Von Claudia Bitzer

365 Tage hat das Jahr. Selbst wenn man Wochenenden, Ferien und straffe Terminkalender abzieht, muss es schon sehr dumm laufen, wenn zwei Veranstaltungen auf genau ein- und denselben Tag fallen. Jedenfalls dann, wenn sie sich von der Thematik her an ein- und dasselbe Publikum richten.

Es ist sehr dumm gelaufen. Am Mittwoch, 5. April, 18.30 Uhr, müssen sich Eltern, Lehrer und weitere bildungspolitisch Beflissene entscheiden, von welcher Veranstaltung sie sich mehr versprechen. Der Elternbeirat der Herderschule greift mit dem Lehrerverband VBE und der Lehrergewerkschaft GEW an jenem Abend ein Thema auf, das seit dem schlechten Abschneiden der Ländles-Schüler in der IQB-Studie durch die Medien geistert. Und das Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Anfang Dezember in ihrem Brief an ihre Grundschullehrer noch einmal zugespitzt hat: Nämlich dass in den baden-württembergischen Grundschulen zu lange nach Gehör geschrieben werde - und dies letztendlich mitverantwortlich für die schlechten Rechtschreibleistungen der Schüler sei.

Parallel zu dem Info- und Diskussionsabend an der Herderschule wird die Kultusministerin selbst im Alten Rathaus in Esslingen sprechen. Am selben Tag, zur selben Uhrzeit. „Bildung, quo vadis?“ fragt Susanne Eisenmann auf Einladung des CDU-Stadtverbands. Nein, diese Veranstaltung sei keine Reaktion auf die kritischen Töne, die sich die Ministerin höchstwahrscheinlich in der Herderschule gefallen lassen muss, versichert die Stadtverbandsvorsitzende Margot Kemmler. Man habe sich im Oktober bei einer Sportveranstaltung getroffen und einen Besuch der Ministerin in Esslingen vereinbart. „Die ist ja sehr offen.“

Der Infoabend an der Herderschule ist auch schon länger geplant. Nach der ersten medialen Aufregung um das Thema hatte Schulleiterin Margarete Teuscher im November dringend Handlungsbedarf gesehen, die Eltern ihrer künftigen Erstklässler aufzuklären. Und zwar darüber, wie ihre Grundschule den Kindern tatsächlich Lesen und Schreiben beibringt. „Das lautorientierte Schreiben ist wichtig für eine ganz kurze Zeit am Anfang des Schreibenlernens. Aber bereits am Ende des ersten Schuljahrs üben wir Lernwörter, die selbstverständlich auch richtig geschrieben werden müssen“, stellt die Rektorin klar.

Vom Lesen und Schreiben

In ihrem Brief an die Grundschullehrer im Land hatte Kultusministerin Eisenmann zudem betont, dass auch eine leserliche Handschrift in diesem Zusammenhang wichtig sei und dass sie den Schulen künftig wieder den Weg über die Lateinische oder die Vereinfachte Ausgangsschrift vorschreiben wolle. Die Herderschule ist jedoch eine von 17 Schulen, die die Grundschrift erproben. Wobei Teuscher gleich klarstellt: „Wir dürfen weiter Grundschrift schreiben. Das hat uns die Ministerin am gleichen Tag geschrieben.“

„Für mich ist es in erster Linie wichtig, dass die Eltern unserer Schüler aufgeklärt werden“, erläutert der Elternbeiratsvorsitzende Alexander Fritsch den Sinn des Informationsabends über die Vermittlung von Lesen und Schreiben an den Grundschulen, zu dem nunmehr die Herderschuleltern und die beiden Lehrerorganisationen einladen. Als Vater eines Zweit- und Viertklässlers sei er begeistert, wie schnell schon Erstklässler in der Lage seien, kleinere Informationen schriftlich auszutauschen. Auch die Rechtschreibung käme nicht zu kurz. Mit Ulrich Hecker, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Grundschulverbands und langjährigen Grundschulleiter, wird ein Fachmann für den Schriftsprachenerwerb kommen, der die Herderschule auch in Sachen Grundschrift begleitet. Zudem erwarten die Veranstalter Kerstin Metz vom Institut für Sprachen von der PH Ludwigsburg. „Wir hatten die Veranstaltung der CDU nicht auf dem Schirm. Ich glaube auch nicht, dass sie unsere Veranstaltung vor Augen hatte“, sagt Fritsch. Das beteuert auch Aglaia Handler, Vorsitzende des Gesamtelternbeirats der Esslinger Schulen und im Vorstand des CDU-Stadtverbands. Als Gesamtelternbeirat lade man selbstredend zu beiden Veranstaltungen ein. Die Grundschulvertreter im GEB-Vorstand würden in die Herderschule gehen, sie selbst ins Alte Rathaus zur Ministerin. Und auch dort könne Susanne Eisenmann nicht davon ausgehen, dass sie nur einen ruhigen Abend haben werde. Man habe durchaus Fragen - etwa zur Organisation der Krankheitsvertretungen an den Schulen.

Vorschlag an die Veranstalter: Macht aus den beiden Events doch einfach eines. Das wäre für die Zuhörer die spannendste Variante.