Daraus wird keine Traube: ein erfrorener junger Trieb an einer Rebe. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Berlin/Stuttgart (dpa/hn) - Angesichts der Luftverschmutzung in vielen Städten fordert der Deutsche Städtetag zügig die Einführung einer „blauen Plakette“ zur Kennzeichnung emissionsarmer Dieselfahrzeuge, wie sie auch die Landesregierung fordert. Die Stuttgarter CDU lehnt derweil die gestern vom grün-schwarzen Landeskabinett beschlossenen Fahrverbote ab.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kündigte Ausnahmen etwa für den Lieferverkehr und Handwerker an, wenn der neue Luftreinhalteplan in Kraft tritt: „Niemand will Stuttgart lahmlegen.“ Die Umsetzung der Maßnahmen werde nicht einfach. „Wir als Stadt setzen darauf, dass das Land uns dabei unterstützt.“

„Deutschlandweit haben etwa 80 Städte große Probleme mit zu hohen Stickoxidwerten, die vor allem durch Dieselfahrzeuge verursacht werden“, erklärte Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Deshalb brauchen wir zügig eine Regelung durch den Bund, wie emissionsarme Dieselfahrzeuge gekennzeichnet werden können, also eine blaue Plakette.“ Zudem sei ein Förderprogramm notwendig, um den öffentlichen Nahverkehr, besonders die Busflotten, auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten.

Der Städtetag begrüßte die geplanten Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge in Stuttgart. Bei Feinstaubalarm sollen ab dem kommenden Jahr besonders belastete Straßen in Stuttgart für viele Dieselfahrzeuge gesperrt werden, die nicht die aktuelle Abgasnorm Euro 6 erfüllen.

Aufwendiges Instrument

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und die Landesumweltminister hatten sich blaue Plaketten für schadstoffarme Autos gewünscht, waren damit aber bei den Kollegen der Verkehrsressorts auf Widerstand gestoßen. Die geplanten Fahrverbote in Stuttgart stoßen beim Bundesumweltministerium auf Zustimmung. „Die hohen Schadstoffwerte haben sich in einigen deutschen Städten zu einer ernsthaften Gesundheitsbelastung entwickelt“, sagte ein Ministeriumssprecher in Berlin. Es sei gut, dass die Landesregierung das Mögliche unternehme, solange es keine bundesweiten Instrumente gebe. „Das für Stuttgart gewählte Instrument ist im Vollzug vergleichsweise aufwendig, daher wären auch uns andere Lösungen lieber“, sagte der Sprecher. Allerdings sei derzeit keine Mehrheit im Bundesrat für eine Plakettenlösung absehbar.

Die CDU Stuttgart lehnt die vom Landeskabinett beschlossenen Fahrverbote ab, erklärte der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann. Als Grundlage setze die Landesregierung auf die noch nicht existente Blaue Plakette. Es sei jedoch nicht zu erwarten, dass diese bis 2018 bundesweit eingeführt wird. „Angesichts der Tatsache, dass nur etwa sieben Prozent des Feinstaubs von Emissionen des Verbrennungsmotors verursacht werden, stellt das mögliche Verbot aus unserer Sicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Besitzer von solchen Dieselfahrzeugen dar“, sagte Kaufmann.

Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Stoch, erklärte, zur Verringerung der Schadstoffbelastung in Stuttgart seien sicherlich einschneidende Maßnahmen erforderlich. „Doch dafür brauchen wir die Akzeptanz der Menschen. Mobilität darf nicht zur neuen sozialen Frage werden.“ Die Einführung der Blauen Plakette, die ohnehin nur auf Bundesebene möglich sei, komme für die SPD nur als Ultima Ratio in Betracht. Bei ihrer Einführung müssten Übergangsfristen gewahrt werden, damit die Besitzer von modernen Euro 5-Fahrzeugen, die in gutem Glauben ihren CO2-armen Diesel gekauft hätten, nicht faktisch mit einem sofortigen Fahrverbot bestraft werden. „Für Lieferanten und Handwerker sind Ausnahmen sowieso absolut zwingend.“ Wichtiger als Fahrverbote sei es, den Öffentlichen Personennahverkehr auszubauen und attraktiver zu machen.

Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jochen Haußmann, kritisierte, die CDU habe „bei der Thematik Fahrverbote jede Glaubwürdigkeit verloren“. Bis zur Wahl sei die CDU gegen die Blaue Plakette und Fahrverbote gewesen. Jetzt zählten die damaligen Argumente nicht mehr.

„Anstatt Verbote auszusprechen und Menschen zu gängeln, sollten erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um den Individualverkehr einzudämmen. ÖPNV und Schienenverkehr müssen ausgebaut und zusätzlich die Taktzeiten verbessert werden“, erklärt der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, Bernd Gögel.