Uwe Doleski (Mitte) möchte den afghanischen Flüchtlingen Naghibolah Ayazi (links) und Shefa Mir Nazari stets auf Augenhöhe begegnen. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Uwe Doleski wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich für den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ zu bewerben: „Was ich tue, tue ich aus Überzeugung und nicht, um im Vordergrund zu stehen. Mir ist das unangenehm. Wenn ich sehe, dass ich helfen kann, ist es selbstverständlich, dass ich etwas tue - so, wie das für jeden selbstverständlich sein müsste.“ Umso überraschter war der Architekt im Ruhestand, als er erfuhr, dass andere ihn für sein Engagement für zwei 25-jährige Flüchtlinge aus Afghanistan für den Ehrenamtspreis vorgeschlagen hatten. Seit Monaten setzt sich Doleski für Naghibolah Ayazi und Shefa Mir Nazari ein - mittlerweile ist daraus eine gute Freundschaft auf Augenhöhe entstanden. Und weil Doleski sicher ist, dass sich die beiden nicht nur in ihrer neuen Heimat integrieren wollen, sondern dafür auch die idealen Voraussetzungen mitbringen, kämpft er beharrlich dafür, dass Nazari und Ayazi nicht unter unnötigen Erschwernissen leiden müssen.

Eigene Fluchterfahrung hilft

Wie es sich anfühlt, als Fremder in einer ungewohnten Umgebung ganz neu anfangen zu müssen, weiß der 74-Jährige genau: Nach dem Krieg musste seine Familie aus Masuren fliehen und in Süddeutschland eine neue Heimat suchen. „Es war für uns Kinder, aber mehr noch für Mutter und Großmutter nicht leicht, alles hinter sich zu lassen. Und wir wurden hierzulande nicht von allen mit offenen Armen empfangen. Diejenigen, die nach dem Krieg hierher kamen, sollten eigentlich am besten wissen, was es heißt, alles zu verlieren.“

An all das, was ihm Mutter und Großmutter später von Flucht und Vertreibung erzählten, erinnert sich Uwe Doleski, wenn er mit seinen neuen Freunden über deren Schicksal spricht: Beide haben Afghanistan nicht aus freien Stücken verlassen und beide hätten dort eine gute Zukunft gehabt - der eine als versierter Dolmetscher, der andere als Agrarwissenschaftler mit Bestnoten. Doch weil Naghibolah Ayazi nach dem Studium bei der Polizei und Shefa Mir Nazari als Übersetzer bei den deutschen und amerikanischen Truppen in Afghanistan gearbeitet hatten, gerieten sie ins Fadenkreuz der Taliban. „Wir wurden bedroht und als Ungläubige beschimpft“, erzählt Ayazi. Und Nazari denkt mit Grausen an einen einstigen Dolmetscher-Kollegen, der sogar mit dem Leben bezahlen musste.

Uwe Doleski hat die beiden Afghanen im Januar kennengelernt: „Damals wurden Freiwillige gesucht, die Flüchtlingen in Oberesslingen Deutschunterricht geben. Ich habe mich gemeldet, und so ist der Kontakt entstanden.“ Der 74-Jährige hat rasch gemerkt, dass er es mit zwei besonderen jungen Männern zu tun hat: „Sie sind intelligent, sie wollen möglichst rasch viel lernen, eine Ausbildung machen und sich bei uns integrieren. Solche Menschen können eine große Bereicherung für unsere Gesellschaft sein.“ Um ihnen den Start in ein neues Leben zu erleichtern, ist Doleski immer zur Stelle, wenn seine Unterstützung benötigt wird: Er begleitet Nazari und Ayazi bei Arztbesuchen und Behördengängen, steht ihnen zur Seite, wenn ein Sprachkurs erkämpft werden muss, fungiert auch mal als Chauffeur, wenn die beiden rasch von einem Ort zum anderen müssen - und vor allem steht er ihnen mit seinem Rat und seiner Erfahrung in allen Lebenslagen zur Seite.

Wie wertvoll ein guter Freund wie Uwe Doleski sein kann, wird den jungen Männern immer dann besonders klar, wenn sie sich mit anderen Flüchtlingen unterhalten. „Vieles ist so viel leichter, wenn man jemanden wie Uwe hat“, sagt Naghibolah Ayazi. „Man kann über alles mit ihm reden, er weiß immer einen Rat, und er setzt sich für uns ein. Andere Flüchtlinge, die niemanden wie ihn haben, fühlen sich oft sehr alleingelassen.“ Und was vielleicht das Wichtigste ist: Der engagierte Esslinger schenkt den beiden auch ein Stück Normalität. „Wir reden viel, essen auch mal zusammen, gehen etwas trinken und haben viel Spaß miteinander“, erzählt der 74-Jährige. „Und ich habe von den beiden viel gelernt. Ayazi kennt sich gut aus in persischer Literatur und hat mir da ganz neue Einblicke eröffnet. Und während sie ein wenig Deutsch von mir lernen, habe ich mein Englisch durch unsere Gespräche sehr verbessert.“

Alles tun für gelungene Integration

Nazari und Ayazi setzen alles daran, rasch die deutsche Sprache zu erlernen. Wie konsequent die beiden daran arbeiten, nötigt Doleski Respekt ab. Umso mehr ärgert es ihn, dass der Zugang zu Sprachkursen für Afghanen viel schwieriger ist als etwa für Syrer oder Iraker: „Das ist ungerecht. Die beiden mussten ihren Sprachkurs selbst finanzieren, was bei dem wenigen Geld, das sie haben, schwer ist. Viele scheitern allein daran. Dabei sollten wir froh sein über jeden, der sich rasch bei uns integrieren möchte. Integration darf nicht an Kleinigkeiten scheitern.“

Doch genau die gibt es: Mittlerweile wurde Ayazi nach Hohengehren verlegt. Nazari kam wegen einer Erkrankung, die sich inzwischen sehr gebessert hat, in eine Wohnung im Schwestern- und Ärztehaus im Ruiter Klinikum. Für beide ist ihre aktuelle Bleibe völlig ungeeignet: Nazari bekam einen der begehrten Plätze in einem Eingliederungsprogramm bei Daimler - um jeden Morgen zuverlässig um 6.30 Uhr in der Firma zu sein, muss er den Bus um 4.46 Uhr nehmen. Und Ayazi lebt in einem Zelt mit 80 weiteren Flüchtlingen. „Lesen, Deutsch lernen und mich aufs Studium vorbereiten - das ist in dieser Umgebung nicht möglich.“ Deshalb kämpft Uwe Doleski dafür, dass die beiden rasch eine neue Bleibe in Esslingen bekommen, in der der eine schneller zum Praktikum kommt und der andere mehr Ruhe findet oder die Vorzüge der Esslinger Stadtbücherei nutzen kann. „Ich würde liebend gern auf den Ehrenamtspreis verzichten, wenn Ayazi und Nazari dafür nach Esslingen in eine geeignete Unterkunft umziehen dürften. Das würde ihnen und mir vieles erleichtern, weil ich nicht immer zwischen Ruit und Hohengehren pendeln müsste.“

Damit endet unsere Serie, in der die EZ die sieben Gewinner des Ehrenamtspreises „Starke Helfer“ vorgestellt hat. Das Schwerpunktthema 2016 lautet „Zusammen leben ohne Grenzen“. Der Ehrenamtspreis ist eine gemeinsame Initiative der Stiftung Kreissparkasse und der Eßlinger Zeitung.