Alexander Mauz, Pfarrerin Sabine Nollek, Erika Nirk und Walter Lazarek wollen auf die Schönheiten des Kirchleins aufmerksam machen. Dazu zählt auch das Altarbild in ihrem Rücken, ein Frühwerk des Künstlers Hans Gottfried von Stockhausen. Fotos (3): Kaier Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Der Heilige Michael gilt im Quartett der vier Erzengel als Bezwinger des Teufels, Beschützer der Gläubigen und Seelenbegleiter der Toten in den Himmel. Seit nunmehr 825 Jahren hält er seine Hände über die gleichnamige Berkheimer Kirche, die weithin sichtbar hoch auf einem Bergvorsprung liegt. Jedenfalls ist das eher kleine Gotteshaus in einer Urkunde von 1191 erstmals namentlich erwähnt, als Papst Cölestin III. die Übereignung der Kirche St. Michael und des dazu gehörigen Kirchenguts an das Kloster Denkendorf bestätigt. Ein Jahr zuvor hatte Berkheim seine kirchliche Selbstständigkeit verloren - was ebenfalls schriftlich belegt ist und als erste Erwähnung der Gemeinde Berkheim gilt.

Wahrscheinlich noch älter

Vermutlich stand auf dem Hügel aber schon länger ein Kirchlein. Denn Michaelskirchen gehören zu den ältesten im frühen Mittelalter, weiß die evangelische Pfarrerin und Hausherrin Sabine Nollek, die anlässlich des 825-jährigen Jubiläums ihres Gotteshauses einen Kirchenführer zusammengestellt hat. Vor der Michaelskirche befand sich dort vielleicht sogar schon eine vorchristliche Kultstätte. Das Landesamt für Denkmalpflege vermutet in seiner Esslinger Denkmaltopographie jedenfalls, dass die Kirche im 7. oder 8. Jahrhundert gegründet wurde. Die dicken Mauern deuten auf die Romanik hin.

Freilich hat das heute starke 180 Plätze fassende Kirchlein über die Jahrhunderte zahlreiche Veränderungen erfahren. Zum Beispiel hat es die Konfession gewechselt: 1535 ist es mit dem Kloster Denkendorf evangelisch geworden. Aber auch äußerlich sichtbar hat sich immer wieder etwas verändert. 1508 erhielt der rechteckige Saalbau einen Chor, 1841/42 eine ausführliche Verschönerungskur samt einer außergewöhnlichen Biedermeierorgel. Und Anfang der 1950-er Jahre kam dann ein Altarbild von Hans Gottfried von Stockhausen dazu, an das sich der für seine Glasmalerei bekannte Künstler bei einem Besuch der Michaelskirche vor zwölf Jahren gar nicht mehr erinnert haben soll.

„Ich bin dort getauft, konfirmiert und getraut worden“, beschreibt Walter Lazarek vom Berkheimer Heimatverein seine Beziehung zur Michaelskirche. Alexander Mauz vom Bürgerausschuss hat diese Triple wie andere jüngere Berkheimer nicht geschafft. Denn 1977 ist die Osterfeldkirche eröffnet worden. Sie dient für die heute 2850 Glieder der Berkheimer Kirchengemeinde - die noch immer selbstständig ist - als Hauptkirche. Ihr älteres Pendant ist heute besonderen Gottesdiensten wie Hochzeiten und Taufen, aber auch jahreszeitlichen Festen vorbehalten. Und sie ist der Ort, an dem sich die Gläubigen von ihren verstorbenen Angehörigen, Freunden und Bekannten verabschieden.

Herzstück von Berkheim

„Die Michaelskirche ist immer das Herzstück Berkheims geblieben. Sie ist die Kirche, mit der sich die Menschen vor Ort identifizieren“, sagt Nollek. Das belegen auch zahlreiche Spendenaktionen quer durch die Jahrhunderte. Erika Nirk vom Heimatverein findet das alles andere als selbstverständlich, zumal das Dorf sehr arm war. „In jedem zweiten Keller stand ein Webstuhl.“ Heutzutage gelangt man über eine Tür auf der Südseite ins schmale Gotteshaus. Im Chor macht Stockhausens Altarbild einen Christus sichtbar, den der Künstler noch unter dem Eindruck von Krieg und Gefangenschaft geschaffen hat. „Das Wunder der Auferstehung inmitten einer zerstörten Welt“, beschreibt Nollek in ihrem Kirchenführer das Thema. Es zeigt Christus, der aus seiner Grabstätte steigt, und im Hintergrund die Ruinen Stuttgarts. Auf der linken Altartafel daneben trauern zwei Frauen vor drei leeren Kreuzen, auf der rechten ist der Seher Johannes auf der Insel Patmos abgebildet - vor Engeln, die Zornesschalen über diese Welt ergießen, und einem Baum als göttlichem Hoffnungszeichen.

Bis 1929 war der Chor der zweiten Kostbarkeit im Inneren der Kirche vorbehalten: der Orgel, die die Jahreszahl 1841 trägt. Die Gemeindeglieder hatten 300 Gulden für eine Biedermeierorgel gesammelt. Und 1991 noch einmal 100 000 Deutsche Mark, um sie professionell restaurieren zu lassen. Das denkmalgeschützte Exemplar ist eine der wenigen erhaltenen romantischen Dorforgeln aus dem 19. Jahrhundert, Orgelbauer Gruol aus Bissingen hat sie gebaut. Heute steht sie auf der Empore auf der gegenüberliegenden Seite.

Heute ist der Innenraum heller

Vergleicht man das heutige Interieur der Kirche mit alten Fotos, wirkt die Kirche jetzt deutlich heller. Die hölzerne Empore, die seit 1841/42 über eine Treppe von außen zu erreichen ist, ist immer weiter zurückgebaut worden. In diesen Jahren im 19. Jahrhundert ist im Inneren der Kirche viel gemacht worden. Ebenso 1929 bis 1931. Bei der großen Innenrenovierung 2011, die mehr als 200 000 Euro gekostet hat - und wiederum von Spendern unterstützt wurde - hat man in Abstimmung mit dem Denkmalamt an die Jahre 1841/42 angeknüpft. Seitdem hat die Michaelskirche wieder ihren blassblauen bis -grauen Deckenanstrich. Seitdem hat sie aber auch einen breiteren Mittelgang, sodass der Sarg bei den Trauerfeiern nicht mehr draußen bleiben muss - und die Brautleute nicht mehr gequetscht zum Traualtar schreiten müssen. Die elfenbeinfarben gestrichene Kanzel trägt das Datum 1699. „Erst mit den langen Predigten im 17. und 18. Jahrhundert wurden Kanzeln, Sitzbänke und Emporen notwendig“, erläutert Pfarrerin Nollek.

Der Kirchenschatz

Ab 1739 wurde die Berkheimer Kirchengemeinde von Nellingen aus versorgt, erst 1841/42 wird sie von eigenen Pfarrverwesern betreut, die auch in der Gemeinde wohnen. Für Nollek vielleicht auch mit ein Grund dafür, warum ab dieser Zeit mehr Geld in das Erscheinungsbild der Kirche geflossen ist.

Den vermeintlich größten Batzen fanden Handwerker, als sie 2011 den Altar versetzten. Beim Abmauern fiel ihnen eine Schatulle mit 51 Geldnoten im Wert von je bis zu fünf Milliarden Mark in die Hände. Die hatte man 1929 bei der Errichtung des Altars mit zwei Eßlinger Zeitungen vom 27. und 30. September 1929 und ein paar mehr Erinnerungsstücken eingemauert. Die Inflation ließ grüßen.

Fotowettbewerb und Führungen am Tag des Offenen Denkmals

Die Michaelskirche im Sucher: Zum 825-Jahr-Jubiläum der Berkheimer Michaelskirche hat der Heimatverein Berkheim einen Fotowettbewerb ausgeschrieben. „Wir sind uns sicher, dass so manche tolle Aufnahme von unserer Michaelskirche existiert, die noch nie veröffentlicht wurde“, heißt es im Ausschreibungstext. Einzige Bedingung ist, dass auf dem Foto die Michaelskirche zu sehen ist. Der Wettbewerb wird in drei Kategorien gegliedert: Michaelskirche vor 1945, Michaelskirche 1945 bis 1990, Michaelskirche 1990 bis 2016. Die eingereichten Fotos, egal ob in Farbe, Schwarz-Weiß oder Abzug vom Dia, werden bei der Kirbe am 9. Oktober im Alten Rathaus ausgestellt, von allen Gästen als Jury bewertet und anschließend prämiert. Ein Sonderpreis geht an die belegbar „älteste Aufnahme“ sowie an die „schönste Aufnahme“. Der Heimatverein sichert den Teilnehmern einen sorgfältigen Umgang mit den Fotos zu. Man fertige gerne auch eine Kopie an, damit das Original nicht zu Schaden komme. Abgabe- beziehungsweise Einsendeschluss ist der 25. September 2016. Die Fotos können bei Willi Belk, Sudetenstraße 36 (Tel. 3708113), bei Walter Lazarek, Kronenstraße 36/1 (Tel. 3450613) oder bei Erika Nirk, Brunnenstraße 12 (Tel. 3450233) in Berkheim mit folgenden Angaben abgegeben werden: Name und Anschrift des Fotografen, Titel (gegebenenfalls auch mit Kommentar), wann und zu welchem Anlass wurde die Aufnahme gemacht. Nach telefonischer Absprache können die Fotos auch bei ihren Besitzern zuhause abgeholt werden.

Die Michaelskirche im Blick: Am Tag des Offenen Denkmals am Sonntag, 11. September, laden die Evangelische Kirchengemeinde, der Bürgerausschuss und der Heimatverein Berkheim anlässlich des Jubiläums der Kirche in das Gotteshaus ein. Um 14 Uhr begrüßen Pfarrerin Sabine Nollek, Alexander Mauz vom Bürgerausschuss und der ehemalige Ortsvorsteher Gerd Moßler die Gäste. Ab etwa 14.30 Uhr ist eine Ausstellung von Bildern aus den „Berkheimer Ansichten“ zu sehen. Um 15 Uhr gibt es eine Führung durch die Kirche, die besonders für Kinder geeignet ist, ab 16 Uhr eine weitere - bei Bedarf auch mehr. Fürs leibliche Wohl ist gesorgt. Auch die Heimatstube ist von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Highlight dort: ein Stammbaum der Familie Schweizer.