Der Vorsitzende der  CDU-Landtagsfraktion Guido Wolf (von links), der Landesvorsitzende der CDU Thomas Strobl, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die Landesvorsitzende der Grünen Thekla Walker bei den Koalitionsverhandlungen in Stuttgart. Foto: dpa - dpa

Von Julia Giertz

Stuttgart - Gut drei Wochen nach der Landtagswahl beginnen die Mühen der Ebene: In Feinarbeit wird ab heute am Fundament der bundesweit ersten grün-schwarzen Landesregierung gebaut. In neun Gruppen arbeiten die Koalitionäre in spe. Die Themen reichen von Arbeitsmarktpolitik bis Zuwanderung. Die Ergebnisse münden in den Koalitionsvertrag, auf dessen Basis Grüne und CDU in den kommenden fünf Jahren gemeinsam regieren wollen. Neben inhaltlichen werfen die Koalitionsgespräche auch personelle Fragen auf. Etwa, ob die Leiter der Arbeitsgruppen dann auch mit Ministerposten belohnt werden.

Die Sprecherin der Südwest-Grünen winkt ab: „Bei der Besetzung der Arbeitsgruppen geht es nicht um Posten, sondern rein um Fachlichkeit.“ Ähnliches ist aus der CDU zu hören. CDU-Fraktionsvize und Ex-Agrarstaatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch, die die Arbeitsgruppe für den ländlichen Raum/Verbraucherschutz für ihre Partei leitet, betont: „Es gibt keine Vorfestlegungen.“ Personalien würden erst besprochen, wenn man sich inhaltlich geeinigt habe.

Doch Experten schenken den Beteuerungen keinen Glauben. Der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling meint: „Ich gehe davon aus, dass die Arbeitsgruppen Sprungbretter sind für Minister- und Staatssekretärsposten.“ Wenn sich insbesondere die Leiter der Arbeitsgruppen - von jeder Partei einer - Hoffnungen auf Funktionen in der künftigen Landesregierung machten, sei dies nicht unbegründet. „Das zeigt die Erfahrung“, betont Wehling.

CDU-Bezirkschefs reden mit

Wer gibt in den Arbeitsgruppen nun jeweils den Ton an? Bei den Christdemokraten sind unter den führenden Leuten die Bezirkschefs, so Thomas Bareiß (Südwürttemberg-Hohenzollern) und Steffen Bilger (Nordwürttemberg), die für ihre Partei die Arbeitsgruppen Wirtschaft/Finanzen beziehungsweise Verkehr leiten. Bei den Grünen führen die vier Minister Franz Untersteller, Winfried Hermann, Theresia Bauer und Alexander Bonde die zu ihrem bisherigen Ressort passenden Arbeitsgruppen zu Umwelt, Verkehr, Hochschulen und ländlicher Raum/Verbraucherschutz. Dass diese bewährten Experten auch dem nächsten Kabinett angehören, liegt nahe.

Auf beiden Seiten gibt es mit Bonde und dem grünen Landeschef Oliver Hildenbrand zwei Politiker, die gleich zwei Arbeitsgruppen leiten: Bonde ist auch Frontmann beim Thema Wirtschaft/Finanzen. Hildenbrand vertritt seine Partei an der Spitze der Arbeitsgruppen zu Arbeitsmarkt-, Sozial- und Familienpolitik sowie zu Inneres/Justiz. Gerade das Innenressort, vor allem falls es um die Zuständigkeit für Integration erweitert wird, eröffnet Platz für Personalspekulationen.

Fachmann Wehling prognostiziert, dass der CDU-Landesvorsitzende und innenpolitisch versierte Bundestagsabgeordnete Thomas Strobl nach diesem Ressort greifen wird, wenn er sich für die Landespolitik entscheidet.

Strobl wird Hoffnungsträger

Auch das Finanzministerium, das nach Wehlings Prognose wieder vom Wirtschaftsministerium getrennt wird, komme für ihn in Frage: „Der Schwiegervater weiß, was man da alles bewegen kann“, sagt der Wissenschaftler mit Blick auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Mit dessen Tochter ist Strobl verheiratet. Auf den Politprofi könne die Südwest-CDU nicht verzichten. Der CDU-Bundesvize gehört derzeit zum vierköpfigen Kern-Verhandlungsteam seiner Partei.

Auch CDU-intern weiß man: „Grün-Schwarz wird nur funktionieren, wenn Strobl dabei ist.“ Er bringe - anders als der gescheiterte Spitzenkandidat Guido Wolf - die nötige Leidenschaft für so ein Bündnis mit, sagt eine Christdemokratin hinter vorgehaltener Hand. Der gegen Wolf beim Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur unterlegene Strobl könne sich dann als Vize-Regierungschef profilieren, sich für die Wahl 2021 als Spitzenkandidat küren lassen und so die Macht für die CDU zurückerobern.

Welche möglichen Personalien ergeben sich aus der Arbeitsgruppe Bildung? Diese steuern die Grünen-Landeschefin Thekla Walker und der CDU-Abgeordnete Georg Wacker. Letzterer hat unter Minister Helmut Rau (CDU) schon einmal den Staatssekretär-Posten im Kultusressort bekleidet. Dass die Grünen das Kultusressort den Christdemokraten überlassen, hält Wehling für wahrscheinlich. „Das ist eine Schlangengrube, da hat man ständig Lehrer und Eltern im Nacken.“ Die Grünen gingen im Gegensatz zu ihrem bisherigen Koalitionspartner SPD bei der Ressortverteilung mit viel Bedacht vor: „Sie beanspruchen nur die Ministerien, die zu ihrem Image passen und für die sie die geeigneten Leute haben.“