Foto: Symbolbild: SDMG

Stuttgart/Reutlingen – Mehr als 17 Jahre nach dem Mord an Patrick P. aus Marbach sind die Ermittlungen abgeschlossen. Die Kriminalpolizei hat drei Männer aus der Stuttgarter Drogenszene identifiziert, die den damals 18-Jährigen erschlagen haben sollen. Da aber alle drei längst an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben sind, bleiben viele Fragen unbeantwortet.

Von Jan-Philipp Schütze

Die Geschichte des Mordfalls reicht bis ins Jahr 1998 zurück. Damals zieht der aus Marbach am Neckar stammende Patrick P. nach seinem Schulabschluss nach Stuttgart, wo er in Modegeschäften und in der Gastronomie arbeitet und Kontakte zur Homosexuellenszene unterhält. Am 31. Juli 1999 wird Patrick P. zuletzt lebend in Stuttgart gesehen, dann fehlt von ihm jede Spur.

Am 15. September 1999 entdeckt ein Förster im Wald südlich der B 312 zwischen Pfullingen und Unterhausen ein fast vollständiges menschliches Skelett eines jungen Mannes. Ermittlungen der Polizei ergeben, dass der Unbekannte mit einem grün lackierten Werkzeug erschlagen und nackt im Wald verscharrt wurde. Um wen es sich bei dem Opfer handelt und wer die Tat begangen hat, ist unklar.

Die zuständige Polizeidirektion Reutlingen richtet die Soko „Schönberg“ ein, die sich zuvorderst auf die Identifizierung des Getöteten konzentriert. Doch weder eine groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung noch Zeugenaufrufe in den Fernsehsendungen „Aktenzeichen XY“ im November 2001 und „Ungeklärte Morde“ 2011 liefern neue Erkenntnisse. Rund 2000 Hinweise gehen ein, ein entscheidender ist nicht darunter. Die Familie von Patrick P. macht sich derweil Sorgen um seinen Verbleib und beginnt mit eigenen Nachforschungen. Im Juni 2013 starten seine Schwestern einen Suchaufruf in der Sat.1-Sendung „Bitte melde Dich“, schließlich meldet seine Mutter ihn bei der Polizei als vermisst. Ein DNA-Abgleich bringt im Herbst 2014 die traurige Gewissheit: Der im Wald gefundene Unbekannte kann zweifelsfrei als Patrick P. identifiziert werden. Zu diesem Zeitpunkt füllt der Fall bereits 68 Aktenordner, doch die eigentliche Aufklärung des Mordes beginnt erst.

Eine zehnköpfige Ermittlungsgruppe aus Beamten der Kriminalpolizeidirektionen Esslingen, Böblingen und Stuttgart nimmt das einstige Umfeld des Getöteten unter die Lupe und befragt rund 100 Personen. Im November 2014 wird in mehreren Zeitungen ein Zeugenaufruf mit einem Porträtfoto von Patrick P. veröffentlicht. 15 neue Hinweise gehen ein, die aber allesamt zu keinem konkreten Tatverdacht führen.

Am 20. Mai 2015 wird der Fall erneut in „Aktenzeichen XY“ ausgestrahlt – dieses Mal mit Erfolg. Ein Zeuge meldet sich bei der Polizei und gibt den Hinweis auf drei Männer, die einst der Stuttgarter Drogenszene angehört haben. „Es war das erste Mal, dass jemand konkrete Namen nennen konnte“, sagt Andrea Kopp, Sprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen. Endlich haben die Kriminalpolizisten eine heiße Spur. Ermittlungen ergeben, dass die aus dem Rems-Murr-Kreis stammenden Männer, die zur Tatzeit 26, 33 und 36 Jahre alt waren, Ende der 1990er-Jahre gezielt Personen aus der Homosexuellenszene ausraubten. „Um sich den nächsten Schuss zu finanzieren“, sagt Kopp. „Sie haben sich ihre Opfer bevorzugt im Milieu gesucht, da diese eher von einer Anzeige bei der Polizei absahen.“

Die Ermittler vermuten, dass so auch Patrick P. ins Visier der Männer geriet. Ihr Verdacht erhärtet sich, als weitere Puzzleteile passen. Der 33-Jährige und der 36-Jährige waren im September 1999 nach Spanien ausgewandert – kurz bevor das Skelett im Wald gefunden wurde. Dem 26-Jährigen wiederum gehörten mehrere am Fundort sichergestellte Gegenstände, darunter eine Sonnenbrille.

Für die Kripo ist der Fall abgeschlossen, doch warum Patrick P. getötet wurde, wird wohl für immer unklar bleiben. Sollte er ausgeraubt werden und die Situation eskalierte? Oder gab es ein anderes Motiv? Die Tatwaffe wurde nie gefunden, den Tatort kennt die Polizei bis heute nicht. Die drei mutmaßlichen Täter können weder befragt noch zur Rechenschaft gezogen werden. Sie sind 2001, 2002 und 2009 an den Folgen ihrer langjährigen Drogensucht gestorben.