Von Stephen Wolf

Heilbronn - Es ist der erste Verhandlungstag in einem rätselhaften Mordprozess. Schon nach wenigen Minuten im Großen Strafkammersaal des Landgerichts Heilbronn wird klar, dass von allen Prozessbeteiligten Nervenstärke verlangt wird. Angeklagt ist ein 27 Jahre alte Mann, der aus Sicht der Staatsanwaltschaft aus religiösen Motiven eine Rentnerin ermordet haben soll. Seine Einlassungen sind langwierig, Antworten gibt es kaum.

Der Angeklagte trägt Trainingsanzug, Wollmütze und Vollbart. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, er sei in der Nacht zum 19. Mai 2016 in das Haus einer Familie in Bad Friedrichshall eingedrungen und habe dort eine 70 Jahre alte Frau erdrosselt, „um einen aus seiner Sicht ungläubigen Menschen umzubringen sowie Bargeld und Wertgegenstände zu entwenden“. Danach habe er arabische Schriftzeichen mit religiösen Botschaften im Haus hinterlassen.

Wie der 74 Jahre alte Ehemann des Opfers unter Tränen berichtet, hatte er seine erdrosselte Frau morgens mit einem Kreuz in den gefesselten Händen im Bett gefunden. Zuvor habe er entdeckt, dass ein Fremder im Haus gewesen sein musste. Türen standen offen, Geld und ein Smartphone waren verschwunden. Seine katholische Familie beschreibt er als religiös, Kontakt zu Flüchtlingen gab es keine.

Anwalt Tobias Göbel vertritt den früheren Lehrer und eine der beiden Töchter bei der Nebenklage. Opfer und mutmaßlicher Täter hätten sich nicht gekannt, sagt er. An religiös motivierten Mord glaube er nicht, eher an ein Kapitalverbrechen. Den Angeklagten belasten DNA-Spuren am Tatort und Baumwollfasern seiner Jacke sowie Schuhabdrücke, sagt der Vorsitzende Richter. Auch Zeugen gebe es, die den Tatvorwurf stützten. Der Angeklagte weist das zurück. „Alles Lüge“, übersetzt ein Dolmetscher die Worte, die der Angeklagte auf punjabi ruft, das vor allem in Pakistan gesprochen wird. Die bei ihm sichergestellte Tüte mit Geld und Wertgegenständen habe er am Bahnhof in Heilbronn gefunden. In der Tatnacht sei der Asylbewerber - wie in den Nächten zuvor - unterwegs gewesen, mal hier mal dort. Nicht aber in Bad Friedrichshall, beteuert der angeblich strenggläubige Muslim.

Er sehe sich als Opfer eines Komplotts, sagt er. Zeugen, die ihn belasten könnten, droht er mit dem Tod. Geboren sei er 1989 in Saudi-Arabien. Nicht in Pakistan, wie er früher behauptete. Ein genaues Datum kann oder will er nicht nennen. Seine Familie sei so reich, dass seine frühere Beschäftigung darin bestanden habe, das viele Geld zu zählen. Im elterlichen Haushalt gebe es zahlreiche Gewehre. Er beherrsche sechs Sprachen und sei im Dezember 2013 nach Deutschland gekommen um herauszufinden, wieso Saudi-Arabien in einen Krieg verwickelt wurde. Gegen Christen habe er nichts, in Notwehr könne man gegen sie natürlich Gewalt anwenden. Auch tödliche Gewalt. Manche Zuhörer lachen, andere blicken betreten zu Boden.