Von Hermann Neu

Stuttgart - Der Anblick ist selten im Landtag: Im Dirndl mit weißem Rüschen-Oberteil attackiert die auch innerhalb der AfD weit rechts außen verortete Abgeordnete Christina Baum die Vollverschleierung islamischer Frauen und fordert ein generelles Verbot. Die eigene Kleidung im internationalen Alpenstil preist sie dagegen als Beleg für „Tradition und Heimatliebe“. Am totalen Blickschutz islamischer Frauen lässt Baum in der Debatte kein gutes Haar: Burka und Nikab seien ein „ideologisches Symbol“ der vollständigen „Unterdrückung der Frau im islamischen Kulturkreis“, die von ihrem Mann verachtet und als sein Eigentum betrachtet werde. Baum variiert damit ihr Standardthema: „Die Islamisierung Deutschlands schreitet unaufhaltsam voran“, warnt die blonde Zahnärztin aufs Neue.

Für die Totalverhüllung von Frauen finden sich im Parlament keine Anhänger. Ein generelles Verbot aber, wie es die AfD gestern als Gesetzesantrag eingebracht hat, lehnen Grüne, CDU, SPD und FDP unisono aus verfassungsrechtlichen wie auch aus integrationspolitischen Gründen ab.

„Antrag für schlichte Gemüter“

Und von der AfD durch die Manege treiben lassen will sich gleich gar niemand: „Sinnlose Debatte“, „Antrag für besonders schlichte Gemüter“ oder „Zinnober“ - die Ablehnung ist eindeutig.

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) hält anlassbezogene Verbote der Vollverschleierung etwa für Auftritte vor Gericht für sinnvoll und machbar und verweist auf die Unterstützung des Landes für eine entsprechende Bundesratsinitiative. Den AfD-Entwurf hält der Minister für einen „undifferenzierten Rundumschlag“. Auch mit der Inneren Sicherheit habe die Burka „so gut wie nichts zu tun“. Außerdem gehe es um ein Randproblem: Nur 50 bis 60 Frauen im Land seien voll verschleiert, die Hälfte davon konvertierte deutsche Staatsbürgerinnen. Einen Gesetzentwurf mit einer „Gruppen-Diskriminierung“ könne es nicht geben, warnt Lucha.

Und wer auf Frankreich mit seinem vor fünf Jahren beschlossenen und vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gebilligten Burka-Verbot verweise, dürfe die dortige laizistische Verfassung nicht außer Acht lassen. Wer in Deutschland Laizität fordere, könne dann aber nicht mehr von christlich-abendländischen Werten reden.

Die übrigen Redner widmen sich dem Thema mit mehr oder weniger Ernsthaftigkeit. Der Grüne Alexander Maier heißt es zwar auch nicht gut, wenn Frauen gezwungen werden, sich „bis zur Unkenntlichkeit zu verschleiern“. Ein Totalverbot aber widerspreche der Selbstbestimmung der Frauen genauso.

Zudem habe das Burka-Verbot in Frankreich keinen Trend weg von der Vollverschleierung bewirkt. Stattdessen gebe es mehr „entwürdigende Begegnungen“, wenn Frauen beispielsweise der Schleier weggerissen wird.

Europamaus und Maskottchen Fritzle

Nicht mehr ganz ernst gemeint waren Maiers Fragen an die AfD, ob vom Verschleierungs-Totalverbot wohl auch „die Europamaus im Europapark“, VfB-Maskottchen Fritzle oder Motorradfahrer mit ihren Helmen betroffen seien.

Bernhard Lasotta (CDU) will das Thema ernsthaft diskutieren. Den Tonfall der AfD-Abgeordneten Baum findet er „hasserfüllt“. Der AfD-Gesetzentwurf gehe nicht auf die Menschenrechte, die Religionsfreiheit und die Meinungsfreiheit ein, sondern trete diese Werte mit Füßen. Die Debatte müsse auf Bundesebene und entlang des Grundgesetzes geführt werden.

Sascha Binder (SPD) ist in Baden-Württemberg „noch keine Frau mit Burka begegnet“. Er warnt: Man könne „nicht alles, was man ablehnt, verbieten“. Die Debatte erfordere Ernsthaftigkeit, das gelte aber auch für die Fraktion, die den Verbotsantrag eingebracht habe. Der AfD-Gesetzentwurf jedenfalls kommt dem Juristen Binder „völlig ungenügend“ vor. Er regele nicht und fordere nur. So sei unklar, wie mögliche Kontrollen aussehen sollten. Nico Weinmann (FDP) warnt, Konventionen könne man nicht erzwingen. Der Liberale kündigt einen eigenen Entwurf der FDP an, mit dem beispielsweise die Verschleierung in Schulen und Hochschulen geregelt werden soll.