Die hohen Flüchtlingszahlen haben auch zu einem Zustrom in den Gefängnissen geführt. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Stuttgart (lsw) - Der Flüchtlingsstrom hat in den baden-württembergischen Gefängnissen zu Überbelegung geführt. „Im Moment muss man feststellen, dass die Zahl der Gefangenen nach jahrelang rückläufiger Tendenz flüchtlingsbedingt sehr stark zugenommen hat“, sagte Justizminister Guido Wolf (CDU) in Stuttgart.

Insbesondere im geschlossenen Vollzug herrscht Enge: Dort drängen sich 6170 Gefangene auf 6087 Haftplätzen (Juni 2016). Überdies arbeitet das Ministerium - unabhängig von der angespannten Situation in den Gefängnissen - gerade einen Lehrplan für eine Staatsbürgerkunde aus, die von 2017 an jeder Flüchtling mit Bleibeperspektive absolvieren soll.

Der Anteil der Ausländer lag 2014 bei 37 Prozent, 2015 bei 39 Prozent und im März dieses Jahres bei 44,6 Prozent von damals 6948 Häftlingen. In der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim liegt der Anteil sogar bei 73,5 Prozent. Ebenfalls zum März dieses Jahres registrierten die Justizvollzugsanstalten 3053 Ausländer aus 94 Nationen und Staatenlose, ein Jahr zuvor waren es noch 2593 Ausländer und Staatenlose.

Hohe Zuwachsraten gab es vor allem bei Inhaftierten aus den Maghreb-Staaten. In absoluten Zahlen sind die größten Gruppen aber die Türken und Rumänen. Die häufigsten Vergehen sind Diebstahl und Drogendelikte. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) verwies darauf, dass die Ausländer im Vergleich zu Deutschen mit festem Wohnsitz, Beruf und Arbeitsplatz schneller wegen Fluchtgefahr in Haft genommen werden.

Ruf nach Rechtskunde-Kursen

Wolf setzt sich unterdessen für verpflichtende Rechtskunde-Kurse für Flüchtlinge mit Bleibeaussichten ein, um eine Basis für ein friedliches Zusammenleben zu legen. Sein Haus erarbeite das Lehrmaterial aktuell. Die Kurse sollten obligatorisch sein, so Wolf: „Wir müssen von denen, die mittel- und langfristig hier bleiben, die Bereitschaft einfordern, sich mit unseren Spielregeln vertraut zu machen.“ Solche Kurse könnten etwa an Volkshochschulen angeboten werden.

Der Überbelegung in Gefängnissen werde mit dem Aufbau weiterer 500 Haftplätze begegnet, sagte Wolf. Mit Baumaßnahmen in Mannheim, Heilbronn und Stuttgart würden 250 zusätzliche Haftplätze geschaffen. Mittelfristig solle in Rottweil eine neue Haftanstalt mit 500 Plätzen entstehen; zugleich würden einige kleinere Standorte geschlossen, so dass unter dem Strich weitere 250 Plätze hinzukommen.

Nachdem 2015 vordringliche Empfehlungen der Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen umgesetzt worden sind, sollen jetzt weitere Stellen im ärztlichen, sozialdienstlichen und psychologischen Bereich geschaffen werden. Wolf: „Ich gehe mit der Forderung nach 370 Stellen in die Haushaltsberatungen für 2017.“ Davon entfallen 117 auf den Vollzugsdienst, 40 auf Justizwachtmeisterstellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften und 213 Stellen auf Richter- und Staatsanwaltsposten. Die Kosten dafür addieren sich auf knapp 26 Millionen im Jahr.

Die Forderung Wolfs nach 117 Stellen im Strafvollzug sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, hieß es beim Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). „Da ist zu lange nichts passiert, die Kollegen haben sich verlassen gefühlt und resigniert“, sagte Landeschef Alexander Schmid. Die Gefangenen würden eher verwahrt als betreut. Beim Personalschlüssel pro Haftplatz hinke Baden-Württemberg im Vergleich der westdeutschen Flächenländer hinterher. Um auf deren Schnitt zu kommen, müssten im Südwesten 230 zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Bedienstete für bessere Bezahlung

Schmid forderte auch bessere Bezahlung für den Justizvollzugsdienst, damit neue Stellen überhaupt besetzt werden könnten.

Der Stellenausbau bei Ermittlungsbehörden und Justizvollzug sei auch aus Sicht der Polizei zwingend, argumentierte Wolf. „Wenn wir die Polizei erheblich verstärken, die Staatsanwaltschaften aber nicht, müssen Ermittlungen eingestellt werden - das ist Frustration pur für die Polizei.“

Wolf räumte ein, dass Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) gesamtpolitische Budgetverantwortung trage. „Da muss man sehen, was machbar ist.“ Sein Ressort werde sich auch am Ziel der Etatkonsolidierung beteiligen. Sitzmann ließ wissen,dass es einen Ausgabenkorridor für Mehrausgaben von 150 Millionen Euro für das kommende Jahr gebe, auf den nicht nur das Justizministerium Anspruch erhebe. Die Gespräche über die Mittelverteilung liefen den September über.