Thomas Stierle hat die Ludwigsburger Bücherei fit gemacht. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Thomas Stierle hat sich als Leiter der Ludwigsburger Stadtbücherei einen Namen gemacht, doch er blickt auch über den Tellerrand des eigenen Hauses hinaus. Als Vorstandsmitglied im baden-württembergischen Bibliotheksverband kennt er sich aus im Land, und er weiß um die Bedeutung der Büchereien in einer digitalisierten Welt. Im EZ-Gespräch macht er sich stark für zukunftsfähige Bibliotheken.

Die Esslinger haben ihre Kultur gerne an Ludwigsburg gemessen - und Esslingen war immer ganz zufrieden. Wenn es um die Büchereien geht, hat die Barockstadt zuletzt jedoch weit mehr getan . . .

Stierle: . . . nicht nur die Esslinger haben nach Ludwigsburg geschaut - auch wir waren früher ein bisschen neidisch auf die Esslinger Stadtbücherei. Seit wir erweitert und modernisiert haben, sind wir sehr zufrieden mit dem, was wir haben.

In beiden Städten fehlt es nicht an Lob für die Büchereien, doch den Worten müssen Taten folgen. Ludwigsburg hat kräftig in seine Bücherei investiert. Wie haben Sie Ihren Gemeinderat überzeugt?

Stierle: Zunächst mit guter und erfolgreicher Arbeit - aber wenn es um die Qualität der Arbeit geht, steht uns Esslingen in nichts nach. Wir hatten den Vorteil, dass unsere Gemeinderäte die Ludwigsburger Stadtbücherei sehr gut kennen. Der Sitzungssaal und die Fraktionsräume sind im selben Gebäude. Deshalb sehen unsere Kommunalpolitiker regelmäßig, wie wichtig unser Haus gerade für Schüler ist. Das ist in Esslingen nicht anders, aber vielleicht sehen das nicht alle so genau. Die moderne Informationstechnik bietet uns die Möglichkeit, das Wissen der Welt nach Hause zu holen. Trotzdem zieht es immer mehr Menschen in die Büchereien, weil sie dort ideale Möglichkeiten finden, sich zu informieren und mit den Informationen zu arbeiten. Dafür müssen wir den nötigen Raum bieten. Genau wie wir anderen Kunden Platz bieten müssen, um sich zu treffen und die Bücherei als lebendigen Ort zu erleben.

Die einen brauchen Ruhe, die anderen wollen eine lebendige Bücherei. Wie lässt sich das vereinen?

Stierle: Das geht nur, wenn man den nötigen Platz hat. Den hatten wir lange Zeit nicht, und das hat vielen Kunden gar nicht gefallen. Es gab nicht nur regelmäßige Beschwerden, sondern auch einige, die nicht mehr gekommen sind. Seit unserer Erweiterung haben wir bewusst ruhige und belebte Bereiche voneinander getrennt - seither gibt es kaum mehr Beschwerden, und die Besucherzahlen sind nach oben gegangen.

Genau wie Esslingen hat auch Ludwigsburg im Bibliotheksindex (BIX) Jahr für Jahr Bestnoten erreicht. Besteht dann für eine Kommune überhaupt Handlungsbedarf?

Stierle: Diese Frage wurde uns auch gestellt, aber wir konnten überzeugend vermitteln, dass man nicht stehenbleiben darf - gerade im Bibliothekswesen. Wer morgen erfolgreich sein will, muss heute das Richtige tun. Wer wollte heute noch in eine Bücherei gehen, die auf dem Stand der 1980er- oder 1990er-Jahre ist? Eine Bücherei ist etwas Lebendiges, das sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Besucher orientieren muss. Wer diesen Weg nicht mitgeht, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Und es ist nicht leicht, Kunden zurückzugewinnen, die man verloren hat.

Das ist überraschend, schließlich gibt es für Büchereien keine Konkurrenz - zumindest nicht vor Ort . . .

Stierle:. . . die gibt es sehr wohl. Wir konkurrieren jeden Tag mit vielen anderen Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen. Wir wissen alle, wie wichtig es ist, dass sich Menschen informieren, bilden und kulturell interessieren. Dafür bieten Büchereien unverzichtbare Möglichkeiten.

Haben Bibliotheken im digitalen Zeitalter überhaupt eine Zukunft?

Stierle: Uneingeschränkt ja. Vielleicht werden sie sogar noch wichtiger. Bibliotheken haben zuletzt viele neue Aufgaben übernommen - denken sie nur an die wachsende Bedeutung als Lernort. Vielleicht ändern sich die Medien, aber in einer Zeit, in der wir von einer Informationsflut überrollt werden, ist es umso wichtiger, dass da jemand ist, der Orientierung bietet und der auf Qualitätsstandards achtet, die im Internet von niemandem überprüft werden. Ich spüre ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass man im Netz neben vielen hilfreichen Informationen auch manches findet, was einem gar nichts bringt.

Kommunalpolitiker reden gern von Nachhaltigkeit. Wie machen Sie einem Gemeinderat Investitionen in eine Bücherei schmackhaft?

Stierle: Indem ich ihm sage, dass sich jeder in die Bücherei investierte Euro vielfach auszahlt. Büchereien sind Bürgerzentren, Lernorte, Treffpunkte, Kulturzentren, Orte der Integration und vieles mehr. Es ist kein Zufall, dass das Ludwigsburger Kulturzentrum mit der Bücherei das meistfrequentierte Gebäude der Stadt ist. Und in Esslingen ist die Bücherei ein ebenso wichtiger Frequenzbringer.

Das Interview führte Alexander Maier.