Jörg Freitag Quelle: Unbekannt

Nach dem neuen Zivilschutzkonzept der Bundesregierung sollen die Bürger angesichts einer veränderten Sicherheitslage Notvorräte anlegen, um sich in einem „Ernstfall“ für zehn Tage versorgen zu können. Viele Menschen fragen sich nun: Um welchen Ernstfall handelt es sich denn? Und sind Hamsterkäufe sinvoll? EZ-Mitarbeiterin Gerlinde Ehehalt (Text und Fotos) hat sich mit Passanten in Esslingen über das Thema unterhalten - und erfahren, dass die meisten Hamsterkäufe ablehnen.

Catharina Köhler (56), Inhaberin von Zoo Köhler aus Esslingen: Ich finde die Empfehlung ziemlich übertrieben und halte es nicht wie meine Hamster, die sich in ihrem Käfig kleine Vorräte anlegen. Jeder von uns hat doch genug Lebensmittel zu Hause, die für ein paar Tage reichen sollten. Ich kann mir keinen Fall vorstellen, bei dem man tagelang nicht zum Einkaufen aus dem Haus gehen kann. Viele haben gar keinen Platz, um Lebensmittel zu lagern. Die Meldung verunsichert die Leute und verbreitet Panik.

Franz Pfaff (64), Rentner aus Esslingen: Ich bunkere keine Vorräte. Das Thema muss man differenzierter betrachten und darf sich nicht beunruhigen lassen. In bestimmten Situationen macht es vielleicht Sinn, Vorräte anzulegen. Allerdings nicht, wenn man an terroristische Angriffe denkt. Einen kleinen Fundus an Lebensmitteln zu haben, war bisher eine ganz normale Geschichte. Ich weiß nicht, weshalb dies gerade jetzt in den Fokus gerückt wird. Das schürt bloß Ängste in der Bevölkerung. Bei einem Stromausfall müssten wir die Konserven ja roh essen und die Tiefkühltruhe wäre schnell abgetaut. Auch für Leute mit kleinen Wohnungen ist das Bunkern von den empfohlenen zig Litern Wasser nicht machbar. Heute gibt es selten große Vorratsräume oder Speisekammern wie früher.

Brigitte Roleff (47), Erzieherin, mit Mathilda Roleff (8), aus Esslingen: Ich lasse das Thema nicht an mich heran, verdränge es lieber. Hamsterkäufe oder gezieltes Anlegen von Vorräten kämen mir nicht in den Sinn, ich gehe lieber öfter zum Einkaufen. Das neue Sicherheitskonzept macht mir keine Angst. Ich bin relativ gelassen und lasse mich nicht beunruhigen.

Manfred Bauer (78), Rentner aus Esslingen: Das ist nur ein Nachbessern, wir hatten schon immer die Vorgabe, Vorräte anzulegen. Wer wie ich im Krieg aufwuchs, kennt es nicht anders. Im Keller standen die Gläser mit eingemachten Früchten, Bohnen, sauren Gurken, mit Marmelade. Heute holt man alles frisch, viele haben keinen Keller mehr und kleine Wohnungen, in denen man keine Vorräte anlegen kann. Falls der Strom ausfällt, funktioniert das neue Sicherheitskonzept sowieso nicht. Und wer von Hartz IV lebt, kann nicht viel Vorräte bunkern. Mein Vorratslager ist der Supermarkt. Doch ein bisschen sorge ich vor, damit ich immer etwas daheim habe, falls die Läden schon geschlossen haben.

Ilias Sambale (28), Stukkateur aus Esslingen: Ich halte nichts von Hamsterkäufen, mache mir auch keine Sorgen wegen der veränderten Sicherheitslage. Man bekommt zwar in den Medien viel von Anschlägen mit, doch ich lasse mich davon nicht verrückt machen. Ich hätte gar keinen Platz in meiner Wohnung, um größere Mengen an Lebensmitteln aufzubewahren.

Esther Witzig (21), Erzieherin aus Ostfildern: Bisher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, ich empfinde das neue Zivilschutzkonzept jetzt als Panikmache. Daher lege ich mir auch keine Notvorräte an. Ich glaube nicht, dass man dies braucht. Jeder hat gewiss Lebensmittel für ein paar Tage daheim. Hamsterkäufe kämen mir nicht in den Sinn. Es passiert zwar viel zur Zeit, doch es kommt mir komisch vor, dass ausgerechnet jetzt ein Sicherheitskonzept entwickelt wurde.

Maria Ziegler (33), Angestellte aus Esslingen: Sich einen Wasservorrat anzulegen, macht durchaus Sinn. Doch wenn ich keinen Strom habe, helfen mir auch trockene Nudeln nichts. Ich finde Hamsterkäufe blöd. Das ist ein Thema für die Saure-Gurken-Zeit. Die wenigsten von uns fallen gleich vom Fleisch, wenn sie einmal ein paar Tage nichts essen oder auf die ganz normalen Vorräte zurückgreifen müssen. Aber Personen, die Spezialnahrung brauchen, müssen natürlich anders vorsorgen.

Marianne Dittrich (74), Rentnerin aus Esslingen: Es ist ein komischer Zeitpunkt, um so eine Meldung rauszugeben. Gerade jetzt, wo so vieles auf der Kippe steht. Daher weiß ich nicht wirklich, was ich von der Empfehlung der Regierung halten soll und was genau dahinter steckt. Doch ich lehne es ab, Notvorräte anzulegen. Man kann doch jederzeit alles frisch einkaufen. Wir machen weiter wie bisher. Wenn tatsächlich irgendeine Katastrophe käme, hätten wir doch eh keine Chance.

Ines Holder (31), Ärztin aus Esslingen: Wir machen das gar nicht, wir halten auch nichts von Hamsterkäufen. Ich verdränge das Thema natürlich ein Stück weit, da ich mit einem kleinen Kind nicht an irgendwelche Katastrophen denken möchte.

Irmgard Aleth (78), Rentnerin aus Esslingen: Die machen die Leute doch verrückt mit solchen Meldungen. Das ist reine Panikmache, die Politiker sind unsensibel und gefühllos. Ich habe noch die schlechten Erlebnisse aus dem Krieg vor Augen, als ich als Kind aus Pommern unter Bombenhagel flüchten musste. Jetzt sehe ich eigentlich keine Bedrohung und würde niemals Hamsterkäufe tätigen. Ich habe Cola im Keller, das reicht für eine Weile, Milch kaufe ich frisch, Nudeln habe ich immer zu Hause. Ich lasse ich mir die Laune nicht verderben. Man kann dem Schicksal nicht ausweichen.

Jörg Freitag (45), Sozialpädagoge aus Bad Cannstatt: Die Sache ist völlig überdreht und erinnert mich an die 80er-Jahre in der Zeit des Kalten Kriegs. Damals waren Atomkraft-Bunker oder Sirenenwarnsignale noch Thema und ein möglicher Krieg noch real. Das ist er für mich jetzt nicht mehr, so dass ich keine Vorräte anlegen würde. Terroranschläge sind punktuell. Ich verbinde mit dem Horten von Essen einen bundesweiten oder europaweiten Krieg. Dieses Szenario finde ich zur Zeit völlig übertrieben. Es ist ein merkwürdig irritierendes Zeichen, das in Amtsstuben geboren wurde und nicht durch eine reale Bedrohung entstand.

Infografik: Für den Notfall gerüstet? | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista