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Von Oliver Schmale

Stuttgart - Vordenker und Visionär: Erhard Eppler hat die SPD über Jahrzehnte geprägt und ist zugleich ihr Gewissen gewesen. Der streitbare Sozialdemokrat feiert heute seinen 90. Geburtstag. Ihm zu Ehren veranstaltet die SPD einen Empfang im Landtag, zu dem sich neben früheren Weggefährten auch Bundesparteichef Sigmar Gabriel angemeldet hat.

Als einer der Ersten thematisierte Eppler die Risiken der Atomkraft und kritisierte, dass ein höheres Bruttosozialprodukt nicht automatisch mehr Wohlstand für alle in der Welt bedeute. Sein Verhältnis zu den Sozialdemokraten war lange von Spannungen geprägt. „In meiner Zeit als aktiver Politiker habe ich mich fast jede Woche über die Partei geärgert“, räumt Eppler heute ein. Er ist seit 60 Jahren SPD-Parteimitglied und lebt in Schwäbisch Hall.

Als Entwicklungshilfeminister trat er 1974 zurück, nachdem der Nachfolger von Bundeskanzler Willy Brandt, Helmut Schmidt, gerade einmal sieben Wochen im Amt war. Hintergrund waren unterschiedliche Meinungen über die finanzielle Ausstattung des Ressorts. Eppler hatte sich zugleich gegen eine zu enge Verbindung von Außenpolitik und Entwicklungshilfe gewandt. Das Verhältnis zwischen Schmidt und dem 1926 in Ulm als Sohn eines Lehrers geborenen Eppler galt als angespannt. „Ich habe es aber nie bereut, dass ich der SPD beigetreten bin. Ich bin ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat“, sagt der ausgebildete und promovierte Lehrer, der Englisch, Deutsch und Geschichte studiert hat. Er unterrichtete für kurze Zeit und gründete zunächst die Gesamtdeutsche Volkspartei mit. 1956 wechselte er dann zur SPD. 1961 zog er über die baden-württembergische Landesliste in den Bundestag ein. Dort machte er schnell Karriere - unter Brandt wurde er 1968 Entwicklungshilfeminister.

Gottesfürchtig und kampfeslustig

Nach seinem Rücktritt im Bund widmete Eppler sich verstärkt der Landespolitik in Baden-Württemberg. Landeschef war er von 1973 bis 1981. Obwohl Eppler in seinem SPD-Landesverband im Programm den langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie durchsetzte, zogen die Grünen 1980 in den Stuttgarter Landtag ein. Die Konsequenz: Eppler nahm ein Jahr später seinen Hut. Davor war er zweimal erfolgloser Spitzenkandidat bei Landtagswahlen im Südwesten.

Von 1973 bis 1992 leitete der gottesfürchtige und kampfeslustige Bildungsbürger die SPD-Grundwertekommission. Die dortige Integrationsarbeit sei besonders interessant gewesen. „Da war der Bedarf in den 1970er-Jahren besonders groß. Man musste Ökonomie, Ökologie, Gewerkschafter und Friedensbewegung zusammenbringen. Vor allem die Ökologie war etwas Neues. Und Teil eins der politischen Ökologiediskussion fand in der SPD statt“, sagt er. Der Vater von vier Kindern vertrat schon früh Positionen, die heute von den Grünen eingenommen werden. Eppler war in der Evangelischen Kirche und in der Friedensbewegung aktiv. Er selber schrieb sich eine „Scharnierfunktion“ zwischen den Sozialdemokraten und den Friedenaktivisten zu, die gegen den Nato-Doppelbeschluss kämpften. Seinen Posten als SPD-Vorstandsmitglied im Bund räumte er 1991.

Seitdem hat er sich mit mehr als 20 Büchern und zahlreichen Aufsätzen zu Wort gemeldet oder bei Parteitagen: So warb er 1999 für den Einsatz im Kosovo-Krieg oder für die Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder. Beim umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21 sorgte er als einer der Initiatoren des Volksentscheids dafür, dass es ein Ventil für die Konflikte seiner Partei mit den Grünen gab. Dass er vor und hinter den Kulissen sehr gegen das Projekt war, nahmen ihm nicht wenige in der Partei krumm.