Von Alexander Maier

Jahrzehntelang hat er die Esslinger Musikszene mit geprägt: Er war Professor an der örtlichen Hochschule für Kirchenmusik, er hat sich als Komponist und Organist einen Namen gemacht, und er hat vieles angeregt, was bis heute Bestand hat. Und als er vor drei Jahren starb, hat Hans Georg Bertram ein musikalisches Lebenswerk hinterlassen, das in vielen noch lange nachklingen wird. Am 27. August würde er seinen 80. Geburtstag feiern. Langjährige Weggefährten des profilierten Kirchenmusikers wollen am kommenden Sonntag in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys an ihn erinnern.

Hans Georg Bertram wurde 1936 als Sohn eines Theologieprofessors in Gießen geboren. Kirchenmusik studierte er bei Hans-Arnold Metzger in Esslingen und in Stuttgart. Nach seiner Promotion in Musikwissenschaften 1963 an der Universität Würzburg zog es ihn zunächst als Kantor und Organist in seine Geburtsstadt Gießen, ehe er 1978 als Dozent für Orgelliteraturspiel, Orgelimprovisation und Musikgeschichte an die Hochschule für Kirchenmusik nach Esslingen berufen wurde. Dort wurde Bertram 1988 zum Professor ernannt, später war er bis zu seiner Emeritierung 1997 Prorektor.

Neben seiner Tätigkeit an der Hochschule war Hans Georg Bertram im musikalischen Leben von Esslingen auf vielfältige Weise verwurzelt. Von 1978 bis 2008 war er Organist an der Stadtkirche St. Dionys, wo er nicht nur selbst musikalische Akzente setzte, sondern auch anderen ein Forum bot - etwa mit der „Stunde der Kirchenmusik“ oder der „Orgelnacht von acht bis acht“, die er auf hohem kirchenmusikalischen Niveau angesiedelt hat. Die „Nacht der Engel und Apostel“ ist ebenfalls mit seinem Namen verbunden. Mit „Oratorien für Sprechstimme und Orgel“ hat Bertram eine neue musikalische Gattung in die Musikgeschichte eingebracht. Dabei griff er auf Übersetzungen biblischer Bücher durch den Tübinger Rhetoriker Walter Jens zurück, mit dem ihn eine Freundschaft verband. Unvergessen bleiben die Aufführungen dieser Oratorien in der Stadtkirche mit Bertram an der großen Orgel und Walter Jens am Lesepult. Regelmäßig hat der SWR diese „Stunden der Kirchenmusik“ aufgezeichnet.

Kompositionen von hohem Rang

„Hans Georg Bertram hat sich in erster Linie als Komponist verstanden“, weiß sein Nachfolger an der Orgel von St. Dionys, Kirchenmusikdirektor Uwe Schüssler. Mehr als 200 Titel unterschiedlicher und bei weitem nicht nur kirchenmusikalischer Kompositionen hat er hinterlassen, darunter drei Streichquartette, ein Klavierkonzert mit dem Titel „Coeur du soleil“ oder einen „Symphonischen Prolog“. In der Verbindung klassischer Formen mit innovativen Elementen komponierte Bertram unterschiedlichste Chor- und Orgelwerke, Kammermusik, Orchesterwerke, zwei Sinfonien, Konzerte und Oratorien. Zu seinen herausragenden Schöpfungen zählt das Oratorium „Ecce homo“, das im Gedenken an Dietrich Bonhoeffer entstanden ist.

Hans Georg Bertram hat vielfältige Spuren hinterlassen - im musikalischen Leben der Stadt, aber auch in vielen Menschen, die ihn und seine Arbeit bis heute sehr schätzen. „Meine erste Begegnung mit ihm war Anfang 1989“, erinnert sich Uwe Schüssler. „Damals war ich noch Kirchenmusiker in Hamburg und besuchte in Esslingen einen Gottesdienst in der Stadtkirche. Das anschließende gemeinsame Mittagessen im Kreise seiner großen Familie im Haus Bertram in der Mülbergerstraße war der Beginn einer Freundschaft, die erst enden sollte, als ich mich im Sommer 2013 in Berlin an seinem Sterbebett von ihm verabschieden musste.“ Was bleibt, sind zahlreiche Kompositionen von Rang, aber auch die Erinnerung an einen Künstler, dessen Leben ganz im Zeichen der Musik stand. Und der mit seiner liebenswürdigen Art, seiner ruhigen Beharrlichkeit und seiner Begeisterung auch andere für die Musik einzunehmen verstand.

Gedenken in der Stadtkirche St. Dionys

Im Gottesdienst, der am Sonntag, 28. August, um 10.30 Uhr in der Esslinger Stadtkirche St. Dionys beginnt, werden Freunde und musikalische Wegbegleiter von Hans Georg Bertram an den bekannten Kirchenmusiker erinnern. Walter Schimpf ist an der Orgel zu hören, Dorothee Wertz an der Querflöte. Nach dem Gottesdienst beginnt um 11.45 Uhr eine musikalische Matinee: Walter Schimpf und Dorothee Wertz spielen Bertrams Orgelsinfonie Nr. 2 „Über die Zeit“ sowie seine Sonate für Querflöte und Orgel mit dem Titel „Ruf - Stille - Antwort“. Zwischen diesen Kompositionen liest Christa Schimpf, die bei Aufführungen von Bertrams Oratorien als Rezitatorin tätig war, verschiedene Texte, die dem Komponisten viel bedeuteten.