Von Hermann Neu

Stuttgart - Die Windenergiebranche setzt auf weiteren Ausbau und fordert vom Bund, die Ziele über 2019 hinaus zu erhöhen. Mit 120 Anlagen und 335 Megawatt Leistung zusätzlich im Südwesten war 2016 ein Spitzenjahr. Laut dem Landesvorsitzenden des Bundesverbands Windenergie, Christian Oberbeck, gibt es weiter ein großes Potenzial. 200 weitere Anlagen mit 650 Megawatt seien bereits genehmigt.

Der Verband erwartet auch mit Blick auf die Elektromobilität die Verdoppelung des Strommarkts. Oberbeck und der Präsident des 20 000 Mitglieder starken Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, forderten gestern in Stuttgart den Bau weiterer Windräder. Dies müsse nicht zuletzt mit Blick auf die Klimaziele erfolgen, denen der Bund auf verschiedenen internationalen Konferenzen zugestimmt hat. In den vergangenen Jahren habe es pro Jahr bundesweit ein Plus von etwa 4000 Megawatt gegeben. 2017 und 2018 werde die Zahl noch überschritten, weil Investoren noch von günstigen Bedingungen profitieren wollten.

Nach der Umstellung vom aktuellen Fördersystem mit bereits sinkenden Festpreisen auf Ausschreibungen um den niedrigsten Strompreis werde es aber bis 2019 einen im Erneuerbare-Energien-Gesetz politisch gewollten Rückgang auf 2800 Megawatt geben. Dies werde nicht mehr reichen, um die Ziele bei der Verminderung des Ausstoßes an klimaschädlichem Kohlendioxid zu erreichen, argumentierte Albers. Für die vom Bund zugesagten CO2-Reduzierungsziele sei bei der Windkraft ein Plus von 4000 bis 4500 Megawatt pro Jahr nötig. Das Festhalten an den Klimazielen müsse Thema im Bundestagswahlkampf werden. Entscheidend werde auch, wie stark der Rückgang der Kohleindustrie ausfalle.

Laut den weiteren Angaben steht die Branche vor einem Wandel hin zu immer größeren Betreibern. Albers befürchtet, dass mittelständische Akteure verschwinden. Dies müsse nicht zwingend passieren. Das Beispiel der Photovoltaikbranche zeige aber, wie es laufen könne. Dort gebe es nur noch zehn große Akteure - neun aus China und einen aus den USA. Der Übergang zur Ausschreibung schaffe zudem andere Prämissen. So werde fraglich, ob eine Investition in die Windkraft zum Beispiel als Altersvorsorge noch sicher sei.

Oberbeck sieht im Land in den für die Windkraft günstigen Bereichen im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb sowie in Hohenlohe in den kommenden Jahren weiter ein großes Potenzial. Auch in weniger günstigen Randlagen dieser Flächen könnten moderne Windräder wirtschaftlich betrieben werden. Früher hatten die Anlagen Rotoren von etwa 100 Metern Durchmesser. Heute werden Windräder mit 120 bis 140 Metern Radius und entsprechender Höhe gebaut. Das Ziel der Landesregierung, 2020 zehn Prozent des Stroms mit dann etwa 1200 Windrädern zu produzieren, ist für Oberbeck nur realistisch, wenn die gegenwärtige Dynamik anhält.

Die zum Teil heftigen Debatten über den Bau von Anlagen seien „in der Breite deutlich sachlicher geworden“, berichtete Oberbeck. Trotz spektakulärer Havarien von Windrädern im Norden der Republik in jüngster Zeit hält der Bundesverband die Anlagen für sicher. Die Verfügbarkeit der bundesweit inzwischen 27 000 Windräder beträgt laut Albers 98 Prozent und die Ausfallquote 0,01 bis 0,03 Prozent. Man könne bei den Havarien weiter von Einzelfällen sprechen, wenngleich auch ihn selbst die Schäden an vier großen Anlagen allein in den vergangenen vier Wochen „überrascht“ hätten.