Andreas Rapp betrachtet im Weiler Hof seine Kartoffeln. Diese haben trotz schützender Frostberegnung gelitten. Foto: Dietrich - Dietrich

Wegen der hohen Temperaturen und des sonnigen Wetters in den vergangenen Wochen war die Natur deutlich früher dran als üblich. Das rächt sich nun, denn das Wachstum und die zu erwartende Ernte können in einer einzigen kalten Nacht zerstört sein. Weingärtner, Landwirte und Kleingärtner sind besorgt, auf der Hut und auch machtlos.

Von Peter Dietrich

Bei den Weingärtnern Esslingen hängt alles von der Sorte ab. „Dem Riesling hat die Kälte fast nichts gemacht“, sagt Otto Rapp. „Aber beim Lemberger ist die Hälfte kaputt, beim Muskateller sind es 80 Prozent.“ Ob am Hang oder auf der Ebene, mit Trockenmauern oder ohne – die Schäden seien überall gleich. Der Trollinger könne direkt hinter der Mauer geschädigt sein. Seit 1971 habe es keine größeren Schäden mehr wegen Frühjahrsfrost gegeben. „Wir haben schon nicht mehr daran geglaubt.“ Nun spricht Rapp in der Summe von Schäden „von 50 Prozent und mehr“.

Die Tafeltrauben im Weiler Hof sind ein trauriger Anblick, viele Triebe sind in der Nacht zum Donnerstag erfroren. Andreas Rapp hofft, dass aus schlafenden Augen Triebe nachkommen. Allerdings sei die Fruchtbarkeit am Haupttrieb am höchsten. Das bedeutet, dass die Pflanzen zwar austreiben, aber trotzdem keinen Ertrag bringen. Die Arbeit sei aber dieselbe, auch ohne Ernte. Bei den Kartoffeln hat er es mit der Frostberegnung versucht, ein Eispanzer sollte die Pflanzen schützen. Die beregneten Pflanzen sehen besser aus als die in der Ecke, in die das Wasser nicht mehr hinkam. Gelitten haben sie aber auch.

Die Zucchini im Gewächshaus hat Rapp zusätzlich mit einem Vlies abgedeckt: „Das bringt nochmals zwei, drei Grad.“ Nebenan steht Petersilie: „Der ist die Kälte egal, dem Kohlrabi und Salat auch.“ Ob die trotz Abdeckung geschädigten Bohnen nochmals kommen, weiß Rapp noch nicht. Dem Unkraut hat die Kälte nicht geschadet, auch der Blumenkohl zeigt sich unbeeindruckt. „Man kann den Schaden noch nicht definieren“, sagt Rapp im Überblick. Das Problem sei, dass alles acht bis zehn Tage früher dran sei, sonst hätte die Kälte weniger geschadet. Er rät den Kunden zu Geduld, bis die Frostgefahr vorbei ist. Wenn einer bei ihm Tomaten zum Pflanzen kaufen wolle, warne er: „Wir verkaufen ja gerne, aber Sie werden nochmals kommen.“

Im Hofgut Sirnau ist Trauerarbeit abgesagt – seelisch und ganz praktisch. Von Ahorn bis Zierapfel sind viele Pflanzen erfroren, manche waren sie schon verkauft und vom Kunden nur noch abzuholen. Ersatz sei so schnell nicht zu beschaffen, sagt der Chef Walter Bräuninger, denn viele große Ziergehölze erforderten eine jahrelange Aufzucht. Besonders frisch ausgetriebene Laubgehölze seien betroffen. „Bei minus fünf Grad sind die extra dünnen, prall mit Wasser gefüllten Zellwände geplatzt.“ Das Hofgut wird seine Topfpflanzen austopfen müssen, um die Wurzeln zu begutachten: Sind sie noch weiß und gesund oder braun? Bräuninger sorgt sich nicht nur um seinen eigenen Schaden, sondern auch um die Kunden und gibt Tipps: Sie sollten etwa zehn Tage warten und eine geschädigte Laubpflanze dann um ein Viertel bis ein Drittel zurückzuschneiden. Was welk aussieht, müsse weg, das Holz solle im Querschnitt keinen braunen Ring mehr zeigen. „Dann treiben nach vier bis sechs Wochen die schlafenden Knospen aus.“ Bis dahin dürfe nicht gegossen werden: „Die Saugwirkung der Blätter ist entfallen, das wäre deshalb ihr sicherer Tod.“

Gebhard Räcke, stellvertretender Leiter des städtischen Grünflächenamts, sieht die Kälte hingegen ganz gelassen. Noch seien Pflanzen in den Betten, die Frost vertragen, die Sommerbepflanzung komme zur Sicherheit vor Spätfrösten erst in der dritten oder vierten Maiwoche. Die Oleander sind bereits aus ihren Winterquartieren in die Stadtmitte zurückgekehrt. „Sie vertragen bis zu sieben Grad minus“, sagt Räcke. Ihm wäre es recht, wenn die Kälte auch den Raupen des Buchsbaumzünslers schaden würde, der schon wieder kräftig unterwegs sei. „Das ist aber nur eine Hoffnung.“
Um gefrierende Wasserleitungen macht sich Klaus Süpfle, Vorsitzender der Gartenfreunde Seracher Heide, keine Sorgen. „Seit zwei Wochen ist die Wasserversorgung offen, aber die Leitungen sind gut isoliert.“ Wer gieße, müsse nachher den Schlauch leerlaufen lassen, aber die Leute wüssten das. Doch Süpfle hat in der Anlage Schäden an den Pflanzen beobachtet: „Die Süßkirsche ist braun, die dürfte erfroren sein.“ Auch frühe rote Träuble seien geschädigt. „Die Erdbeeren waren zum Glück zugedeckt.“ Rosen dürften die Kälte wohl überstehen, aber die Hortensie könnte die Kälte erwischt haben. „Das ist halt die Natur“, sagt Süpfle, man könne nicht alles einpacken.

Bei den Kleintierzüchtern Z200 Altbach gilt die Sorge von Lotte Klein den Tieren. Jeden Tag muss frisches Wasser rein, denn die Tränken gefrieren in der Nacht. Lotte Kleins Gans Emma zeigte sich von der Kälte unbeeindruckt. Sie hatte schgon am Ostermontag ein Ei gelegt – mit stolzen 22 Gänsejahren.