Eng wird es auch in der Stadtbibliothek in Stuttgart. Foto: Christoph Schmidt Foto: DPA - Christoph Schmidt

Stuttgart (dpa/lsw) - Flüchtlinge drängen in die Bibliotheken im Land - die Betreiber klagen vermehrt über Platzmangel. „Die Leute bleiben lang, das bringt uns an Grenzen“, sagt die Geschäftsführerin des Bibliotheksverbands in Baden-Württemberg, Monika Ziller. Neben Flüchtlingen, die Bibliotheken als Lern- und Aufenthaltsort schätzten, an dem sie Internet nutzen können, kämen auch immer mehr Schüler zum Arbeiten in die Bibliothek. Die Städte reagieren mit unterschiedlichen Ideen, um Gerangel und Platznot zwischen den Bücherregalen zu vermeiden.
In Heilbronn, Mannheim und Stuttgart sind die Arbeitsplätze in den Bibliotheken nachmittags so gut wie alle besetzt. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sagt die stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek Mannheim, Edith Strohm-Feldes. Wer zu spät komme, finde keinen Platz mehr. Jeder weitere Nutzer verschärfe das Problem. Man versuche die neuen Nutzer in Außenstellen zu lotsen, etwa mit einer dort angebotenen internationalen Zeitungsdatenbank.
Die Stadtbibliothek Heilbronn hat seit vergangenem Sommer 700 kostenlose Leseausweise an Flüchtlinge ausgegeben, damit machen sie knapp vier Prozent der insgesamt 18 000 Bibliotheks-Nutzer aus. Die Leiterin Monika Ziller fordert, dass die Träger der Büchereien auf die längere Aufenthaltsdauer der Nutzer reagieren und das Platzproblem langfristig angehen. Man könne zum Beispiel die Bücherbestände verdichten, damit Raum für Arbeitsplätze entsteht.
Die Stuttgarter Bibliothek hat schon genau so reagiert und mehr Arbeitstische aufgestellt, wie Sprecherin Meike Jung mitteilt. Besonders auf dem Stockwerk, das Lernmaterial für Deutsch als Fremdsprache beherbergt, sei die Ausleihezahl im vergangenen Jahr nach oben geschnellt. Wörterbücher und Wortschatztrainer wurden knapp 1600 mal ausgeliehen, im Vorjahr waren es nur 50 Ausleihen. Auch die zur Verfügung stehenden Laptops würden dort am häufigsten genutzt, sagte Jung - „ich denke für die Nutzung des Internets und den Austausch mit der Heimat“. Trotzdem sei die Stuttgarter Bibliothek fähig, den Bedarf zu decken.
Wie aber mit der neuen Kundschaft umgehen? Die Kommission für interkulturelle Bibliotheksarbeit des Deutschen Bibliotheksverbands wird mit Anfragen überhäuft. In sogenannten Webinaren - Seminaren im Internet - wird neuerdings den Büchereien von Flensburg bis Friedrichshafen erklärt, welche Bücher sie für fremdsprachige Nutzer in ihren Bestand aufnehmen können und wie Führungen für Flüchtlinge durch die Bibliothek aufgebaut sein sollen.
Kommissionsmitglied Nadin Cicek, Leiterin der Bücherei in Nordheim (Kreis Heilbronn) weiß, dass jedoch viele Bibliotheken, die Flüchtlingen ein passendes Angebot machen wollen, ein Etatproblem haben. „Wir bräuchten noch mehr Unterstützung, um spezielle Bücher zu kaufen“, sagt sie. Computergestützte Sprachlern-Programme könnten manche Häuser nicht anschaffen, weil das Geld fehle. Aktuell werden 50 000 Euro vom Kultusministerium an die Bibliotheken im Land verteilt, um Lernstationen für Flüchtlinge einzurichten.
Gelassen sieht man die Situation in Freiburg, Karlsruhe und Ulm, wo Flüchtlinge zwar zur Kundschaft gehören, das Platzmangel-Problem aber nicht besteht. Die Flüchtlingsheime in Freiburg seien mit W-LAN ausgestattet, teilte ein Stadtsprecher mit. „Das heißt, dass das Phänomen der Stadtbibliotheks-Besucher, die eigentlich nur kostenloses W-LAN haben wollen, in Freiburg unbekannt ist.“
Der stellvertretende Leiter der Ulmer Bibliothek, Alexander Rosenstock, weiß, dass die 140 Arbeitsplätze in seinem Haus immer mal wieder vollbelegt sind - etwa vor dem Abitur, wenn Schüler zum Lernen kommen. „Ich habe noch nie gehört, dass jemand zum Beispiel nicht an einen Katalogplatz konnte, weil die Flüchtlinge da sind.“ Er sieht es als moralische Pflicht der Bibliotheken, jedem den Zugang zur Bibliothek zu ermöglichen und mittelfristig ein Angebot zu machen. Die Flüchtlinge seien präsent in der Bibliothek - „meistens sehr unauffällig und dankbar“.