt, die Hunde müssen sie selbstständig und ohne Anleitung suchen. Auf den Trümmerfeldern trainieren sie gleichzeitig ihre Trittsicherheit. Als Suchhunde sind im Prinzip alle Hunderassen geeignet. Sie dürfen nur nicht zu schwer sein, damit sie nicht in Hohlräume einbrechen.

SAR Germany hatte 2015 mehr als 50 Mitglieder. Die Retter sind ehrenamtlich tätig, die Organisation finanziert sich ausschließlich über Spenden und Zuwendungen. Ein internationaler Einsatz kann 10 000 Euro kosten. Spendenkonto: Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, IBAN: DE78611500200008556556 BIC: ESSLDE66XXX

Weitere Informationen über die Arbeit der Rettungshundestaffel sind im Internet unter www.sar-germany.de zu finden.