Ganztagsschule ist mehr als nur Unterricht. Die Berkheimer Schillerschule und fünf weitere Esslinger Grundschulen können ihren Kindern schon so ein Angebot machen. Die Seewiesenschule soll 2017/18 zum Zug kommen. Doch Kultusministerin Eisenmann will den Ausbau auf Eis legen. Foto: Archivbild Bulgrin - Archivbild Bulgrin

Von Claudia Bitzer

Ein ganzes Jahr lang hat die Seewiesenschule darauf warten müssen, dass der Gemeinderat grünes Licht für die millionenschweren Um- und Anbauten gibt, an deren Ende ein barrierefreies Schulhaus mit genügend Platz für Gemeinschafts- und Ganztagsgrundschüler stehen soll. Damals hatte eine Ratsmehrheit den Grundsatzbeschluss noch vertagt, weil sie diese Entscheidung in ein Gesamtkonzept für alle Esslinger Schulen eingebunden wissen wollte. Beides hat der Gemeinderat am Montag getan. Doch ist das Happyend für die Seewiesenschule schon wieder Makulatur, nachdem Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) den Ausbau der Ganztagsschulen, die Inklusion und den Informatikunterricht wegen fehlender Lehrerstellen auf Eis legen will? 

Der Esslinger Schulbürgermeister Markus Raab hat dazu eine ganz klare Position. „Für uns gilt das Schulgesetz. Darauf beruhen und beziehen sich die Anträge der Stadt.“ Ganz konkret spricht er von dem Antrag, den die Stadt im Zusammenhang mit dem Ausbau der Seewiesenschule vor ein paar Tagen nach Stuttgart geschickt hat. „Wir haben eine große Betreuungsnachfrage der Eltern und wollen für unsere Kinder die bestmögliche Förderung“, begründet Konrektor Alexander Wroblewski, warum die Schule zum Schuljahr 2017/18 auch im Grundschulbereich das werden will, was sie als Gemeinschaftsschule in den oberen Klassenstufen schon ist: Ganztagsschule. In den ersten vier Klassen allerdings nicht in der gebundenen Form wie in der Sekundarstufe, sondern als Wahlangebot. Die Schule will schon im kommenden Schuljahr mit allen vier Klassenstufen loslegen, auch wenn die Arbeiten im Schulhaus und an der Mensa erst zum Schuljahr 2019/20 fertig sein werden.
Die Seewiesenschule ist nicht die einzige Esslinger Grundschule, die in den kommenden Jahren Ganztagsschule werden soll. Den Zeller Eltern hat die Stadt bereits eine Zusage gegeben, zudem gibt es im Zuge der gerade verabschiedeten Schulentwicklungsplanung Pläne für die Lerchenäckerschule. Aber auch die Eichendorffschule und die Schule in St. Bernhardt sind anvisiert.
Nicht ohne Grund: Als die grün-rote Landesregierung seinerzeit die Ganztagsschule im Schulgesetz verankert hatte, hatte die Stadt Esslingen alle ihre Grundschulen, in denen es bereits Ganztagsangebote gab oder zum Umstellungsjahr neu geben sollte, in gesetzliche Ganztagsschulen umgewandelt. Die Nachfrage der Eltern nach diesen kostenlosen Plätzen ist mittlerweile so groß, dass es an den sechs betroffenen Schulen fast nur noch kostenpflichtige Grundschulbetreuungsgruppen gibt, die die restliche Zeit vor und nach dem Unterricht abdecken. Beispiel Berkheim: Dort wäre anfangs fast gar keine Ganztagsgruppe zusammengekommen, 2015/16 nutzten bereits 42 Prozent der Kinder dieses Angebot, in diesem Schuljahr sind es noch mehr. Der Esslinger Gemeinderat hatte nach Einführung der gesetzlichen Ganztagsschulen zudem beschlossen, die ganztägige Schulkindbetreuung künftig nur noch über die Ganztagsschulen und nicht mehr über die Grundschulbetreuung abzudecken. Zumal sich die damalige grün-rote Landesregierung – aus ihrer Sicht folgerichtig – dazu entschlossen hatte, die Zuschüsse für die Grundschulbetreuungsgruppen abzuschaffen beziehungsweise bei Halbtagsschulen einzufrieren.
Die ohnehin noch bescheidenen Inklusionsbemühungen der Stadt sieht der städtische Schulamtsleiter Bernd Berroth durch die Ankündigung der Ministerin in Gefahr. Er kann sich jedoch nicht vorstellen, dass sich der weitere Ausbau der Ganztagsschulen lange ausbremsen lässt. Er baut auch darauf, dass die Zuschüsse für die Baumaßnahmen in der Seewiesenschule nicht in Gefahr sind. Die fallen bei 4,9 Millionen Euro mit 0,9 Millionen ohnehin viel zu schmal aus, wie der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger bereits in der Gemeinderatssitzung kritisiert hatte. Wissen konnte es Berroth zumindest gestern aber nicht.

Das sagen die Esslinger Landtagsabgeordneten

Andreas Deuschle (CDU) hält das Szenario von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) für „realistisch“, wenn sie nicht mehr Geld von der Haushaltskommission bekomme. Aber er räumt ein, dass so ein Ausgang „nicht im Sinne“ der grün-schwarzen Regierung sein könne. Die CDU habe den Kompensationsvorschlag gemacht, den Klassenteiler an den Gemeinschaftsschulen zu erhöhen, das hätten die Grünen nicht gewollt.


Wolfgang Drexler (SPD) ist „entsetzt“ über die Ankündigungen der Ministerin. Das Schulgesetz zu missachten gehe gar nicht. Käme der Ausbaustopp für Ganztagsschulen, seien mit der Seewiesenschule, der Lerchenäckerschule und in Zell wichtige Esslinger Projekte in Gefahr. Ein Stopp der Inklusion würde die Fusion der innerstädtischen Gemeinschaftsschulen erschweren, zumal sie in den bisherigen Schulen noch sehr unterschiedlich integriert sei.


Andrea Lindlohr (Grüne) erwartet von der Ministerin, „dass sie es schafft, Prioritäten zu setzen“. Es sei ganz klar, dass das Schulgesetz gelte. Schulen, Eltern und Kinder bräuchten Verlässlichkeit. „Es ist nicht möglich, dass eine Ministerin das Schulgesetz auf dem Presseweg außer Kraft setzt.“ Eisenmann wolle neue Projekte angehen. Wenn das zu viele seien, müsse sie eine Rangliste machen – aber auf Basis der geltenden Rechtslage.