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Von Melanie Braun
Er hat die Sache ins Laufen gebracht: Ein 29-jähriger Angeklagter ist heute vom Amtsgericht Esslingen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden, weil er den Verkauf von 1,5 Kilogramm Marihuana vermittelt hat. Eine Beteiligung an dem Drogenhandel konnte man dem Mann zwar nicht nachweisen, doch er räumte vor Gericht ein, den entscheidenden Kontakt für das Geschäft hergestellt zu haben. Immerhin trugen seine Aussagen bei der Polizei auch dazu bei, dass eine ganze Gruppe Rauschgifthändler gefasst wurde, die in Esslingen aktiv waren – darunter auch dickere Fische.
Und das, obwohl der Angeklagte noch nie in Esslingen gewohnt hat. Der Gambier kam vor zwei Jahren nach Deutschland und lebt seither in einer Asylunterkunft am Bodensee. Dort hatte er allerdings einen Drogendealer kennengelernt, der später in eine Esslinger Asylunterkunft umzog – und von dieser Verbindung wiederum wusste ein deutscher Bekannter des Angeklagten. Im Sommer des vergangenen Jahres beschloss der Deutsche, sich seinen Kontakt zunutze zu machen und ließ den Angeklagten wissen, dass er gern 1,5 Kilo Marihuana von seinem Bekannten in Esslingen erwerben würde. Der 29-Jährige sagte zu, seinen Bekannten wegen des Deals zu kontaktieren.

Polizei überwacht Telefongespräche

Zu der Zeit hatte allerdings auch die Polizei schon Wind von den Drogengeschäften in Esslingen bekommen und eine Telefonüberwachung von Verdächtigen installiert. Darüber habe man verfolgen können, wie der Preis von 9000 Euro für die 1,5 Kilo Marihuana ausgehandelt worden sei. Zudem habe man bei einer Observation auch beobachten können, wie der Angeklagte und sein deutscher Bekannter in Esslingen anreisten – offenbar für die Geldübergabe, wie ein Polizeibeamter als Zeuge vor Gericht berichtete.
Einige Tage später habe es eine erneute Verabredung in Esslingen gegeben. Weil man davon ausgegangen sei, dass nun die Drogen übergeben werden sollten, habe man eine Polizeikontrolle installiert. Doch als man den deutschen Kumpel des Angeklagten, der nach dem Treffen auf einem Motorrad wieder Richtung Bodensee unterwegs war, anhalten wollte, flüchtete dieser. Man vermutet, dass er die Drogen kurzerhand wegschmiss. Schließlich hatte er, als er sich kurze Zeit später selbst der Polizei stellte, lediglich 25 Gramm Gras in der Tasche.
Die umgehende Suche nach dem restlichen Rauschgift war allerdings erfolglos. Bis heute wurde das Drogenpaket nicht gefunden, obwohl sogar Rauschgiftspürhunde im Einsatz waren. Man geht davon aus, dass die heiße Ware nicht lange ohne Besitzer blieb – vermutlich sei sie sogar vom deutschen Bekannten des Angeklagten umgehend wieder eingesammelt worden, so die These des Polizeibeamten.
Doch trotz der verschwundenen Ware sehen Polizei und Gericht es als erwiesen an, dass der Deal zu Ende geführt und die 1,5 Kilo Gras übergeben worden waren. Die Ermittlungen ließen nur diesen Schluss zu, hieß es, zudem hätten sowohl der Angeklagte als auch der Esslinger Drogenhändler bei der Polizei umfassende Geständnisse abgelegt, die dies bestätigten.
Und nicht nur das: Die beiden packten noch mehr über die Esslinger Drogendealer-Szene aus. So konnte die Polizei nach und nach eine ganze Gruppe von Rauschgifthändlern dingfest machen. Einige von ihnen wurden bereits verurteilt, darunter auch der Esslinger Kontaktmann des 29-jährigen Angeklagten. Ihm konnte der Verkauf von etwa 15 Kilogramm Marihuana nachgewiesen werden, nun sitzt er für drei Jahre hinter Gittern. Um den deutschen Kumpel des Angeklagten vom Bodensee kümmert sich die Staatsanwaltschaft vor Ort, weil der junge Mann zur Tatzeit im vergangenen Sommer noch als Heranwachsender galt und damit in der Regel die Behörden am Wohnort zuständig sind.
Der Prozess um einen der geschäftstüchtigsten Hintermänner des Ganzen steht aber noch aus: Voraussichtlich im Juli soll vor dem Stuttgarter Landgericht das Verfahren gegen einen Mann stattfinden, der regelmäßig mehrere Kilo Rauschgift pro Woche unter die Leute gebracht haben soll.

Milde Strafe für Angeklagten

Mit seiner Bewährungsstrafe sei der 29-Jährige hingegen noch sehr glimpflich davon gekommen, betonte der Vorsitzende Richter heute gegenüber dem Angeklagten. Geholfen habe ihm dabei, dass er direkt nach seiner Festnahme ein Geständnis abgelegt und mit seinen Aussagen sehr zur Aufklärung gleich mehrerer Taten beigetragen habe. Allerdings sei es alles andere als rühmlich, dass er nach einem so kurzen Aufenthalt in Deutschland schon in eine solche Tat involviert sei, mahnte der Richter. „Sie kommen in dieses Land, weil Sie sich hier ein besseres Leben erhoffen und haben nichts Besseres zu tun, als die Bevölkerung hier mit so etwas zu behelligen“, kritisierte er. Das sei nicht in Ordnung.
Auch der Staatsanwalt stellte klar: „Das ist keine Lappalie.“ Auch wenn der Angeklagte selbst nicht direkt in den Handel involviert gewesen sei, so habe er doch maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser überhaupt zustande gekommen ist. Der Tatbestand der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sei daher klar gegeben. Zudem habe es sich um eine ganz erhebliche Menge Drogen gehandelt: Wenn man davon ausgehe, dass für einen Joint etwa ein halbes Gramm Marihuana genutzt werde, dann reichten 1,5 Kilo für etwa 3000 Konsumeinheiten. Das müsse man sich einmal bewusst machen.