Reise mit ungewissem Ziel: Der Städtische Verkehrsbetrieb, zu dessen Flotte moderne O-Busse gehören, steht unter Druck. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Hermann Dorn

Aus Partnern werden Konkurrenten: Die Firmen Schlienz und Fischle wollen neben ihren bisherigen Zuständigkeiten auch die Buslinien des Städtischen Verkehrsbetriebs (SVE) übernehmen. Neben dieser Bietergemeinschaft soll es weitere Firmen geben, die sich um den Zuschlag für den öffentlichen Nahverkehr in Esslingen bemühen. Beobachter sehen eine ernste Gefahr, dass der SVE den Kürzeren ziehen wird.

Im Ringen um die Vergabe der Buslinien hat in Esslingen die heiße Phase begonnen. Hinter der Absicht der Stadt, alle Aufträge zunächst an den SVE zu vergeben und in einem weiteren Schritt 51 Prozent der Dienstleistungen für private Partner auszuschreiben, steht plötzlich ein dickes Fragezeichen. Kurz vor Ablauf der Frist haben sich mindestens zwei Privatfirmen beim Regierungspräsidium gemeldet und erklärt, dass sie ab 2018 sämtliche Linien bedienen wollen. Zu Einzelheiten gibt die Behörde keine Auskunft. Verbunden sind die Bewerbungen mit dem Angebot, die Leistungen eigenwirtschaftlich zu erbringen. Eigenwirtschaftlich: Das heißt, dass die Rechnung ohne Zuschüsse aufgeht. Bisher unterstützt die Stadt den SVE sowie die Partner (neben Schlienz und Fischle geht es um Schefenacker) mit 3,5 Millionen Euro.

Die Behörde hat jetzt die Aufgabe, die Offerten zu prüfen. Sollten sich diese als belastbar erweisen, wäre der SVE aus dem Rennen. 160 Mitarbeiter des Unternehmens müssten dann mit ihrer Entlassung rechnen. Noch ist es aber nicht soweit. Noch prüft die Behörde, ob die Mitbewerber ohne öffentliche Zuschüsse in der Lage sein werden, ökologischen Standard und Qualität des Fahrplans zu garantieren.

Warnung vor Lohndumping

Die Gewerkschaft Verdi sieht die Gefahr, dass der Preiskampf auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen wird. Aggressive Konkurrenten, die auf dem Vormarsch seien, würden ihren Fahrern teilweise maximal 2200 Euro pro Monat bezahlen, heißt es. Damit wachse der Druck auf Firmen, die sich an den Tarifvertrag halten und 600 Euro mehr überweisen. Verdi spricht bereits von der Gefahr, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse zum Normallfall werden.

Martin Gross, stellvertretender Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Verdi, hat gestern in Esslingen eine kritische Begleitung des weiteren Verfahrens angekündigt, das bis zu einer Entscheidung mehrere Monate dauern könnte. „Wir werden um die Arbeitsplätze beim SVE kämpfen“, sagt er, wobei er über die Erfolgschancen nicht spekulieren will. Für eine Einschätzung fehlten ihm Informationen über die Angebote der Konkurrenz, begründet er seine Zurückhaltung.

Der Verdi-Funktionär übt in diesem Zusammenhang scharfe Kritik an CDU und FDP, die 2013 mit einem neuen Gesetz zur Personenförderung die Direktvergabe der Buslinien an kommunale Unternehmen deutlich erschwert hat. Für Gross werden die Folgen dieser umstrittenen Liberalisierung immer deutlicher. „Bundesweit droht eine Privatisierungswelle“, sagt er und fordert mit Rücksicht auf die Folgen für Beschäftigte und - wegen möglicher Qualitätseinbußen - für Fahrgäste von der Bundesregierung eine Korrektur des Gesetzes.

Auftakt in Pforzheim

Pforzheim, wo 240 Mitarbeiter des kommunalen Unternehmens ihre Stelle verloren haben, sei nur der Anfang des Prozesses gewesen, so Gross. In Esslingen drohe sich dieser Einschnitt zu wiederholen. Sorge bereitet ihm unter solchen Umständen die Aussicht, dass das Thema in den nächsten Jahren auch in Stuttgart, Reutlingen und Tübingen auf die Tagesordnung rücken dürfte. Konstanz bildet in diesem Zusammenhang für Verdi immerhin einen Lichtblick. Laut Gross hat die Direktvergabe des Nahverkehrs an den kommunalen Betrieb geklappt, obwohl es auch dort private Konkurrenten mit einer eigenwirtschaftlichen Kalkulation gab.

stellungnahmen

Ingo Rust: Der Esslinger Finanzbürgermeister Ingo Rust hat gestern erneut betont, die Stadt werde die Anträge der privaten Konkurrenz sehr genau anschauen. Momentan könne er sich nicht vorstellen, dass es ohne öffentliche Zuschüsse möglich sei, die heutigen Standards im öffentlichen Nahverkehr zu erfüllen, merkt er an. Das gelte umso mehr, als der private Betreiber in diesem Fall allein für die Trasse der Oberleitungsbusse jährlich eine Million Euro an die Stadt bezahlen müsse. In dem Verfahren, das beim Regierungspräsidium angesiedelt ist, werde die Stadt die Belastbarkeit der Angebote sehr genau prüfen. „Es bringt uns nichts, wenn ein Unternehmen innerhalb von zwei Jahren in die Insolvenz geht“, sagt Rust.

Eberhard Schlienz: Der Geschäftsführer des gleichnamigen Busunternehmens begründet den Versuch, gemeinsam mit der Firma Fischle den Zuschlag für das gesamte Busnetz in Esslingen zu bekommen (bisher bedienen sie 51 Prozent des Netzes), mit der Sorge um die Zukunft des Unternehmens. „Wir sind zu diesem Vorstoß gezwungen“, sagt er. Schlienz ist sicher, dass es weitere Konkurrenten gibt, die ohne Zuschüsse das ganze Netz betreiben wollen. Hätte man ihnen das Feld überlassen, wäre zu befürchten gewesen, dass Fischle und Schlienz ganz aus dem Spiel sind.