Von Maria Krell

„Kritiker sind wie Eunuchen: Sie wissen zwar, wie es geht, können es aber nicht“ - diesen Spruch hat Filmkritiker Wolfram Hannemann schon länger als persönliche Herausforderung verstanden. Mit seinem ersten längeren Dokumentarfilm „Lob ist schwerer als Tadel - Stuttgart und seine Filmkritiker“ hat er sie nun auch angenommen. Das Ergebnis können Zuschauer am kommenden Donnerstag , 16. Februar, ab 19 Uhr im Kommunalen Kino in Esslingen beurteilen - und selbst einmal kritisch hinterfragen, denn im Anschluss an die Vorstellung stehen Regisseur und einige Protagonisten Rede und Antwort.

In dem eineinhalbstündigen Werk setzt sich Hannemann, der selbst seit Jahren als Filmkritiker für die Stuttgarter Zeitung schreibt, mit seiner eigenen Zunft, deren Arbeit und dem schwierigen Umgang mit Lob und Tadel auseinander.

Der Dokumentarfilm portraitiert neun bekannte Filmkritiker aus Stuttgart, die von ihren Erfahrungen und Lieblingsfilmen erzählen. Sie erklären außerdem, warum es mitunter einfacher ist, einen Film zu zerreißen als in den Himmel zu loben, und Lob oft verhaltener, in den meisten Fällen sogar schwerer als Tadel sei. Das Urteil seiner Kollegen habe Hannemann bei den Dreharbeiten überrascht: „Ich habe das selber nie so empfunden. Lob bedeutet ja, dass man etwas ganz Tolles gesehen hat.“ Allerdings, räumt der Kritiker-Schrägstrich-Regisseur ein: „Lob ist vielleicht schwieriger, weil man es genau begründen muss. Bei einem Verriss reichen oft schon zitierte Dialoge“, um dem Urteil Argumente zur Seite zu stellen.

Hannemann selbst möchte in seiner Rolle als Filmkritiker nur ungern zum Tadler werden, aber das lasse sich nicht vermeiden: „Man kann einen schlechten Film nicht künstlich hochloben. Wir als Kritiker müssen schließlich vertrauenswürdig bleiben.“ Wenn alles immer schlecht geredet oder gelobt würde, glaube einem schnell keiner mehr. Die Seiten zu wechseln, vom Filmkritiker in die Rolle des Filmemachers zu schlüpfen, hat sich auch in Hannemanns Ansichten niedergeschlagen: „Durch die eigene Filmerei bin ich für die Werke von Kollegen sensibilisiert worden. Als unbedachter Kritiker schimpft man schnell etwas in Grund und Boden und überlegt sich oft gar nicht, was für ein immenser Aufwand hinter der Produktion steht.“

Auch Zuschauer, die Filmkritiken lesen, sollen von dem Werk profitieren können: „Viele Leute lesen Filmkritiken und wissen nicht, wer sie eigentlich schreibt. Der Film gibt den Namen ein Gesicht. Man bekommt mit, wie diese Menschen ticken und welchen Geschmack sie haben“, sagt Hannemann. Kritik sei stets etwas Subjektives, sich im Lauf der Zeit Änderndes und in jedem Fall Geschmackssache. Vielleicht lesen die Zuschauer nach dem Dokumentarfilm die Kritiken mit anderen Augen.

Und wie haben die Kritiker-Kollegen das Werk bewertet? Hannemann sei überrascht, wie positiv der Film im Großen und Ganzen aufgenommen worden sei. Kritisiert hätten die Kollegen aber oft die Protagonisten und deren Aussagen - also sich selbst.

Der Film startet Donnerstag, 16. Februar, um 19 Uhr im Kommunalen Kino in Esslingen. Im Anschluss stehen der Regisseur und Kritiker für Fragen zu Verfügung. Der Eintritt kostet 7,50 Euro.