Von Melanie Braun

Sowohl bei der Feinstaubbelastung als auch in punkto Stickstoffdioxid-Konzentration gehört Esslingen zu den schmutzigsten Städten in Baden-Württemberg. Während die Feinstaubwerte im vergangenen Jahr noch unter dem EU-Grenzwert blieben, wurde dieser seit Anfang 2017 schon an 24 Tagen gerissen - erlaubt sind 35 Überschreitungstage. Zudem wurde schon 2016 die rote Linie beim Stickstoffdioxid deutlich überschritten. Deshalb muss die Stadt nun zusammen mit dem Regierungspräsidium einen Luftreinhalteplan erarbeiten. In der Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt forderten gestern die Räte Maßnahmen für bessere Luft in der Stadt.

Zweiter Platz bei Feinstaubwerten

An insgesamt 35 Tagen im Jahr darf der EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft überschritten werden. Mit 27 Überschreitungstagen im vergangenen Jahr liegt Esslingen zwar darunter, weit entfernt ist man jedoch nicht. Zudem liegt die Stadt damit landesweit an zweiter Stelle der am stärksten mit Feinstaub belasteten Kommunen - nur am Stuttgarter Neckartor ist die Luft noch dicker: Hier wurde der Grenzwert 2016 an insgesamt 63 Tagen überschritten.

Doch es ist schon jetzt absehbar, dass der Feinstaub-Grenzwert auch in Esslingen in diesem Jahr noch öfter gerissen wird als im vergangenen. Allein in den ersten zwei Monaten (Messungen bis 8. März) war die Feinstaub-Konzentration an fast so vielen Tagen zu hoch wie 2016. Hinzu kommt der Stickstoffdioxid. Mit einem Jahresmittelwert von 54 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt man in Esslingen deutlich über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel. Das ist der Grund dafür, dass nun ein Luftreinhalteplan erarbeitet werden muss. Allerdings muss die Initiative dafür vom Regierungspräsidium Stuttgart kommen. Man warte derzeit auf eine Kontaktaufnahme von Seiten der Landesbehörde, heißt es von der Stadtverwaltung.

Angesichts dieser Werte werde man das Thema Luftreinhaltung in Zukunft wohl ständig auf dem Tisch haben, kündigte der Erste Bürgermeister Wilfried Wallbrecht in der Ausschusssitzung an. Auch in der Klausurtagung des Gemeinderats werde man darüber diskutieren und sich über mögliche Gegenmaßnahmen unterhalten. Allerdings sei es beim Thema Feinstaub gar nicht so einfach, gegenzusteuern, merkte Katja Walther, Leiterin des Sachgebiets Nachhaltigkeit und Klimaschutz an. Die Stadt Stuttgart beschäftige sich ja bereits seit einigen Jahren damit - bislang ohne Erfolg. „Wir wollen nicht einfach etwas überlegen, bei dem wir nicht wissen, ob es eine Wirkung hat“, betonte sie.

Klar sei aber, dass die Baustelle in der Grabbrunnenstraße nicht die Ursache für die erhöhten Feinstaubwerte gewesen sei, sagte Walther. Diesen Zusammenhang hatte der FDP-Rat Ulrich Fehrlen vermutet. „Die 24 Überschreitungstage waren bereits Anfang Februar erreicht, da war die Baustelle noch gar nicht in Betrieb“, erklärte Walther. „Es sieht derzeit so aus, als sei das Wetter der entscheidende Faktor für die erhöhten Werte.“

Die Grünen-Rätin Ursula Strauß merkte an, dass die hohen Werte zeigten, wie wichtig es sei, das Klima zu schonen - das sage sie auch im Hinblick auf die Entscheidung zum Greut, die kurz vorher in der Sitzung gefällt worden war. Tobias Hardt, Stadtrat der Linken, sah die Überschreitungen der Grenzwerte als Signal, dass etwas passieren müsse. „Sonst hätte ich vorgeschlagen, dass wir freiwillig etwas unternehmen“, sagte er.

Stadt soll aktiver werden

Auch die SPD-Rätin Heidi Bär betonte: „Die 24 Überschreitungstage in diesem Jahr zeigen, dass Handlungsbedarf besteht und wir etwas tun müssen.“ Die Stadt müsse aktiver an das Thema herangehen, deshalb freue sie sich, dass in der Klausurtagung darüber gesprochen werden solle. Derweil wunderte sich Eberhard Scharpf von den Freien Wählern, was denn eigentlich aus den Messungen der Ozonwerte geworden sei, die habe man doch auch schon einmal erhoben. Das sei eingestellt worden, informierte Katja Walther. Schließlich sei das teuer gewesen, zudem seien erhöhte Ozonwerte offenbar nicht mehr solch ein Problem, wie sie es mal waren. Ganz klar seien die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Luftschadstoffen aber nicht, erklärte sie.

Fast die hälfte der neuzulassungen im kreis sind dieselautos

Der Esslinger Landtagsabgeordnete Andreas Deuschle hat jüngst eine Kleine Anfrage zum Thema Luftreinhaltung an die Landesregierung gestellt. Dabei kamen auch einige Daten zur Sprache, die den Landkreis Esslingen betreffen.

Zulassungen: Laut dem Verkehrsministerium wurden im Landkreis Esslingen 2014 insgesamt 22 524 Autos neu zugelassen, davon 9880 Dieselfahrzeuge. Im Jahr 2015 waren es 23 702 Neuzulassungen, davon 10 354 Diesel. Insgesamt sind im Landkreis 313 816 Personenkraftwagen zugelassen, darunter 205 879 Benziner und 104 615 Dieselfahrzeuge.

Euro-6-Norm: Anfang 2016 gab es nach Angaben des Verkehrsministeriums rund 94 000 Dieselautos im Kreis Esslingen, die die Abgasnorm Euro-6 nicht erfüllen. Angesichts fortlaufender Erneuerungen rechnet die Landesregierung aber damit, dass hier Anfang 2018 nur noch rund 70 000 Dieselautos zugelassen sind.

Nachrüstung: Die Nachrüstung von Dieselautos auf die Euro-6-Norm ist laut Verkehrsministerium nicht gänzlich ausgeschlossen, belastbare Angebote von Seiten der Automobilhersteller oder anderer seriöser Technologieanbieter seien der Landesregierung aber nicht bekannt. Man setze hier auf die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie, technisch und wirtschaftlich vertretbare Lösungen für die Nachrüstung von Fahrzeugen, die der Abgasnorm Euro 5 entsprechen. Dazu habe das Verkehrsministerium bereits zu einem Gespräch mit den Technikvorständen der Automobilindustrie eingeladen.

Nahverkehr:Die Landesregierung will zusammen mit der Stadt Stuttgart den Öffentlichen Nahverkehr ausbauen und modernisieren. Unter anderem sollen Metropolexpresslinien und eine bessere Taktung der S-Bahn eingerichtet werden. Zudem ist der Ausbau von Stadtbahnlinien vorgesehen, auch neue Linien sollen eingerichtet werden. Außerdem ist zwischen Bad Cannstatt und der Stuttgarter Innenstadt eine Schnellbuslinie als Parallelverkehr zur Stadtbahn geplant, um die hochbelastete Achse zumindest kurzfristig zu entlasten.