Der russische Chor zeigte sich im Gemeindehaus am Blarerplatz in Bestform. Auf hohem Niveau sang er Vokalkompostionen von Rachmaninow. Foto: Kellmayer Quelle: Unbekannt

Von Rainer Kellmayer

Von Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow kennt man heute neben den drei Sinfonien insbesondere noch die Klavier- und Kammermusik. Eine Lanze für die recht spärlichen Vokalkompositionen des 1873 nahe Nowgorod geborenen und später in die USA ausgewanderten Komponisten brach der Russische Chor der Städtischen Musikschule Esslingen bei einer Hommage im Gemeindehaus am Blarerplatz. Einmal mehr erwies sich der Festsaal mit seiner hervorragenden Akustik als Glücksfall: Raumatmosphäre und a-cappella-Gesänge verbanden sich zur harmonischen Einheit. Ein weiterer Pluspunkt war der 40-köpfige Chor, der sich in Bestform vorstellte. Neben sechs Russen treffen sich Liebhaber der russischen Musik aus der ganzen Region zu den wöchentlichen Proben in Esslingen.

Mal meditativ, mal gewaltig

Da die Literatur auf Russisch gesungen wird, müssen viele Chormitglieder die Texte nach der Lautschrift lernen. Das Ergebnis erstaunte: Die Textverständlichkeit war hervorragend, zeugte von intensiver Auseinandersetzung mit den Idiomen der russischen Sprache. Dazu kommt, dass der Chor von Lena Schmitz, einer aus Russland stammenden Pianistin und Dirigentin, bestens geschult wird. „Die Stimmbildung spielt bei unseren Proben eine wichtige Rolle“, nennt Schmitz die Basis des Erfolgs. Dass der Chor auf dem richtigen Weg ist, zeigte er im „Großen Abend- und Morgenlob“, einem Höhepunkt in der tausendjährigen Geschichte der russischen Kirchenmusik. Nach der volltönenden Eröffnung „Kommt, lasst uns anbeten“, schimmerte in „Mildes Licht“ die russische Seele durch, etwas schwermütig, jedoch innig und mit fein gewobenen Melodielinien. Die Bässe stiegen in ultratiefe Regionen herab, und neben gewaltigen Ausbrüchen und Glockeneffekten standen Passagen meditativer Ruhe, welche die Hörer mit geradezu mystischen Klangerlebnissen verzauberten. Dies alles meisterten die Choristen mit Disziplin, sauber gestufter Dynamik und wunderschön phrasierten Endungen. Auf ähnlich hohem Niveau erklangen Ausschnitte aus der „Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomus“, der Eucharistiefeier der russisch-orthodoxen Kirche. Schmitz spürte mit engagiertem Dirigat dem Gehalt der Musik nach, motivierte den Chor zu differenzierter Klangformung: Ausgewogen in der Balance der Stimmen und mit sauberer Intonation. Bei „Drei russische Lieder für Chor und Orchester“ übernahm die Pianistin Elena Benditskaja den instrumentalen Part.

Klangliche Transparenz

Getragen vom souveränen Klaviergeflecht entfalteten sich die in einfacher Textur gehaltenen russischen Volkslieder prächtig, mal im unisono der tiefen Lage, dann wieder im Dialog von Frauen- und Männerstimmen. Lena Schmitz sorgte für spannungsvolle Linienzeichnung, gab den Gesängen mit einer großen dynamischen Bandbreite und absoluter klanglicher Transparenz Kontur.

Einen besonderen Farbtupfer brachten die „Sechs Stücke für Klavier zu vier Händen“ ins Programm. Die Pianisten Andrej Jussow und Triantafyllos Liotis brillierten mit bestens abgestimmtem Spiel, mal verträumt, mal mit keck pulsierenden Tönen, dann wieder in schwungvollem Walzertakt - stets jedoch brillant und mit idealer Verschmelzung der Klavierlinien.