Die Eberspächer-Zentrale in Esslingen. Fotos: oh Quelle: Unbekannt

Von Sabrina Erben

Esslingen - Um 11 Uhr informierte die Geschäftsleitung den Betriebsrat. Um 15 Uhr gab es gestern eine Mitarbeiterversammlung bei Eberspächer. Es waren keine guten Nachrichten, die Martin Peters, einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter, der Belegschaft im Esslinger Werk 3 überbrachte. Zwei Fertigungslinien für Standheizungen werden nach Polen verlagert. 150 Stellen fallen dieser Maßnahme zum Opfer. „Der Standort Esslingen ist in der Summe gerade noch profitabel. Aber in der Zukunft hätte sich das geändert. Die Verlagerung ist die wesentliche Maßnahme, die Profitabilität wieder zu erhöhen und zu erhalten“, sagte Eberspächer-Chef Heinrich Baumann gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Produkte mit einem hohen manuellen Anteil können in Esslingen nicht mehr wettbewerbsfähig hergestellt werden. „Wir wissen, dass diese Nachricht eine intensive Stimmung in der Belegschaft erzeugen wird“, sagte Baumann. Es gebe aber keine Alternative. Die vorgesehene Auslandsproduktion diene nicht nur der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Produkte, sondern des gesamten Unternehmens.

Das Werk im polnischen Olawa ist im Frühjahr dieses Jahres fertiggestellt worden. Heute arbeiten dort 100 Mitarbeiter. Erst im April wurde die Produktion der Luftheizung Airtronic von Esslingen nach Olawa in der Nähe von Breslau im früheren Schlesien verlagert. Seit längerem denken die Esslinger schon über die Errichtung eines zentralen europäischen Auslieferungslagers nach. Als Standort war dafür auch Esslingen im Gespräch. Nun wird das Lager aber in Polen entstehen.

Betriebsrat will kämpfen

„Wir sind wie vor den Kopf gestoßen“, sagte der stellvertretende Betriebsratschef Fatih Demirkol gestern. Auch die Mitarbeiter reagierten betroffen. „Das war in diesem Umfang nicht zu erwarten“, sagte Demirkol. Der Ankündigung der Geschäftsleitung folgen nun die Verhandlungen über den Stellenabbau. „Wir werden als Unternehmen alles dafür tun, dass es von unserer Seite professionelle Verhandlungen gibt“, sagte Baumann. Demirkol kündigte einen massiven Kampf um die Produktion an. „Das werden harte Verhandlungen.“ Die Verlagerung soll bis Herbst 2017 umgesetzt werden.

Was bedeutet die Maßnahme für den Standort Esslingen mit seinen 1300 Mitarbeitern? „Die Produktion wird massiv heruntergefahren“, sagte Demirkol. Hochtechnologische Produkte sollen Baumann zufolge aber nach wie vor in Esslingen produziert und entwickelt werden. „Esslingen ist das Entwicklungszentrum für Europa. Alle Abgasanlagen für europäische Kunden werden in Esslingen entwickelt“, sagte Baumann. Eberspächer habe in den vergangenen Jahren stark in Forschung und Entwicklung investiert. „150 Millionen Euro alleine im letzten Jahr. Etwa die Hälfte fließt nach Esslingen.“ Im Gegenzug zu den Stellenkürzungen in der Produktion sollen am Standort 50 neue Jobs im Vertrieb und in der Entwicklung geschaffen werden. „Das sind keine fertigungsnahen Stellen“, erklärte Baumann. Es gebe zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Planungen, am Standort weitere Stellen abzubauen. „Wie das in fünf oder zehn Jahren aussieht, kann man jetzt noch nicht sagen“, sagte der Eberspächer-Chef. Man habe aber neue Produkte wie die Standheizung Airtronic 2 entwickelt, die darauf ausgerichtet seien, an einem Hochlohnstandort produziert werden zu können.

Eberspächer stehe wirtschaftlich auf soliden Füßen. „Wir haben ein solides erstes Halbjahr hinter uns.“ Man werde dieses Jahr allerdings kein so hohes Wachstum wie in den vergangenen Jahren generieren - vor allem durch gute Geschäfte mit Abgasanlagen in den USA und Europa legte die Gruppe 2015 überraschend um 21,5 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro zu. Auch die Kartellstrafe ist Baumann zufolge verdaut. Die Esslinger mussten eine Strafe in Höhe von 86,2 Millionen Euro bezahlen, weil Eberspächer und das Unternehmen Webasto aus Stockdorf zehn Jahre lang gegen das EU-Kartellrecht verstoßen hatten. „Die Kartellstrafe ist ein Thema der Vergangenheit. Es war eine hohe Belastung, aber das ist durch“, sagte Baumann.

Die Eberspächer-Gruppe wappnet sich für die Zukunft. Am kriselnden Standort in Neunkirchen im Saarland wurden bereits 350 Stellen abgebaut. Nun kommt die Verlagerung nach Polen. Für das Unternehmen steht die Internationalisierung zunehmend im Fokus. „Über 70 Prozent des Umsatzes generieren wir im Ausland“, sagte Baumann. „Wir sind gerade dabei, ein Werk in Oradea in Rumänien für den Abgasbereich hochzufahren, und wollen unsere Fertigungskapazitäten noch weiter ausbauen.“ Die Eberspächer-Gruppe denkt dabei auch über neue Standorte in Mexiko und China nach. „Auch weitere Zukäufe sind möglich.“ Um die Technologieführerschaft bei elektrischen Fahrzeugheizungen auszubauen hat die Unternehmensgruppe dieses Jahr ein PTC-Werk in Thüringen gekauft.

Die Eberspächer-Gruppe

Das Esslinger Familienunternehmen Eberspächer zählt zu den führenden Systementwicklern und -lieferanten für Abgastechnik, Fahrzeugheizungen und Bus-Klimasysteme. Auch bei Klimasystemen für Sonderfahrzeuge und in der Fahrzeugelektronik ist Eberspächer tätig. 2015 erwirtschaftete Eberspächer einen Umsatz von 4,37 Milliarden Euro, davon wurden 67,4

Prozent im Ausland erzielt. Unter

dem Strich wurden 29,2 Millionen

Euro Verlust gemacht. Grund dafür war eine EU-Kartellstrafe.

Der größte Geschäftsbereich Abgastechnik steuerte 3,84 Milliarden Euro zum Umsatz bei. Mit Fahrzeugheizungen wurden 472,4 Millionen Euro erwirtschaftet.